HafenCity in Hamburg

Von Andreas Heimann

Spaziergänge an der Elbe gehören für viele Hamburg-Touristen zu den Klassikern. Ein noch vergleichsweise neues Terrain ist die HafenCity - mit immer mehr Möglichkeiten zum Bummeln am Fluss entlang. Im Herbst, wenn die neu gepflanzten Bäume ihr Laub färben und die tiefstehende Sonne die Wasseroberfläche glitzern lässt, hat das noch einmal einen ganz anderen Reiz als im Sommer.

Zu sehen gibt es einiges, auch wenn die HafenCity noch eine Baustelle ist: Das Internationale Maritime Museum beispielsweise ist bereits ein beliebter Anlaufpunkt. Manche kommen auch nur, um zu gucken, wie weit die Bauarbeiten am umstrittensten Gebäude der HafenCity sind: der Elbphilharmonie. Wer etwas Zeit mitbringt, kann sich kostenlosen Führungen anschließen.

Zu den touristischen Highlights gehörte die Umgebung der HafenCity schon lange: Das Deutsche Zollmuseum findet sich hier, das Gewürzmuseum, das Miniatur Wunderland - die «größte Modelleisenbahn der Welt» -, der Hamburg Dungeon und natürlich die Speicherstadt mit ihren vielen ansehnlichen Speicherhäusern aus Backstein, erbaut zu Kaisers Zeiten und seitdem der größte zusammenhängende Lagerhauskomplex der Welt.

Mal ganz abgesehen davon, dass es von dort nur ein Katzensprung bis zu den Landungsbrücken in St. Pauli ist. Dort starten die traditionellen Hafenrundfahrten genauso wie die Fleettouren, bei denen man die Speicherstadt auf dem Wasser erkundet.

Nun ist mit der HafenCity ein weiterer Anziehungspunkt hinzugekommen, von dem die Touristiker der Stadt glauben, dass er den Höhenflug der Besucherzahlen noch ankurbeln wird. Schon in den vergangenen Jahren ist Hamburg als Reiseziel immer beliebter geworden. Rund 10 Millionen Gästeübernachtungen werden für dieses Jahr erwartet - 2020 werden es konservativen Schätzungen zufolge 13,5 Millionen sein. Aber auch 18 Millionen seien möglich, glaubt Dietrich von Albedyll, der Chef von Hamburg Tourismus.

Das neue Stadtviertel hat daran seinen Anteil: «Wir rechnen damit, dass 2025 täglich rund 80 000 Touristen in die HafenCity kommen», sagt Susanne Bühler von der HafenCity GmbH. Einige sollen in dem neuen Quartier auch gleich übernachten. Denn weil es Hamburg insgesamt an Hotelzimmern fehlt, sind in der HafenCity mehrere Neubauten geplant. Das Design-Hotel «25hours» hat bereits in diesem Juli eröffnet.

Susanne Bühler steht vor dem Internationalen Maritimen Museum, das in den alten Kaispeicher B eingezogen ist, ein Speicherhaus aus dem Jahr 1878. «Es widmet sich 3000 Jahren Schifffahrtsgeschichte und ist schon jetzt eine Touristenattraktion», sagt Bühler. Das Museumsgebäude liegt direkt am Magdeburger Hafen, in den früher die Schiffe von der Elbe kommend einliefen und ihre Ladung löschten. Bis ins Überseequartier ist es nicht weit - Besucher können vom Museum aus zu Fuß dorthin schlendern, ohne privaten Grund zu betreten: 37 Prozent der Flächen in der HafenCity sind öffentlich zugänglich.

Das Überseequartier ist ein Stück fast fertige HafenCity. Es gibt schon grüne Rasenflächen mit Parkbänken, einige Restaurants, eine Grundschule in einem fünfstöckigen Gebäude mit Pausenhof auf dem Dach samt Sonnensegel für heiße Sommertage. Der Schulgong klingelt gerade - die ersten Schüler sind vor zwei Jahren in ihre Klassenräume eingezogen. Die Architektur ist zeitgenössisch, nimmt aber Anleihen an den Backsteinbauten der Kaiserzeit. Die Atmosphäre ist offenbar entspannend: Auf einer Steinfläche zwischen zwei Rasenstücken hat sich ein erschöpfter Besucher zum Ausruhen hingelegt.

Die Gebäude des Quartiers haben klangvolle Namen wie Sumatra-Kontor. Und Bürohäuser stehen gleich neben solchen mit Wohnungen. Das ist typisch für das neue Stadtviertel, das die Hamburger unermüdlich als das größte Städtebauprojekt Europas feiern, und war von Anfang an so geplant: Das Ungewöhnliche an der HafenCity sei die «Nutzungsmischung», sagt Susanne Bühler. Wohnen und Arbeiten ist hier Tür an Tür möglich. «Es sind schon 300 Unternehmen hier, vom 'Spiegel' bis zum Germanischen Lloyd.»

Ein Ziel des Projekts sei, das Wohnen in die Innenstadt zurückzuholen. «Geplant sind 5800 Wohnungen für 12 000 Bewohner - heute leben in der Innenstadt 14 000 Menschen.» Die HafenCity sei ein klassisches Waterfront-Projekt, erklärt Bühler, «aber mitten in der Stadt, nur 900 Meter vom Rathaus entfernt. Das ist schon etwas Besonderes.»

