Ernährungsreport 2017 So isst Deutschland

Von Nico Pointner

Diese Zahl musste der Bundesminister dann doch noch verkünden, der Punkt habe ihn eben beeindruckt, sagt Christian Schmidt. Genau 75 Prozent der Deutschen in den alten und in den neuen Bundesländern kochten gerne. «Wir haben die Einheit im Kochen erreicht!», ruft der CSU-Politiker mit einem Lächeln, er hebt immer wieder die Hand dazu, gespielt feierlich. «Ich finde das ist eine Erwähnung wert!»

Zum zweiten Mal schon präsentiert der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft seinen Ernährungsreport. Die Umfrage dreht sich um das Essverhalten der Deutschen. Dem im 18. und 19. Jahrhundert wirkenden französischen Gastrokritiker Jean Anthelme Brillat-Savarin wird der Satz zugeschrieben: «Sage mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist.» Schmidt nennt seine Studie am Dienstag einen «Spiegel unserer Gesellschaft».

Der CSU-Politiker sorgte in den vergangenen Tagen eher mit Reizthemen rund ums Essen für Schlagzeilen. So will Schmidt Fleischbezeichnungen für vegetarische und vegane Lebensmittel verbieten. Begriffe wie «vegetarisches Schnitzel» oder «vegane Currywurst» seien «komplett irreführend und verunsichern die Verbraucher», sagte er der «Bild»-Zeitung. Der Vegetarierbund ist empört, die Organisation Slow Food warf Schmidt eine «wurstige Interessenpolitik» vor.

Bei der Vorstellung des Reports ist das kein Thema. Aber wie und was isst Deutschland also? Immer noch am liebsten Fleisch. 53 Prozent haben am liebsten ein Fleischgericht auf dem Teller. Rouladen (8 Prozent) sind den Deutschen am liebsten, noch vor Schnitzel oder Schweinebraten (jeweils 7 Prozent). Auch Pizza (13 Prozent) und Pastagerichte (38 Prozent) gehören auf die Hitliste der Gerichte.

Die Deutschen achten angeblich beim Einkauf mehr auf den Geschmack als auf den Preis, nehmen Essen lieber mit ins Büro als in die Kantine zu gehen, sie wünschen sich bessere Bedingungen in der Tierhaltung.

«Essen ist weit mehr als eine bloße Nahrungsaufnahme», sagt Schmidt. «Es gehört zum kulturellen und sozialen Wir-Gefühl, es steht für Heimat und Gesundheit.» Doch nehmen sich immer weniger Menschen Zeit dafür. In deutschen Küchen wird seltener gekocht. Stattdessen greifen die Verbraucher zu Fertigkost. Mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) legt inzwischen Wert auf eine einfache und schnelle Zubereitung des Essens.

«Die Leute haben entweder nicht mehr die Zeit oder sind nicht mehr bereit, so viel Zeit zu investieren», sagt Antje Gahl, Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Der gesellschaftliche Wandel führe zur wachsenden Beliebtheit von Fertiggerichten. «Ein Fertiggericht muss nicht ungesund sein, es hat meist einen höheren Fett- und Zuckergehalt, aber man muss das im Einzelnen beurteilen.» Die Deutschen verzehrten nach wie vor recht viel Fleisch. Und Essen sei heute ständig verfügbar.

Die eigene Zubereitung von Speisen werde mehr und mehr verdrängt - oder ins Wochenende verlagert. Dabei kochen die Deutschen mehrheitlich nach wie vor gern. «Das ist ein gewisser Widerspruch», sagt auch Forsa-Chef Manfred Güllner. «Man muss gucken, wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt.»

Also alles Tütensuppe und Tiefkühlpizza? Nein. Gerade die 14- bis 18-Jährigen stehen von allen Altersklassen am liebsten am Herd. «Diese Begeisterung gilt es, mit Schulküchen und systematischen Unterrichtskonzepten aufzugreifen,» fordert der Minister. Gemeinsam mit Fernsehkoch Tim Mälzer werbe er bereits für besseres Schulessen. Er plädiert für mehr Ernährungsunterricht in der Schule.

Er selbst koche auch sehr gerne, sagt Schmidt - aber eher selten. «Den Möglichkeiten geschuldet, bin ich eher auf Seiten der Verbraucher als auf der der Produzenten», gesteht er. Aber Tim Mälzer sei mit ihm zufrieden. «Von meiner Frau ganz zu schweigen.»

