Flüssiges für Fleischverächter Veganer Wein ist im Kommen

Von Jonas-Erik Schmidt

Tobias Franz und Marion Lohsse haben sich mächtige Gegner ausgesucht. Unter anderem die Wurst. "Natürlich hatten wir zuerst Bedenken und dachten, dass es vielleicht etwas zu früh ist", sagt Marion Lohsse. "Es gibt hier Leute, die meiden fleischloses Essen wie der Teufel das Weihwasser." Lohsse und Franz, ein Paar Mitte 40, haben in Mainz kürzlich ein veganes Weinlokal eröffnet.

Das bedeutet, dass sie ihren Gästen ausschließlich Speisen reichen, in denen keinerlei tierische Produkte verarbeitet sind - zum Beispiel keine Eier. Damit liegen sie in einem Trend, der vor allem in den großen Städten um sich greift. In einer Stadt wie Mainz, die die Fleischwurst wie ein Gottesgeschenk verehrt, ist es noch ein kleiner Kulturbruch. Auch wenn man hier ab und zu munkelt, dass wohl auch nur der liebe Gott wirklich weiß, was in einer Fleischwurst steckt.

Es bedeutet aber auch, dass Lohsse und Franz vegane Weine anbieten. An dieser Stelle ist die Irritation noch etwas größer. Denn dem Gelegenheitstrinker dürfte kaum bewusst sein, dass Wein mit Tierischem in Berührung gekommen sein könnte. Tobias Franz lacht. "Ich selbst wusste es lange Zeit ja auch nicht", sagt er.

Dabei genügt mittlerweile ein genauer Blick auf die Weinetiketten in einem einigermaßen gut sortierten Supermarkt. Viele Winzer schreiben den Hinweis mittlerweile auf ihre Flaschen. Experten wittern einen Trend. "Seit fünf Jahren hat das Thema deutlich Schwung aufgenommen. Es gibt bei uns immer mehr Anfragen, wie man sich entsprechend zertifizieren kann", sagt Ralph Dejas, Geschäftsführer des ökologischen Weinbauverbandes Ecovin.

Der Unterschied zwischen veganem und nicht-veganem Wein liegt in der Herstellung. Um Wein zu klären, nahmen und nehmen Winzer tierische Produkte zur Hilfe. "Über Jahrhunderte wurde Eiweiß in den Wein geschlagen. Das bindet die Trübstoffe, die sich dann absetzen, und der klare Wein abgezogen werden kann", sagt Paulin Köpfer, Betriebsleiter beim Weingut Wilhelm Zähringer in Baden, das seit 2012 komplett vegan produziert. Es ist nur eines von vielen in Deutschland.

Sind es nicht die Eier, kann bei der Klärung auch ein Protein aus der Fischblase oder Gelatine helfen. Selbst wenn sich davon nichts mehr in der Flasche wiederfindet: Für Veganer ist es ein Graus. Aber auch die wollen Wein trinken. Deswegen satteln die Winzer um. "Wir haben umfangreiche Versuche gemacht, um auf pflanzliche Proteine umzustellen. Diese stammen vorzugsweise von Erbsen oder Weizen", sagt Köpfer. Der Chef des Weinguts, Fabian Zähringer, sagt, die Zahl der Nachfragen nach veganem Wein nehme stetig zu.

Ähnliches berichtet Hubertus Weinmann, Chef des Weinguts Neumer in Rheinhessen, das ebenfalls komplett auf vegan umgestellt hat. Mit dem praktischen Nebeneffekt, dass es auch nicht mehr so müffelt. "Es gab zwei Beweggründe. Zum einen natürlich den Tierschutz. Zum anderen verströmt Gelatine bei der Produktion einen etwas muffigen Eigengeruch, den man eher nicht so gut findet", sagt Weinmann.

Was manchem Winzer noch Bauchschmerzen bereitet, ist das etwas asketische Image, das die Veganer nicht ganz losgeworden sind. Das Weingut Zähringer setzt auf eher diskrete Hinweise auf den Flaschen. "Der Gedanke war, dass der Wein als Genussmittel nicht in erster Linie mit Verzicht assoziiert werden soll", sagt Fabian Zähringer.

Von Verzicht kann im Mainzer Weinlokal Gutenberger nicht die Rede sein. Die Weinkarte ist prall gefüllt. Gut, mancher Mainzer rümpfe bei der Aussicht auf veganen Eiersalat - kreiert aus Kichererbsen, Hartweizengrieß, Gurken und Senf - noch die Nase, sagt Marion Lohsse. Der Besitzer des Hauses hat indes Gefallen am veganen Publikum gefunden. "Der wollte nicht, dass sich hier Leute mit Alkohol abschießen", sagt Weinlokalwirt Tobias Franz. "Leute, die zu uns kommen, ernähren sich in der Regel recht bewusst. Die stürzen nicht ab." Wohl bekomm's. dpa

Was einen Veganer von einem Vegetarier und anderen unterscheidet

Veganer, Vegetarier, Flexitarier - bei der Vielzahl an möglichen Ernährungsweisen kann man schnell durcheinander kommen. Ein kurzer Überblick:

VEGANER leben ohne tierische Produkte. Das gilt nicht nur für die Ernährung. Sie verzichten beispielsweise auch auf Leder und Wolle.

VEGETARIER lehnen Fleischverzehr aus ethischen Gründen ab. Sie sind gegen das Töten und die nicht artgerechte Haltung von Tieren. Andere essen aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen kein Fleisch.

FLEXITARIER sind Gelegenheitsvegetarier, die Wert auf gesundes Essen legen, Fleisch oder Fisch aber nicht kontinuierlich meiden.

OVO-LAKTO-VEGETARIER essen weder Fisch noch Fleisch, lehnen aber Produkte von lebenden Tieren wie Milch und Honig nicht ab.

LAKTO-VEGETARIER verzichten auf Fleisch, Fisch und auch Eier.

OVO-VEGETARIER meiden Fleisch, Fisch sowie Milch- und Milchprodukte.

PESCETARIER essen kein Fleisch, aber Fisch.

ROHKÖSTLER verzehren möglichst naturbelassene Lebensmittel, die kaum erhitzt werden.

FRUTARIER wollen, dass Pflanzen nicht oder möglichst wenig geschädigt werden. Sie essen vor allem Fallobst und Nüsse.