Gastronomie & Hotellerie Gastgewerbe will längere Arbeitszeit

Von Bernd Röder

Stell dir vor, du feierst deine Hochzeit, und die Gäste bekommen nichts mehr zu trinken. Dabei ist es gerade mal 23 Uhr. Der Restaurantbesitzer hält sich leider bei seinen Kellnern an die vorgeschriebene Höchstarbeitszeit von zehn Stunden. Ein Schichtwechsel für den Restabend nicht vorgesehen. «Der Gastronom steht vor der Wahl: Die Hochzeitsfeier beenden oder ein Bußgeld bis zu 15 000 Euro zahlen», sagt Ernst Fischer.

Der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) will beim Ausblick auf die kommende Saison mit diesem Schreckensszenario Verständnis wecken für das «Hauptproblem» des Gastgewerbes.

Der seit 1. Januar geltende Mindestlohn von 8,50 Euro hat die Personalkosten der Unternehmen erhöht. Dennoch steht das nicht im Zentrum der Verbandskritik. Schlimmer seien die Nebenwirkungen, die das Mindestlohngesetz von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) habe: Eine Dokumentation der Arbeitszeiten, die völlig übertrieben sei und gerade kleine Betriebe lähme.

Bis zu einem Monatsverdienst von 2958 Euro sei es Pflicht, die gearbeiteten Stunden aufzuschreiben. «Wer diese Summe verdienen will, muss 348 Stunden zum Mindestlohn arbeiten», rechnet Fischer vor. «Das hat mit der Realität nichts zu tun.» So werde die ganze Branche unter den Generalverdacht gestellt zu betrügen. Auf den Wunsch, die Verdienstgrenze zu senken und so die Arbeitgeber von Bürokratie zu entlasten, habe Nahles bislang nicht reagiert.

In direktem Zusammenhang mit dem Mindestlohngesetz steht die Dehoga-Forderung, künftig nicht maximal zehn Stunden, sondern bis zu dreimal in der Woche eine Tagesarbeitszeit von zwölf Stunden zuzulassen. Dagegen protestiert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) heftig: «Auch diese Beschäftigten, die anderen gute Lebensqualität bieten, haben ein Recht auf Lebenszeit», sagt NGG-Vize Burkhard Siebert.

Mit seiner Forderung setzte der Dehoga «die Gesundheit der im Gastgewerbe beschäftigten Menschen aufs Spiel». Denn die Arbeit in der Branche sei strukturell schon ungünstig: «Früh-, Spät- und Nachtschichten, Wechseldienste sowie Wochenend- und Feiertagsarbeit sind aus arbeitsmedizinischer Sicht sehr belastend.» Aus Sicht des Dehoga sind zehn Stunden hingegen oft zu wenig, gerade bei Abendveranstaltungen.

Erst seit Januar gibt es die umfassende Dokumentationspflicht, die von den Zollbehörden überprüft wird. Also wurde vorher gegen geltendes Recht verstoßen, aber es hat keinen interessiert? «Das ist so», erwidern Fischer und Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges ohne Zögern auf diese Frage. Jetzt aber sei es Zeit zu handeln, weil sonst die Unternehmen und ihre Beschäftigten Schaden nähmen. Dann wäre es auch vorbei mit dem Jobmotor, der in zehn Jahren 220 000 neue Arbeitsplätze mit Sozialversicherungspflicht hervorgebracht hat.

Denn eigentlich geht es der Branche ziemlich gut. «Nie war Deutschland als Reiseland beliebter», sagt Fischer. Fünf Jahre in Folge seien Übernachtungszahlen und Umsätze gestiegen. So auch wieder in den ersten vier Monate des Jahres: Da waren es knapp 110 Millionen Übernachtungen, drei Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag berichtete.

So sagt der Dehoga für dieses Jahr auch ein Umsatzplus von 2,5 Prozent voraus. In der jüngsten Umfrage bewerten 80 Prozent der Hoteliers die Geschäftslage gut oder befriedigend. Unter den Gastronomen fällt die Beurteilung kaum schlechter aus. «Zwei Drittel unsere Betriebe sind Umsatzgewinner. Doch fast die Hälfte von ihnen verzeichnet sinkende Gewinne. Wie gewonnen, so zerronnen.» Schuld daran sein die Kosten, die vor allem den Gastronomen davonliefen, wegen des Mindestlohns und dem damit verbundenen Bürokratie-Aufwand.

Der werde insgesamt immer schlimmer. «Inzwischen gibt es über 20 Dokumentationspflichten» für die Betriebe, schimpft Hartges. Vom Meldeschein für jeden Hotelgast bis zur Belehrung der Mitarbeiter nach dem Infektionsschutzgesetz - alles müsse aufgeschrieben werden. So gehe viel Zeit drauf, in der man sich besser um die Gäste kümmern könnte. dpa