Champagner zum Fest

Von Christian Volbracht

Macht der Korken plopp, so ist es chemisch immer dasselbe: Millionen winziger Bläschen aus Kohlendioxid zerplatzen, die Aromen dringen in die Nase. Auf der Zunge kribbelt es. Frohsinn und gute Laune verstärken sich, denn die berstenden Perlen reizen auch die Magenwände, die dadurch besser durchblutet werden und den Alkohol schneller aufnehmen.

Was der Chemiker Klaus Roth von der Freien Universität Berlin erforscht hat, gilt für den edlen Jahrgangschampagner für 180 Euro pro Flasche ebenso wie für den «Jahrgangssekt» für 2,29 Euro vom Discounter. Man kann sparsam prosten - oder protzen. Doch Gasperle ist nicht gleich Gasperle, die Qualitätsunterschiede sind riesig.

Die Weinexpertin Lidwina Weh, Chef-Sommelière im Hotel «Louis C. Jacob» in Hamburg, sieht vor allem krasse Unterschiede bei Sekt und Prosecco. Die 36-Jährige ist gerade bei einem Wettbewerb in Frankreich zur «Champagner-Botschafterin» gekürt worden. Natürlich steht Champagner für sie ganz oben. Aber auch andere Weine reifen bei der im 17. Jahrhundert entwickelten Flaschengärung zu sehr guter perlender Qualität heran.

Nach der Champagner-Methode oder «méthode traditionelle» werden die Weine zuerst im Fass vergoren, dann gemischt («Assemblage» genannt) und auf Flaschen abgefüllt. Dabei setzt man etwas süßen Most und Hefe zu, um bei der zweiten Gärung Kohlendioxid entstehen zu lassen: Der Schaumwein sprudelt.

Danach werden die Flaschen gerüttelt, also in speziellen Gestellen immer ein Stückchen gedreht und mehr und mehr auf den Kopf gestellt, bis sich die Hefe im Hals gesammelt hat. Schließlich vereist man den Hals, um den gefrorenen Hefepropf zu entfernen («degorgieren»), füllt etwas Wein nach und verkorkt die Flasche. Etwas kostengünstiger rütteln moderne Maschinen ganze Champagner-Paletten.

Die Methode ist nicht billig, besonders beim Rütteln mit der Hand. Ein Champagner sei deshalb unter 20 Euro kaum zu haben, sagt Hans-Henning Brügesch, Filialleiter und Einkäufer bei einer großen Weinmarkt-Kette: «Man braucht für eine Flasche 1,3 Kilogramm Trauben - die kosten 8 Euro, dazu kommt 1 Euro Sektsteuer.»

16 Monate muss der Champagner nach den geltenden Bestimmungen in der Flasche gären. Bessere Sorten lassen sich nur mit noch mehr Geduld und mehr Kosten erzielen. Denn Champagner gewinnt an Intensität und Eleganz, also an feinem Geschmack, wenn er länger auf der Hefe steht. Dabei werden auch die Bläschen immer feiner. Manche Häuser lassen Edelsorten mehr als 20 Jahre reifen. Außerdem fügen sie bei der Assemblage einen höheren Anteil von reifen Reserveweinen aus früheren Jahrgängen hinzu.

Und doch gibt es Billig-Champagner beim Discounter auch für weniger als 12 Euro. «Da werden die Champagnerregeln so eng eingehalten wie möglich», sagt Brügesch. «Und es wird bei Winzern gekauft, die Trauben selbst herstellen. Da wird so scharf kalkuliert wie bei der Hähnchenmast.» Lidwina Weh ergänzt, diese Champagner seien ordentlich gemacht, wenn auch wenig ausdrucksstark.

Heute gibt es eine ganze Reihe von Schaumweinen, die nach der traditionellen Methode hergestellt werden und auch Markenchampagnern ebenbürtig sind. In Frankreich sind das manche Crémants, aus Deutschland kommen Winzersekte, aus Spanien einige gute Cavas. Brügesch würde einen sehr guten deutschen Riesling-Winzersekt für rund 12 Euro einem üblichen Markenchampagner für 20 vorziehen. Auch Weh kennt «wunderbare deutsche Winzersekte.»

Man kann Schaumwein aber auch ohne Flaschengärung und ohne lange Lagerung, ohne Rütteln und Degorgieren herstellen. Dazu wird der Wein zum Abfiltern der Hefe nach der zweiten Gärung in Tanks umgefüllt, oder die zweite Gärung findet gleich ganz im Tank statt. Diese Methoden werden bei vielen deutschen Markensekten angewendet, auch bei einigen Proseccos. «Bei Sekt gibt es aber immer einen Risikofaktor», erläutert Weh, «weil es bei der Qualität ganz unten anfängt und ganz oben aufhört.» Ihr sind die meisten deutschen Markensekte zu süß, obwohl «trocken» auf dem Etikett steht.

Ganz verwirrend ist die Lage beim italienischen Prosecco. Zwar gibt es einige sehr gute, die sogar nach der Champagner-Methode erzeugt werden. Aber auch unendlich viele, die gar kein Schaumwein sind, sondern «frizzante», also Sektsteuer-freier Perlwein. Aus Frankreich stammende Perlweine heißen «pétillant».

Perlwein entsteht durch das Karbonisierungsverfahren. Dabei verzichtet man ganz auf die zweite Gärung und setzt stattdessen Kohlensäure zu. «Das einzige, was man manchmal beim Prosecco im Glas hat, das ist Kohlensäure und wenig Geschmack», sagt Weh. Wer geschmacklich gute Qualität sucht, muss also das Etikett genau lesen, um zumindest Perlwein von Schaumwein zu unterscheiden.

Also lieber Champagner? «Es kommt darauf an, mit wem man feiern will», sagt Weh. Auch im Restaurant bietet sie Alternativen zum Champagner an, etwa ausgewählte Proseccos oder Winzersekte. Und als besondere Alternative gibt es deutschen Traubensecco, einen mit Kohlensäure versetzten Traubensaft ohne jeden Alkohol. «Das funktioniert super», sagt Weh. «Es ist unglaublich, wie das Getränk ankommt. Man kann Autofahrer mit einbinden, Antialkoholiker, Kinder und schwangere Frauen.» dpa

Zur Verkostung Champagner Jacquart

Die deutschen Schaumweinweltmeister

Die Deutschen sind Schaumweinweltmeister. Sie konsumierten im Jahr 2009 insgesamt 36,8 Millionen Liter sprudelnde Weine, heißt es in der Untersuchung, die auf der diesjährigen Weinmesse Vinexpo in Bordeaux veröffentlicht wurde. Statistisch gesehen trank jeder über 16-Jährige 5,5 Liter Schaum- oder Perlwein pro Jahr.