Brandenburg gewinnt Geschmack am Wein

Von Gudrun Janicke

Die größten Gefahren für den kleinen Weinberg in Annenwalde (Uckermark) sind neben Wetterunbilden derzeit Waschbären und Krähen. «Beide lieben die saftigen Trauen und fressen sie von der Rebe», erzählt Christa Kothe vom Verein Glashütte Annenwalde. An der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern liegt der nördlichste Weinberg Brandenburgs, mit 0,1 Hektar ein Winzling unter Deutschlands Weinanbaugebieten.

Märkische Reben wachsen nur auf knapp 30 Hektar. Zum Vergleich: In Rheinhessen sind es 26 500 Hektar und in der Pfalz 23 500 Hektar. In der Saale-Unstrut-Region gedeihen die köstlichen Trauben immerhin auf 666 Hektar, und in Sachsen sind es noch 400 Hektar.

Selbst wenn engagierte Winzer es wollten und Klima und Boden es zuließen: Mehr Fläche lässt eine EU-Regelung in Brandenburg nicht zu. Doch Wein aus der Mark ist im Kommen. «Er hat Potenzial», sagt der Geschäftsführer des Verbandes pro agro, Gerd Lehmann. «Leider ist die Menge noch viel zu gering.»

Christa Kothe und ihre Vereinsmitglieder aus der Uckermark sind Hobby-Weinbauern und bieten Brandenburger Landwein an. Profi-Winzer Manfred Lindicke, der zwei Mitarbeiter hat, betreibt in Werder bei Potsdam die «nördlichste eingetragene Reblage Deutschlands mit Qualitätsanbau», wie es offiziell heißt. Weinrechtlich liegt es im Saale-Unstrut-Gebiet in Sachsen-Anhalt.

Seine Trauben wurden bisher im Landesweingut in Kloster Pforta (Sachsen-Anhalt) gekeltert - ab diesem Jahr macht Lindicke es selbst. Sie tragen dann das Siegel «Qualitätswein». Die Trauben aus der Uckermark gehen nach Mecklenburg-Vorpommern zum Gut Rattey.

In Annenwalde ist der Ertrag relativ gering. 2005 «ernteten» nur die Waschbären. 2009 gab es mit 500 Litern die bislang größte Menge. «Etwa 200 bis 300 Liter müssten in diesem Jahr möglich sein», sagt Kothe. Sie betreibt mit ihrem Mann, dem Glaskünstler Werner Kothe, die Glashütte und organisiert Ausstellungen und Veranstaltungen. Der Erlös vom Weinverkauf geht an Schülerprojekte.

Weinbauer Lindicke denkt in anderen Dimensionen. Er bearbeitet den Werderaner Wachtelberg mit 6,2 und den Galgenberg mit 1,4 Hektar. «Guten Wein zu erzeugen ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe», meint er. Wein entstehe regional und brauche regionale Abnehmer. «Im Biertrinkerland Brandenburg ist das eine Herausforderung.» Aus seinem Betrieb kommen im Jahr etwa 50 000 Flaschen in sieben Sorten.

Der Blick in die Geschichtsbücher offenbart: Noch im 15. und 16. Jahrhundert gab es fast überall in Brandenburg Weinberge. In den Stadtwappen von Baruth und Rathenow sind Trauben enthalten. Im 30-jährigen Krieg 1618 bis 1648 wurden viele Anlagen vernichtet. Preußenkönig Friedrich II. (1712-1786) setzte sich nicht nur für die Kartoffel, sondern auch für die Weinbaukultur ein. Ende des 19. Jahrhunderts kam der Weinanbau wieder für lange Zeit zum Erliegen.

Seit einigen Jahren wachsen wieder mehr Rebstöcke. Ab 2015 soll es bis zu 36 000 Liter Brandenburger Landwein geben. Im Süden sind die Weinbauern in Schlieben (Elbe-Elster) gerade bei der Ernte. Wein gedeiht auch auf einer sechs Hektar großen Rekultivierungsfläche des Kohletagebaus Welzow-Süd. Seit Frühjahr 2010 kamen etwa 26 000 Reben in den Boden. Vom Granoer Weinberg bei Guben (Spree-Neiße) werden 4000 Liter erwartet.

Auch vom Gut Klosterhof Töplitz, vom Weinberg im Kloster Neuzelle oder aus Baruth kommt Wein. Auch in Berlin gibt es engagierte Winzer: Als legendär gilt der Wein aus Kreuzberg vom Viktoriapark. Trauben wachsen an der Hessischen Landesvertretung in Mitte, in Prenzlauer Berg oder im Britzer Garten.

