Ein guter Tropfen aus der Kriegszone Brüder bauen Wein in Syrien an

Von Jan Kuhlmann

Müssten sich Sandro und Karim Saadé nur Sorgen um das Wetter machen, hätten sie ein einfaches Leben als Weinproduzenten. Doch fehlende Sonne oder übermäßiger Regen sind keine Dinge, mit denen sich die beiden Brüder aus Beirut lange aufhalten. Sie müssen sich mit anderen Fragen beschäftigen: Fallen Bomben auf ihre Reben? Überleben die Arbeiter die Traubenlese? Existiert ihr Weingut im nächsten Jahr überhaupt noch? Die Saadé-Brüder bauen ihren Wein in Syrien an - wo seit mehr als vier Jahren ein Bürgerkrieg tobt.

Ihr Weingut "Domaine de Bargylus" liegt auf einer Höhe von rund 900 Metern im Nordwesten des Landes unweit der Küstenstadt Latakia. Die Region ist eine Hochburg des Regimes und von Gefechten weitestgehend verschont geblieben. Doch zuletzt sind die Rebellen näher gerückt, angeführt von Islamisten, die jede Form von Alkohol für eine Sünde halten. Vor zwei Jahren war es schon einmal nur 500 Meter entfernt von dem Weingut zu Kämpfen gekommen. "Wir dachten, dass wir alles verlieren", sagt Sandro Saadé, mit 38 der jüngere der Brüder.

Jede Weinernte ist ein Abenteuer und Risiko. Weil die Brüder wegen der Gefahren im Bürgerkrieg seit Jahren nicht mehr auf das Weingut fahren, müssen die Trauben zur Probe nach Beirut gebracht werden. Morgens legen Arbeiter in Syrien Trauben auf Eis und verpacken sie. Dann rast ein Wagen Richtung Libanon. Läuft alles glatt, erreicht der Transport Beirut in vier Stunden. Wenn die Grenze dicht ist, vergammelt alles auf dem Weg. "Das ist einer der aufwendigsten und gefährlichsten Weine, den man herstellen kann", sagt Sandro Saadé.

Erst wenn die Brüder die Trauben probiert und für gut befunden haben, geben sie den Startschuss für die Ernte, die im September begonnen hat. 45 Angestellte lesen auf dem zwölf Hektar großen Gut die Trauben und produzieren den Wein: Jedes Jahr jeweils eine Cuvée aus den roten Sorten Syrah, Cabernet Sauvignon und Merlot sowie einen weißen Verschnitt aus Chardonnay und Sauvignon Blanc. Rund 45 000 Flaschen des syrischen Weins füllen sie pro Jahr ab.

Diese verkaufen sie nicht nur im Libanon, sondern vor allem in Europa, wo es ihr Wein in feine Pariser und Londoner Restaurants geschafft hat. Die guten Tropfen haben ihren Preis: Rund 30 Euro kostet der Rote, etwa 25 Euro der Weiße. Die Qualität der Weine sei für sie entscheidend, sagt Sandro Saadé: "Wir würden aufhören, wenn wir keine Qualität mehr produzieren könnten."

Das allein ist in Syrien schon ein ambitioniertes Unterfangen. Das Land ist zwar von einer starken säkularen Tradition geprägt, Bier und der Traubenschnaps Raki sind weit verbreitet. Winzer gab es aber kaum, bevor die Saadé-Brüder 2003 in Syrien anfingen. Nur ein paar christliche Mönche stellten früher Wein für den Hausgebrauch her.

Wie viele christliche Libanesen haben die Saadé-Brüder enge Verbindungen nach Frankreich, davon wird auch ihr Weinanbau stark beeinflusst. Die beiden profitieren zudem vom Aufschwung, den libanesischer Wein erlebt. In dem kleinen Land am Mittelmeer haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Winzer mit der Produktion begonnen. Trotz einer Wirtschaftskrise infolge des Bürgerkriegs in Syrien steige auch der Absatz, sagt Charles Ghostine, Geschäftsführer von "Chateau Ksara", größter Hersteller im Libanon. Erklären kann er sich das nicht: "Das ist erstaunlich und eine Überraschung."

Für die Saadé-Brüder lief die Ernte in diesem Jahr bislang ohne Zwischenfälle. Auf Twitter verbreiten sie Fotos, die die Arbeiter bei der Handlese zeigen. Die beiden hoffen auf einen sehr guten Jahrgang. Die bislang besten Weine hätten sie 2012 und 2013 produziert, sagt Sandro Saadé - in den beiden Jahren nach Ausbruch des Bürgerkriegs. dpa