Gastronomie Koch-Azubis brechen Lehre ab

Von Simone Rothe

Andreas Becker schlägt Alarm: In so manchem Gasthof oder Restaurant könnte in den nächsten Jahren die Küche kalt bleiben oder die Zahl der Ruhetage steigen. Der Grund: Es gibt im deutschen Gastgewerbe - einer Branche mit rund 77 Milliarden Euro Jahresumsatz - immer weniger Kochprofis am Herd. «Wir haben ein riesiges Nachwuchsproblem. Überall fehlen Köche», sagt der Präsident des Verbands der Köche Deutschlands.

Becker, selbst Küchenchef in Trier, verweist auf seit Jahren sinkende Ausbildungszahlen. «Und die Abbrecherquote ist sehr hoch.» Und das, obwohl TV-Kochshows und Kochblogs im Internet das Image der Köche aufpoliert haben?

Nach Zahlen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) waren 2006 noch fast 43 000 junge Leute in der dreijährigen Koch-Ausbildung. Inzwischen sind es nur noch knapp halb so viele. Obwohl das Ausbildungsjahr längst begonnen hat, sind laut Bundesarbeitsagentur für Arbeit noch mehr als 2200 Lehrstellen für Köche unbesetzt.

Manchmal führt Personalmangel zu drastischen Entscheidungen: In Weimar schloss Spitzenkoch Claus Alboth in diesem Jahr sein Gourmetrestaurant. «Es geht nicht mehr. Den Aufwand, den wir für ein Gourmetrestaurant betreiben müssen, können wir nicht auf noch weniger Schultern verteilen», begründete er den Schritt. Er betreibt nun nur noch ein Hotelrestaurant.

Matthias Jackait, er gehört als Youngster zur deutschen Koch-Nationalmannschaft, kennt Ursachen für das Personalproblem aus eigener Erfahrung. «Von 32 Köchen in meiner Berufsschulklasse haben 23 die Lehre abgeschlossen. Davon kochen weniger als zehn heute noch», erzählt der 24-Jährige, für den Koch der Traumjob ist. «Da gehört mehr dazu als etwas auf die Speisekarte zu schreiben.»

Ein Schülerpraktikum hat bei dem gebürtigen Franken die Kochlust geweckt. Nun sorgt er in einem Gourmetrestaurant im bayerischen Johannesberg für exquisite Menüs und hat sich in der Küchenhierarchie bereits hochgearbeitet. Der Koch-Beruf erfordere Leidenschaft und Fleiß. «Körperlich anstrengend ist es auch. Und ein Koch arbeitet, wenn seine Freunde frei haben.»

Skeptisch sehen viele Kochprofis die allgegenwärtigen TV-Kochshows, bei denen in lockerer Runde und kurzer Zeit etwas Leckeres gebrutzelt und gekocht wird. «Junge Leute sagen, ja, geil, das will ich auch», erzählt Roland Kestel, Berufsschullehrer für Köche in Nürnberg und Mitglied im Verbandsvorstand. «Die Realität ist aber keine Kochshow.» Einkauf, Kalkulation, Vorbereitung, Gemüseschnippeln, Küchenhygiene - das werde im Fernsehen seltener gezeigt. Auch Jackait findet, «die TV-Köche vermitteln ein falsches Bild».

Das Gastgewerbe ist mit mehr als 2,1 Millionen Beschäftigten einer der großen Arbeitgeber in Deutschland. «Wir müssen sehr um Nachwuchs kämpfen», sagt Dehoga-Sprecher Christopher Lück. Gründe dafür seien vor allem die sinkende Zahl der Schulabgänger und der Trend weg von der dualen Ausbildung hin zum Studium. Koch gehöre zwar noch immer zu den 20 größten Ausbildungsberufen. «Es ist für Betriebe aber schwerer geworden, motivierte junge Menschen zu finden.»

Zudem geben viele entnervt auf. Berufsausbilder Kestel spricht von bis zur Hälfte der Azubis in manchen Jahrgängen, die drei Monate nach Ausbildungsbeginn das Interesse an Topf und Pfanne verlieren. Nach Angaben von Industrie- und Handelskammern brechen im Schnitt bis zu einem Drittel der Kochlehrlinge die Ausbildung ab.

Viele Betriebe reagierten auf den Nachwuchsmangel mit neuen Arbeitszeitmodellen und besseren Anreizen für die anspruchsvolle Arbeit, sagt Köche-Verbandspräsident Becker. «Dazu gehört auch eine vernünftige Bezahlung». Thüringen macht aus der Not eine Tugend: «60 Prozent der Azubis an der Dehoga-Berufsschule stammen aus zwölf Ländern, darunter allein 100 Vietnamesen», berichtet Geschäftsführer Dirk Ellinger. dpa

Jobs auf Kreuzfahrtschiffen oder in Kneipen - So wird man Koch

Koch ist ein anerkannter Ausbildungsberuf. Bis zum Kochprofi, der souverän mit Lebensmitteln, den verschiedenen Küchengeräten und Garmethoden umgehen kann, dauert es in der Regel drei Jahre. Um eine Kochausbildung zu starten, sind der Hauptschul- oder ein mittlerer Bildungsabschluss erforderlich. Junge Leute sollten nach Angaben des Köche-Verbandes handwerkliches Geschick, Kreativität und eine gute Konstitution mitbringen.

Köche finden Beschäftigung nicht nur in Restaurants, Gaststätten und Hotels, sondern auch auf Kreuzfahrtschiffen, in Kantinen größerer Unternehmen, in Küchen von Krankenhäusern oder Pflegeheimen sowie bei Catering-Firmen. Ausgebildete Köche können sich zum Küchenmeister oder Fachwirt weiterbilden - oder selbst ein Restaurant eröffnen. Der Besuch privater Kochschulen im Ausland ist möglich.

Nach Angaben des Hotel- und Gaststättenverbandes werden bundesweit Koch-Azubis gesucht. Derzeit sind etwa 2200 Ausbildungsstellen unbesetzt.