Butter ranzig - Aldi tröstet mit Champagner

Von Matthias Hoenig

Als Ruth Rockenschaub im Mai 2013 zwei bei Aldi Nord in Neumünster gekaufte Päckchen irische Butter zuhause probierte, stank es ihr gewaltig. "Die Butter schmeckte ätzend", sagte die 60-Jährige Künstlerin am Freitag vor der kurzen Verhandlung beim Amtsgericht Neumünster. Weil Aldi Nord ihr trotz monatelanger Bemühungen nicht sagen wollte, was die Laborwerte ergeben haben, zog sie vor Gericht. Die Verbraucherorganisation foodwatch in Berlin sah die Chance auf ein Grundsatzurteil: Welche Informationsrechte haben Verbraucher in Deutschland gegen Lebensmittelkonzerne?

"Bisher ist das gesetzlich nicht geregelt", sagte foodwatch-Sprecher Andreas Winkler am Rande der Verhandlung. Und so waren ein Kamerateam und Journalisten in den kleinen Gerichtssaal gekommen, um Justitias Klärung dieser Grundsatzproblematik mitzubekommen.

"Unstreitig ist, die Butter war ungenießbar", sagte Richterin Antje Vogt zu Beginn. Dabei war das Mindesthaltbarkeitsdatum der 1. Juli 2013. "Aldi hat Ihnen dann ein paar Aufmerksamkeiten zukommen lassen", sagte die Richterin.

Am 28. Mai hatte die Kundin sich bei Aldi beschwert und Aufklärung gefordert, was mit der Butter los war. "Ich bin hingehalten worden mit Schreiben und man hat mich zu beruhigen versucht mit Geschenken - einer Flasche Champagner, einer Packung Gebäck, zwei Mal Kaffee und einem Buttermesser", berichtete Rockenschaub am Rande der Verhandlung. Erst als sie gedroht habe, per Taxi-Kurier die ungewünschten Geschenke - teils bis zur Aldi-Nord-Zentrale nach Essen - zurückzuschicken, habe der Aldi-Bezirksleiter - "ein sehr freundlicher Mann" - die Sachen an der Haustür abgeholt.

Schließlich reichte die Verbraucherin Klage ein. Am Vorabend der Verhandlung erhielt ihr Rechtsanwalt Cornelius Knappmann-Korn von Aldi Nord dann doch den schriftlichen Prüfbericht mit einigen Laborwerten. "Gesundheitsgefährdende Bakterien wurden nicht festgestellt", sagte Richterin Vogt. Beim Landeslabor in Neumünster hieß es, die Parameter der Prüfungen eines privaten Instituts in Mecklenburg-Vorpommern hierfür seien zu gering gewesen.

Mit der Herausgabe des Prüfberichts war der Hauptgrund für die Klage entfallen. Somit hatte das Gericht nur noch die Frage zu klären, wer die Gerichtskosten trägt. Der aus Essen angereiste Aldi-Anwalt Lars Kolks erklärte sofort, Aldi übernehme die Verfahrenskosten.

Ein aus Aldi-Sicht geschickter Schachzug, meinte Anwalt Knappmann-Korn. Hätte die Richterin entscheiden müssen, wer die Kosten trägt, wäre dies ein Hinweis in Richtung Grundsatzklärung gewesen: nämlich ob Aldi allein aus Kulanz das Prüfergebnis der Verbraucherin mitteilte - wie dies der Konzern sieht - oder sie ein Recht darauf hätte. Richterin Vogt betonte zum Abschluss der knapp zehnminütigen Verhandlung, sie hätte eigentlich gern über Paragraf 437 des Bürgerlichen Gesetzbuches gesprochen. Der Paragraf regelt, welche Rechte der Käufer einer mangelhaften Sache hat. "Von Informationsrechten steht da nichts", sagte Knappmann-Korn.

foodwatch-Sprecher Winkler sah nach dem Gerichtsbeschluss wenig Aussichten auf eine neue Chance, ein Grundsatzurteil zu erreichen. "Diese Frage ist offen geblieben." Es müssten in jedem Fall gesetzliche Regelungen mit Informationsrechten für die Verbraucher geschaffen werden. Zur Vorgehensweise von Aldi meinte er, das Verhalten sei typisch für die Lebensmittelbranche: "Erst wird monatelang gemauert und dann, wenn der Fall in der Öffentlichkeit ist, wird in allerletzter Sekunde die Notbremse gezogen."

Aldi Nord selbst betonte in einer Stellungnahme, dass der Gesetzgeber es nicht vorsehe, Verbrauchern Laboruntersuchungen zugänglich zu machen. "Dennoch haben wir uns dazu entschlossen." Die Darstellung von Aldi, alle erforderlichen Maßnahmen getroffen zu haben, um die Charge mit verdorbener Butter aus dem Verkauf genommen zu haben, kommentierte Richterin Vogt mit dem Hinweis, dass die betroffene Ware zwar aus den Regalen genommen wurde. "Eine Rückrufaktion der Ware gab es aber nicht." dpa