Den Beschluss, mit der HafenCity ein neues Viertel unweit der Elbe entstehen zu lassen, fasste die Hamburger Bürgerschaft schon 1997, Baubeginn war vor gut zehn Jahren. Und gerade erst wurden die Pläne für die Bebauung im Osten vorgestellt, wo bis voraussichtlich 2018 rund 1800 neue Wohnungen entstehen. Eine neue Brücke, über die Bewohner und Besucher aus der Innenstadt in die HafenCity kommen können, soll es schon fünf Jahre früher geben. Die neue U-Bahn U4 fährt ab Herbst 2012 in das neue Stadtviertel.

Noch einiges mehr, was Touristen interessieren könnte, ist Zukunftsmusik: Am Grasbrookhafen ist eine Marina geplant, vor dem Marco-Polo-Tower eine «Sansibar», die erste außerhalb von Sylt. Und dann die Elbphilharmonie: Der Bau hat sich immer wieder verzögert, die Kosten explodieren. Noch immer ragen an der Baustelle Kräne in den Himmel. Eigentlich war die Eröffnung für 2010 vorgesehen. Wann das Konzerthaus fertig wird, ist ungewiss, sicher nicht vor 2014.

Der Konzertsaal in 50 Metern Höhe soll 2150 Plätze bieten. In den 26 Stockwerken soll es aber auch Wohnungen, Hotelzimmer und Restaurants geben. Und die Plaza im 8. Stock soll so groß werden wie der Hamburger Rathausmarkt - in 37 Metern Höhe lässt sie sich komplett umrunden.

Wer zwischendurch eine Pause einlegen will, hat dazu in mehreren Cafés und Restaurants Gelegenheit. Man muss aber nicht warten, bis sie eröffnet sind: Sonntags gibt es öffentliche Baustellenführungen, bei denen die Besucher mit Helm und Gummistiefeln durch Hamburgs künftiges Wahrzeichen schlendern. Der Blick über die HafenCity ist schon jetzt ganz eindrucksvoll.

Informationen: HafenCity InfoCenter im Kesselhaus, Am Sandtorkai 30, 20457 Hamburg, Tel: 040/36 90 17 99.

In der HafenCity ist schon ziemlich viel Leben

Die HafenCity ist nicht nur ein ehrgeiziges Städtebauprojekt. Auch die Tourismusbranche der Hansestadt verspricht sich davon einiges. Sascha Albertsen, Sprecher von Hamburg Tourismus, ist dort regelmäßig unterwegs - beruflich und privat. Sein Lieblingsort in der HafenCity ist der 20. Stock der Elbphilharmonie.

Herr Albertsen, wann waren Sie das letzte Mal in der HafenCity?

Albertsen: «Das ist erst ein paar Tage her, ich bin eigentlich jede Woche mindestens einmal da und gehe dort auch privat ganz gerne hin.»

Gibt es für Sie einen Lieblingsort?

Albertsen: «Das ist der 20. Stock der Elbphilharmonie. Von da hat man einen tollen Blick auf die Bauarbeiten am großen Konzertsaal, gleichzeitig über die ganze HafenCity und sogar bis zu den Elbbrücken.»

Wie kommt die HafenCity aus Ihrer Sicht bislang bei Touristen an?

Albertsen: «Wir haben gehofft, dass die HafenCity angenommen wird, sind aber doch überrascht, dass der Zuspruch schon jetzt so groß ist. Selbst bei schlechtem Wetter ist dort schon ziemlich viel Leben.»

Warum wollen die Leute eine Riesenbaustelle angucken?

Albertsen: «Da gibt es einfach viele Erlebnispunkte. Die HafenCity ist ganz nah an der Speicherstadt. Hinzu kommt die Wasserlage. Man sieht die Schiffe auf der Elbe vorbeiziehen oder ein Kreuzfahrtschiff anlegen. Und es gibt schon 40 Restaurants, Kneipen und Cafés, zum Beispiel an den Magellan-Terrassen oder am Traditionsschiffhafen am Sandtorkai.»

Gibt es Touristen, die extra wegen der HafenCity kommen?

Albertsen: «Doch, die gibt es. Das sind zum einen diejenigen, die häufiger in Hamburg sind und immer was Neues sehen wollen. Und dann gibt es auch Besucher, die sich für Städtebauprojekte und Architektur interessieren und genau deswegen kommen.»

Gibt es denn bald genügend Hotels in der HafenCity?

Albertsen: «Mit dem '25 hours' hat das erste vor kurzem eröffnet. Das Kreuzfahrt-Terminal in der HafenCity wird eins bekommen, die Elbphilharmonie auch. Weitere Hotelprojekte sind bereits beschlossen. Damit kommen wir zusammen auf rund 1500 Betten. Aber diese Zahl könnte sich später sicher noch verdoppeln.»

Sind manche Bewohner nicht irgendwann genervt von den vielen Touris?

Albertsen: «Ich denke, die Gefahr muss man ernst nehmen. Die HafenCity wird für Touristen immer attraktiver, und damit wird auch die Zahl der Besucher steigen. Aber das Areal ist so groß, dass sie viele Möglichkeiten haben, sich zu verteilen. Bislang werden die Touristen von den Bewohnern sehr positiv wahrgenommen.»

Sind schon touristische Projekte gestorben?

Albertsen: «Das Science-Center, ein naturwissenschaftliches Erlebnismuseum, ist nicht gestorben, verzögert sich aber auf jeden Fall. Das hatte mit der Finanzkrise zu tun. Die Investoren haben sich zurückgezogen. Nun ist offen, ob und wann es kommt. Der geplante Kreuzfahrt-Terminal kommt aber sicher.» dpa