Hauptstadt-Weinjahr 2016 Gutes Jahr für Berliner Weine

"In Deutschland war 2016 eher ein schwieriges Jahr, hier lief es bisher eigentlich ganz gut", sagt Hauptstadtwinzer Daniel Mayer. Die Trauben des Spätburgunders würden sich langsam verfärben, auch der Riesling habe sich in der Saison bisher gut entwickelt. Mehr als das Wetter machen dem Winzer Vögel Sorgen - sie bedienen sich gerade im Spätsommer gerne an den fast reifen Früchten. Bevor gegen Ende September die Lese beginnt, werden daher jetzt erst mal Netze über den Berliner Wein gespannt.

Seit 1968 wächst am Kreuzberg im Viktoriapark wieder Wein. Schon im zwölften Jahrhundert pflanzten die Templer dort die ersten Reben, zunächst für den Eigenbedarf. Bis zum Ende des Mittelalters hatte sich der Berliner Wein einen Namen gemacht, wurde bis nach Schweden und Russland verschifft.

Der heutige Kreuzberg war komplett mit Wein bepflanzt, das kleine Anbaugebiet erstreckte sich Ende des 17. Jahrhunderts bis zur Hasenheide. Im Laufe des 19. Jahrhunderts mussten die Reben allerdings Getreideähren Platz machen und verschwanden aus Berlin.

Verantwortlich für die Rückkehr des Weins an die Spree sind die Partnerstädte Kreuzbergs. Wiesbaden schenkte dem Bezirk 1968 zunächst 100 Rebstöcke Riesling. Dem schloss sich Kreuzbergs rheinland-pfälzische Partnerstadt Ingelheim zwei Jahre später an und übergab dem Bezirk einige Reben Spätburgunder. 1970 wurden die ersten Trauben geerntet. Heute stehen am Fuße des Kreuzbergs 350 Reben unter liebevoller Aufsicht und Pflege des Winzers Daniel Mayer.

Jede der Reben ergibt erfahrungsgemäß eine Flasche Wein. Damit möglichst viele in den außergewöhnlichen Genuss einer Kostprobe kommen, wird der Wein in Piccoloflaschen abgefüllt. Bei der Produktion geht Mayer ob der geringen Menge pragmatisch vor: Nach der Lese werden die Trauben in die Partnerstädte gebracht, die dem Bezirk die Reben geschenkt haben und von dort ansässigen Winzern gekeltert. So wird der Kreuzberger Riesling in Wiesbaden und der Spätburgunder in Ingelheim fertig produziert und abgefüllt.

Eigentlich wird Spätburgunder früher gelesen als Riesling. "Für ein paar Flaschen fahren wir aber nicht zwei mal im Jahr da runter", sagt Mayer. Daher reift der Kreuzberger Spätburgunder verhältnismäßig lange an den Rebstöcken. Auf dem Rückweg nehmen die Berliner dann den Jahrgang des vorigen Jahres mit. Da Berlin kein offizielles Weinanbaugebiet ist, darf der Wein jedoch nicht gehandelt werden. Deshalb werden die Kreuzberger Tropfen an Ehrengäste des Bezirks verschenkt oder gegen eine geringe Spende abgegeben.

Der Kreuzberger Riesling, Kreuz-Neroberger genannt, sei ein "überraschend aufregender Trinkgenuss", sagt Mayer. "Ein echter Kreuzberger: wild, passt hervorragend zu Döner oder Köfte", sagt der Berliner, der sein Handwerk in der Schweiz und Australien lernte, mit einem Augenzwinkern über den trockenen Weißen. In früheren Jahren sei er wohl etwas "schwierig zu trinken" gewesen, räumt er ein. Dank der globalen Erwärmung und der fähigen Winzer, die die Trauben verarbeiten, schmecke der Wein aber immer besser. Auch der trockene Spätburgunder sei mittlerweile ein "sehr guter Wein".

Wer sich selbst davon überzeugen möchte muss noch etwas warten - einige Wochen nach Lieferung des jüngsten Jahrgangs, meist Anfang November, lädt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg traditionell zur Verkostung. dpa