Frankfurt und sein Äbbelwoi

Von Daniel Patrick Görisch

Apfelwein heißt hier «Äbbelwoi» oder «Stöffsche», und Bürotürme ragen in den hessischen Himmel. Wer nach Frankfurt am Main kommt, den locken meist Messen und Business. Doch schon im Radius von einer Autostunde um die Metropole finden Geschäftsreisende schnell Entspannung in ländlichen Gasthöfen inmitten herrlicher Natur. Einige der nahen Refugien eignen sich auch für den Kurzurlaub mit der ganzen Familie: Auf manchen Höfen kann man hessisches Brauchtum oder die Apfelweinkelterei live erleben.

Im «Rhönschaf-Hotel» bei Familie Krenzer in Ehrenberg-Seiferts zum Beispiel. In fünfter Generation dreht sich bei den Krenzers auch vor und nach der Apfelernte im Spätsommer vieles um die Kelterei: 80 Bäume stehen auf der Streuobstwiese am Restaurant. Gäste können in historischen Schäferwagen einchecken, die zwischen Bäumen wie der Goldparmäne, dem Schönen von Boskoop oder der Kanadischen Renette stehen. Der Ruf von Jürgen Krenzers «Äbbelwoi»-Kreationen hallt aus der Rhön bis hinunter in die Lokale an Main und in den Odenwald.

Neben unzähligen Apfelweinsorten produzieren Jürgen und Sylvia Krenzer auch Likörwein - «Apfel-Sherry» nennen ihn die Gäste. Inoffiziell, denn der Markenname ist Trauben-Likören der spanischen Region Jerez vorbehalten. Das Geheimnis ihrer Rezeptur? «Anders als viele Großkeltereien, keltern wir sortenrein», erklärt Sylvia Krenzer. Fast 150 Apfelsorten werden verarbeitet, sie müssen aus der Region stammen sowie ungespritzt und punktgenau reif geerntet werden. Je nach Jahresertrag fließen im Rhönschaf-Hotel 8000 bis 20 000 Liter aus der Kelter. Gäste können nach Voranmeldung mitkeltern, Führungen durch die Anlage gibt es ganzjährig.

Mit lautem «Puttputtputt» tuckern restaurierte Traktoren durch die Vogelsbergregion nahe Fulda. Ein Tritt auf das Gaspedal und der Schalensitz bebt. Wer die Hessenmühle im Ortsteil Kleinlüder der Gemeinde Großenlüder besucht, kann selbst zur Oldtimer-Tour auf Porsche oder Hanomag starten.

Die Familie um den kreativen Tüftler Erich Koch hat das Mühltal in eine Erlebniswelt verwandelt: Luxuriöse Holzhäuschen reihen sich um den See hinter dem Mühlengebäude - seit 1630 in Familienhand. Von der Veranda kann man ins Wasser hüpfen, genauso aus der urigen Sauna- und Wellnesslandschaft. Nebenan im Fischteich wird geangelt, im Hotel stehen Konferenzräume bereit.

«Kupplung kommen lassen, geht alles wie beim Auto», ruft Erich Koch gegen die lauten Motoren an: Eine halbe Traktorstunde geht es vorbei an Weideland und Fachwerkhäusern zur Stegmühle in Hosenfeld: Bei Hugo Schnabel dreht sich das Mühlrad an der rauschenden Lüder wie vor 500 Jahren - Besucher willkommen. Auch Koch ordert nebenan im Mühlenladen Mehl für sein Restaurant.

Noch tiefer in die Geschichte der Region entführt Posträuber Krack, auferstanden in Gestalt von Oliver Trunk. Hinter dem Hotel Sieberzmühle in Hosenfeld spukt er im Dunklen durch die Wälder. Wie Mitte des 19. Jahrhunderts, als seine Bande in der Region ihr Unwesen trieb, ist er mit Zylinder, altertümlicher Perkussionspistole und Petroleumlaterne ausgestaltet. Heute ist er jedoch in Begleitung von Touristen unterwegs: «Wisst ihr - wo mein Name herkommt?», fragt er schelmisch: «Richtig, von dem Krack-Geräusch, wenn ich meinen Opfern das Genick breche.»

Die Nachtwanderung bleibt dank Leidenschaft, schauspielerischer Raffinesse und zahlreicher historischer Details in Erinnerung: in welchen Bäumen welche Opfer am Strick hingen, weshalb sich die umliegenden Moorwiesen selbst entzünden können sowie weiterer Sagen und Legenden.

Die Zeit scheint auch im Freilichtmuseum Hessenpark stehen geblieben zu sein: Bei Neu-Anspach, 45 Kilometer nordwestlich von Frankfurt, wurden über 100 historisch Gebäude aus ganz Hessen wiedererrichtet. Hinter Fachwerkkulisse und gemütlichen Sprossenfenstern überrascht am großen Marktplatz das Landhotel «Zum Hessenpark» mit Vier-Sterne-Luxus. Das Dorf selbst bietet 400 Jahre Lokalgeschichte. Landwirtschaft und historisches Handwerk wird originalgetreu vermittelt.

Etwa von Jörg Reif, der bis spät in den Abend Rauchabzugslöcher in seinen glimmenden Kohlenmeiler stochert. Noch vor 200 Jahren rauchten vielerorts Meiler in der hessischen Waldregion, erzählt Reif - die Holzkohle wurde zur Eisenerzgewinnung genutzt. Ziegen grasen auf dem Dorfplatz, den der alte Bahnhof und eine Schule säumen. Störche nisten auf den Dächern. Letzter Einlass in den Hessenpark ist um 17.00 Uhr.

Doch: «Man kann bleiben, solange man will und wird auch mit Picknick-Korb herein gelassen», verrät Parksprecherin Pia Preuß. Ein herrlicher Fleck für einen Sonnenuntergang mit Landgeruch, ganz nah an der Metropole. dpa

Landerlebnisse um Frankfurt am Main

Tourismusbüro des Landes Hessen, Tel: 0611/950 17 81 91, hessen-tourismus.de

Rhönschaf-Hotel, Eisenacher Str. 24, 36115 Ehrenberg-Seiferts, Tel: 06683/963 40, rhoenerlebnis.de

Landgasthof Hessenmühle, 36137 Großenlüder-Kleinlüder (Tel.: 06650/988 00, landgasthof-hessenmuehle.de

Räuber Krack - Alias Oliver Trunk, An der Brücke 3a, 36154 Hosenfeld (Tel.: 06648/30 59 61, o-trunk@web.de). Buchbar auch im Gasthof Sieberzmühle, Sieberzmühle 1-3, 36154 Hosenfeld (Tel.: 06650/960 60, info@Sieberzmuehle.de

Freilichtmuseum Hessenpark, Laubweg 5, 61267 Neu-Anspach (Tel.: 06081/588100, service@hessenpark.de