Deutschlands Städte locken die Welt

Von Burkhard Fraune

Im Berliner KaDeWe sprechen Verkäuferinnen Russisch, auf der Düsseldorfer Kö sind Chinesen mit großen Einkaufstaschen beladen. Deutschlands Großstädte locken immer mehr Touristen an und besonders der Strom ausländischer Gäste schwillt immer mehr an. Vor allem aus Russland kommt Jahr für Jahr mehr vermögende Kundschaft in deutsche Hotels und Kaufhäuser. Nun fürchten deutsche Touristiker, dass Sanktionen im Zuge der Ukraine-Krise sie von dem Boom-Markt abschneiden könnten.

«Das könnte uns erheblich schaden», heißt es etwa bei den Hauptstadt-Tourismuswerbern von VisitBerlin. Gerade Russland sei ein enorm wachsender Quellmarkt. «Im Tourismus sind Krisenherde immer ein Unglücksmoment», meinen die Kollegen aus Düsseldorf.

Bundesweit haben Russen im vergangenen Jahr mit 2,6 Millionen Übernachtungen die Spanier überflügelt - ein Plus von 15,5 Prozent. Ähnlich stark war nach Angaben des Statistischen Bundesamts nur der Zustrom aus den arabischen Golfstaaten gewachsen, wenn auch auf niedrigerem Niveau.

Allein in München stieg die Zahl der Übernachtungen von Russen und Arabern um knapp ein Fünftel auf jeweils mehr als eine halbe Million. «Diese Märkte zeichnen sich durch eine sehr hohe touristische Wertschöpfung aus», registrieren die Münchner erfreut. Sprich: Diese Gäste lassen viel mehr Geld in der Stadt als andere.

In Berlin gibt der durchschnittliche Besucher inklusive Hotel gerade einmal 207 Euro pro Tag aus. Ein russischer Gast lasse sich dagegen allein einen Einkauf im Schnitt 356 Euro kosten, wie VisitBerlin mitteilt. «Sie kaufen Schmuck, Elektronik, hochwertige Kleidung, Pelze - das ist kein Klischee», sagt Sprecher Christian Tänzler. Chinesen gäben pro Einkauf sogar 634 Euro aus - was sich mit bundesweiten Erhebungen deckt.

In Düsseldorf komme zum Einkaufs- der Gesundheitstourismus hinzu, wie Tourismuschefin Eva-Maria Illigen-Günther berichtet. Ganze Familien vom Golf quartierten sich dazu in Hotelsuiten über mehrere Etagen ein. Beim Einkaufen seien Russen ähnlich ausgabefreudig. Lederwaren, Schmuck, Uhren, Porzellan seien begehrt.

Doch nicht jeder Gast will nur shoppen. Viele Chinesen kommen zum erstenmal nach Deutschland. Reisen sie etwa nach Berlin, wollen sie erstmal vom Brandenburger Tor bis zu den letzten Mauerresten alle Sehenswürdigkeiten entdecken, haben die Verantwortlichen in der Hauptstadt beobachtet. Indische Gäste seien häufig sehr jung und geschichtsinteressiert, Brasilianer ließen sich nicht so festlegen, sie folgten immer dem neuesten Trend.

«Der Tourismus ist weltweit auf Wachstumskurs», sagt der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft, Michael Frenzel. «Die Wachstumstreiber sind vor allem die Märkte in China, Indien und Russland. Wir können davon profitieren. Deutschland wird neue Gäste aus neuen Quellmärkten bekommen.»

Und es kommen längst nicht mehr nur die Reichen, sondern immer mehr gut verdienende Reisende aus der Mittelschicht. Allein 18 Millionen Russen reisten nach Moskauer Behördenangaben im vergangenen Jahr ins Ausland, rund zwölf Prozent mehr als im Vorjahr.

Sanktionen kämen da nicht gelegen, Tourismusströme sind sensibel. Es gelte, die politischen Gespräche abzuwarten, sagt auf der Reisemesse ITB die Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke. Sie versichert: «Die internationale Gemeinschaft ist immer sehr vorsichtig, was Sanktionen angeht.»

Gleicke spricht von beeindruckenden Zahlen ausländischer Gäste in Deutschland, zufrieden ist sie aber noch nicht. Hotels und Gastronomen in kleinen Städten und auf dem Land hätten vielerorts nichts von dem Trend, sagt die SPD-Politikerin. «Berlin ist sexy, Dresden kennt man auch noch. Aber es gibt noch so viel zu entdecken.» dpa