Was der Minister nicht erwähnt: So ganz vereint sind die Deutschen in den alten und den neuen Ländern bei der Ernährung doch noch nicht ganz - zumindest nicht, wenn es um Süßes geht. Denn Menschen im Westen naschen deutlich häufiger täglich (23 Prozent) als Ostdeutsche (11 Prozent). dpa

Was sich hinter den E-Nummern verbirgt: Zusatzstoffe im Überblick

Konservierungsmittel oder Farbstoff - das klingt nicht unbedingt so, als wäre es besonders gesund. In vielen Lebensmitteln finden sich Zusatzstoffe. Das muss nicht automatisch krank machen - aber zu viel ist bekanntermaßen eigentlich nie gut.

Manchmal muss es einfach schnell gehen - keine Zeit für den Einkauf auf dem Markt und anschließendes Kochen. Dann greifen viele zu einem Fertiggericht. Das muss nicht per se ungesund sein, aber auf gewisse Lebensmittelzusatzstoffe verzichten Verbraucher besser. Zusatzstoffe finden sich in vielen Fertigprodukten, aber nicht ausschließlich dort.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit ist für die Zulassung von Zusatzstoffen innerhalb der Europäischen Union zuständig, es werden sogenannte E-Nummern vergeben. Nur wenn ein Zusatzstoff bei der vorgeschlagenen Dosis für die Verbraucher als gesundheitlich unbedenklich eingestuft wird, wird er zugelassen. Welcher Stoff hinter den E-Nummern steckt, wissen viele Verbraucher nicht.

«Ich habe das Gefühl, viele lehnen diese Nummern eher ab», sagt Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern. Ihr persönlicher Eindruck ist, dass auf vielen Produkten daher auch häufig nicht die Nummer steht, sondern der eigentliche Name des Zusatzstoffs. Doch was sind gängige Zusatzstoffe, auf die Verbraucher ein Auge haben sollten? Ein Überblick:

- Farbstoffe: Wenn ein Produkt besonders grell oder farbenfroh ist, sollten Verbraucher stutzig werden. «Azofarbstoffe etwa stehen im Verdacht, bei Kindern Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen auszulösen, wenn sie in größeren Mengen konsumiert werden», warnt Krehl. Lebensmittel mit Azofarbstoffen müssen daher einen Warnhinweis haben. Azofarbstoffe sind etwa: Tartrazin (E 102), Azorubin (E 122) oder Allurarot (E129).

- Konservierungsstoffe: «Bei Allergikern sind diese Stoffe in höheren Mengen kritisch», sagt Krehl. Als Beispiele nennt sie Benzoesäure (E 210) und Sorbinsäure (E 200).

- Verdickungs- und Feuchthaltemittel: Sie finden sich häufig in Backwaren oder Joghurt- und Puddingprodukten. Hierbei kann es sich zum Beispiel um Agar-Agar (E 406) oder Carrageen (E 407) handeln. Gerade letzteres findet sich Krehl zufolge auch häufig in Bioprodukten. «Diese Zusatzstoffe können die Aufnahme anderer Lebensmittelinhaltsstoffe verringern», warnt die Expertin.

- Säuerungsmittel: Hierbei handelt es sich oft um Stoffe wie Aluminiumnatriumsulfat (E 521) oder Natriumsulfat (E 514). «Wenn ich es irgendwie vermeiden kann, Aluminium aufzunehmen, dann sollte ich das machen», sagt Krehl. Aluminium steht im Verdacht, im Zusammenhang mit Alzheimer zu stehen.

- Geschmacksverstärker: Diese Stoffe können Allergien hervorrufen. Natriumglutamat (E 621) ist ein Beispiel. «Es ist aber mittlerweile allgemein bekannt, dass man bei zu viel Glutamat vorsichtig sein sollte», sagt Krehl.

- Süßstoffe: Von Aspartam (E 951) oder Cyclamat (E 952) sei wirklich abzuraten, sagt Krehl. Sie werden demnach in einigen Studien für ein erhöhtes Tumorrisiko verantwortlich gemacht.

Einen Überblick über Zusatzstoffe finden Verbraucher auch auf www.zusatzstoffe-online.de, einem Portal, das von der Verbraucher Initiative betrieben wird.