Die Arbeit ist in jedem Weinberg pure Handarbeit. Stöcke werden beschnitten, Vorsorge gegen Schädlinge muss getroffen werden. «Und immer die Füße frei halten», sagt Kothe. Das heißt: Unkraut zupfen. Und Lindicke meint: «Einem Rebstock muss man 14 Mal im Jahr die Hand geben.» dpa

Klimawandel-Szenarien: Härtere Zeiten für Ostdeutschland

Hitzewellen und Hochwasser: Der Klimawandel könnte Ostdeutschland in den kommenden Jahrzehnten spürbar mehr zu schaffen machen als dem Westen der Republik. Das geht aus den neuesten Klima-Szenarien des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (Pik) hervor.

«Ostdeutschland wird durch größere Hitzewellen im Sommer und mehr Niederschläge im Winter wahrscheinlich härter getroffen», erläutert Pik-Direktor Hanns Joachim Schellnhuber. Bei jetziger Gesetzeslage müssten sogar Kraftwerke an Flüssen zeitweise abgeschaltet werden, weil das Kühlwasser zu warm werde. Insgesamt treffe die Erderwärmung aber jede Region anders.

Erstmals haben Klimaforscher des Pik und der Berliner Humboldt-Universität die Auswirkungen der Erderwärmung bis zum Jahr 2100 bis auf die deutschen Landkreise heruntergebrochen. Gleichzeitig zeigen sie mögliche Effekte auf Land-, Forst- und Energiewirtschaft auf. Die Wissenschaftler rechnen dabei nicht mit Horror-Modellen, sondern orientieren sich an den Temperaturmessungen in Deutschland seit 1901. Bis 2010 wurde es den Angaben zufolge hier je nach Region zwischen 0,25 und 2 Grad wärmer.

Geht das genauso weiter, steigen die Temperaturen nach den Pik-Szenarien zwischen 2011 und 2100 um 3,6 bis 4,1 Grad Celsius. Durch deutlich weniger Niederschläge kippt dadurch zum Beispiel im ohnehin schon trockenen Brandenburg die Wasserbilanz weiter ins Negative. Für den Westen sei der ausbleibende Regen nicht so dramatisch, erläutert Pik-Forscher Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe. Denn bis auf Teile des Rheingrabens gibt es dort heute noch vergleichsweise hohe Niederschlagsmengen. Die Unterschiede machen das eher maritim geprägte Klima in Westdeutschland und das eher kontinental beeinflusste Klima im Osten der Republik aus.

«Wir müssen uns anpassen», folgert HU-Klimaforscher Wilfried Endlicher. Droht Trockenheit, können Regionen zum Beispiel durch Wasserrückhaltebecken oder künstliche Bewässerung Vorsorge treffen. Auch der Winterregen sollte besser nicht durch Drainagen abgeleitet werden, sondern versickern. Das hebt den Grundwasserspiegel. Landwirte müssen sich dann aber den Experten zufolge darauf einrichten, dass ihre Felder bis Februar unter Wasser stehen können.

Auch auf Großstädte kommen neue Aufgaben zu. «Bei Hitzewellen verdoppelt sich die Sterblichkeit», sagt Endlicher. Es müsse mehr Gesundheitsvorsorge für alte Menschen geben - und es werde dazu noch deutlich mehr alte Menschen geben als heute. «Das ist alles noch nicht in unseren Köpfen drin», ergänzt er. Auch Straßenbäume und grüne Lungen bekämen ein ganz neues Gewicht. «Wir dürfen in den Innenstädten nicht alles zubauen.»

Auch in deutschen Wäldern müssen Forstwirte demnach weiter vorausdenken als heute. Denn für Buchenwälder tauge das neue Klima wenig. Monokulturen wie Kiefern verdunsteten zu viel Wasser. Die Lösungen sehen Klimaforscher im bewussten Pflanzen von Mischwäldern - das könne Klimaschäden bei einer Baumart am sichersten kompensieren.

Der Klimawandel kann aber auch kuriose Folgen haben: Ostdeutschland würde ein exzellentes Weinanbaugebiet, an der Mosel könnten Winzer von Riesling auf Spätburgunder umstellen. Erst im vergangenen Jahr gewann das Weingut Molitor von der Mosel einen großen Spätburgunder-Preis

Insgesamt trifft der Klimawandel Deutschland bei weitem nicht so hart wie die Eisbären in der Arktis, denen buchstäblich die Scholle unter den Pfoten wegschmilzt. Auf die leichte Schulter nehmen wollen Klimaforscher den möglichen Wandel hier aber auch nicht. «Wir brauchen erheblich mehr Investitionen für Anpassungen, besonders im Osten», sagt Gerstengarbe. Das Problem seien nicht nur Dürreperioden, sondern auch Hochwasser im Winter. «Die letzte Elbeflut hat zehn Milliarden Euro gekostet», ergänzt der Wissenschaftler. «Wenn das viermal hintereinander passiert, geht auch Deutschland in die Knie.» dpa

Die Szenarien für jeden Landkreis sollen ab Anfang Dezember im Internet veröffentlicht werden: Klimafolgen.Online.com