Cocktails der EM 2016 Caipirinha von Rocky Balsam

Von Bettina Levecke

Limettenachtel und Zucker ins Glas, kräftig mit dem Holzstößel andrücken, jede Menge Crushed Ice dazu und mit Cachaça, Zuckerrohrschnaps, auffüllen. Fertig ist der Caipirinha. Klingt einfach, ist es auch. "Obwohl er so simpel ist, hat der Caipirinha die Cocktailkultur total verändert", sagt Helmut Adam, Sachbuchautor und Herausgeber einer Bar-Fachzeitschrift.

Die Besonderheit: Bei Caipirinha entsteht der Fruchtsaft im Glas. Durch den Druck des Holzstößels werden die Limettenstücke ausgedrückt und geben ihren Saft ab. "Das ist Zubereitung à la minute", sagt Adam und erklärt: "Für das Geschmackserlebnis war das ein richtiges Novum, denn vor der Caipirinha wurden von Bartendern eigentlich ausschließlich fertige Fruchtsäfte verwendet, und die schmecken einfach anders." Heute sei es hingegen allgemein üblich, viele Säfte am Bartresen frisch zu pressen.

Wer hat's erfunden?

Das Hauptelement von Caipirinha ist Cachaça (gesprochen: Katschassa), ein brasilianischer Zuckerrohrschnaps, der eng mit dem Rum verwandt ist. Der Name Caipirinha leitet sich ab von dem brasilianischen Wort "Caipira", was so viel wie Landbewohner oder auch Hinterwäldler heißt. Maximilian Winkel, Geschäftsführer des Freisinger Clubs "Nigel Parker", kennt die Überlieferungen: "Früher haben sich die armen Bauern in Brasilien aus Zuckerrohr selbst Schnaps gebrannt." Pur schmeckte der Selbstgebrannte aber nicht: "Und da es Limetten im Überschuss gab, hat man den Schnaps einfach mit Zucker und Limetten trinkbar gemacht."

Weitere Anekdoten besagen, dass die brasilianischen Landbewohner den Zuckerrohrschnaps mit Honig, Knoblauch und Limetten als Anti-Grippe-Mittel nutzten. Irgendwann muss dann jemand auf die Idee gekommen sein, den Knoblauch gegen Eiswürfel zu tauschen, denn: Als die brasilianische Oberschicht auf den Drink aufmerksam wurde, war sein Siegeszug durch die Metropolen nicht mehr zu stoppen. Besonders die Deutschen mögen den südamerikanischen Cocktail: "Wir sind weltweit der größte Cachaça-Importeur", sagt Adam.

Warum ist Caipi so beliebt?

Rocky Balsam mag den Caipirinha so gerne, dass er in Hamburg seine Cocktail-Bar danach benannt hat. In der "Caipi-Colada Bar" steht auf Platz eins der Karte natürlich der Caipirinha. "Das ist ein super Cocktail, weil er so einfach und frisch ist", schwärmt Balsam. "Durch die frisch gepressten Limetten entsteht eine schöne Säure, durch den Zucker die Süße - das ist genau die Mischung, die man von einem guten Cocktail erwartet."

Auch Adam sieht den Hauptgrund für den großen Erfolg in der einfachen Rezeptur: "Die Zutaten sind schnell besorgt, und für die Zubereitung braucht man keine Schulung, das kann im Grunde jeder."

Wie geht es denn richtig?

"Zur perfekten Zubereitung eines Caipirinhas hat fast jeder Barkeeper seine eigene Philosophie", sagt Winkel. Angefangen beim Cachaça selbst, sagt Adam. "Günstig hergestellte Massenprodukte schmecken natürlich anders als in kleinen Mengen hochwertig hergestellte Destillate." Im Fachhandel erhältlich sind zum Beispiel Cachaças, die im Holzfass gereift sind: "Wie auch bei anderen Spirituosen gibt es durch die Reifung viele Möglichkeiten, noch spezielle Geschmacksnoten zu bekommen."

Ähnlich vielschichtig ist das Thema Zucker. In Deutschland kommt häufig brauner, karamellisierter Zucker zum Einsatz: Dabei ist das eigentlich ein Irrtum, denn laut brasilianischer Tradition gehört feiner, weißer Rohrzucker ins Glas. "Brauner Zucker löst sich schlecht auf, und sorgt immer für ein krümeliges Gefühl auf der Zunge", sagt Adam.

Rocky Balsam verrät sein Spezialrezept: "Ich mische Rohr- und Vollrohrzucker im Verhältnis 6 zu 1 und mahle es in der Küchenmaschine ganz fein, so krümelt es nicht."

Bei den Limetten sind sich alle Barkeeper einig: Frisch müssen sie sein und in Bio-Qualität - schließlich kommt die Schale mit ins Glas. "Dennoch bitte vorher einmal waschen, denn auch Bio-Limetten haben eine schützende Wachsschicht", sagt Winkel. Ins Glas kommen Achtelstücke, erklärt Rocky Balsam. Je frischer die Limette ist, desto mehr Flüssigkeit bringt sie ins Glas, erklärt Winkel. "Auch die ätherischen Öle schmecken bei frischen Früchten besser, ältere Limetten sorgen hingegen schnell für einen bitteren Geschmack, der nicht so angenehm ist."

In Deutschland favorisieren die meisten Bartender und Caipi-Liebhaber Crushed Ice oder klein gestößelte Eiswürfel, da auf diese Weise sehr erfrischendes Schmelzwasser entsteht, das den Drink abrundet. "In Brasilien selbst werden aber in der Regel ganze Eiswürfel genommen", sagt Adam.

Gibt es Variationen?

Auf Rocky Balsams Karte folgen auf den Klassiker zahlreiche Caipi-Variationen. Der Hamburger Barkeeper spielt gerne mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. So gibt es einen mit Orange und Zimt aromatisierten Cachaça, der mit flüssigen Spekulatiuskeksen gesüßt wird oder einen Mandarin-Caipi mit Mandarinenwodka und Mandarinensirup.

Statt Cachaça können auch andere Spirituosen genutzt werden, wie Wodka, Rum, Kräuterschnaps oder Aperol. Es gibt sogar Variationen mit Rotwein. "Auch beim Obst kann man sich austoben", sagt Adam. Er selbst mag am liebsten Variationen mit Passionsfrüchten oder Kumquat. dpa