Kalender der Maya und die Reise zum Weltuntergang

Von Michael Juhran

Da jubelt das Herz des Mathematikers, Astronomen und Architekten: Jeweils 91 Stufen führen an den vier Seiten der Tempelpyramide des Kukulcán nach oben. Sie summieren sich zusammen mit dem Sockel genau auf 365 - übereinstimmend mit den Tagen des Jahres. Bei der Tagundnachtgleiche im März und September kommt es zu einem besonderen Phänomen: Bei Sonnenuntergang bewegen sich die Schatten der Pyramidenplattformen schlangenartig die Stufen hinab und treffen auf die steinernen Schlangenköpfe am Fuße der Pyramide. Es ist eine wahre architektonische und mathematische Meisterleistung, die die Maya hier vollbracht haben.

Am Ballspielplatz in der wohl bekanntesten und am meisten besuchten Maya-Stätte Chichén Itzá offenbart sich aber auch noch eine andere Seite der Maya: Ein Relief zeigt einen geköpften Pelote-Spieler, aus dessen Hals Blut in Form von Schlangen spritzt. Stellt der Geopferte den Sieger oder den Verlierer des Spiels dar?

Weder Wissenschaftler noch Ortskundige können eine klare Antwort geben. Die Maya werfen bis heute Rätsel auf, einiges verraten ihre Bauwerke, doch es sind eben auch nur stumme Zeugen. Ihre Schriften wurden von den spanischen Conquistadores nahezu gänzlich verbrannt.

So ranken sich gerade in diesem Jahr wilde Gerüchte um die Maya. Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember, endet der bis vor kurzem einzige bekannte Maya-Kalender. Esoteriker und Verschwörungstheoretiker fürchten den Weltuntergang. Forscher halten davon wenig: Für die Maya ende an diesem Datum lediglich eine wichtige Epoche, danach beginne der Kreislauf von Neuem. Kürzlich entdeckten Wissenschaftler zudem in Xultún im Nordosten Guatemalas einen Maya-Kalender, der weit über das Jahr 2012 hinaus reicht.

Nahe Uxmal betreibt Antonio mit seinem Bruder ein gut gehendes Restaurant. Beide sind echte Maya und servieren ihren Gästen traditionelle Gerichte nach Originalrezepten. Gekocht wird im Erdofen, einem Erdloch, dessen Boden mit glühender Holzkohle und Steinen bestückt wird. Oben mit einer Blechplatte bedeckt, schmort darin vier Stunden lang Hühnchen- und Schweinefleisch, bis es das köstliche Aroma der einheimischen Gewürze annimmt. Auf den Kalender angesprochen winkt Toni - wie ihn seine Freunde nennen - lachend ab: «Das mit dem Weltuntergang ist purer Unsinn. Eine Zeitperiode endet und eine neue beginnt. Das Leben geht weiter.»

Uxmal strahlt eine besondere Magie auf die überschaubare Besucherschar aus. Das sogenannte Nonnenviereck beeindruckt vor allem durch seine Reliefs und Fassaden. Sitzt man auf der oberen Plattform des Gouverneurspalastes und lässt seinen Blick über die Anlage schweifen, so durchbricht nur die 35 Meter hohe Spitze der Pyramide des Wahrsagers den dichten grünen Teppich des Regenwaldes, der die vom Menschen veränderte Naturlandschaft zurückerobert hat.

Noch deutlicher tritt die Vergänglichkeit menschlichen Schaffens im etwa 400 Kilometer entfernten Palenque im Bundesstaat Chiapas zutage. Von der zu den größten Maya-Stätten zählenden Anlage konnten bislang gerade einmal fünf Prozent der Bauten freigelegt werden, der Rest liegt unter dem Grün des Regenwaldes. Im Tempel der Inschriften entdeckte man 617 Hieroglyphen, die Wissenschaftlern bei der Entschlüsselung der Maya-Schrift eine wichtige Hilfe boten.

Die versunkene Stadt Yaxchilan an der Grenze zu Guatemala ist nur nach einer dreistündiger Fahrt auf holprigen Straßen und einer einstündigen Bootstour zu erreichen. Wie in Palenque verließen die Maya Yaxchilan bereits im 9. Jahrhundert. Brüllaffen haben die einstige Metropole heute in Beschlag genommen und begrüßen die wenigen Eindringlinge, die die Mühen des Weges nicht scheuen, mit einem einschüchternden Geschrei. Archäologen und der wuchernde Regenwald liefern sich bei der Freilegung der Stätte einen offenen Kampf, überall wachsen Farne, Moose, Sträucher und riesige Bäume - ein Bild, das man so schnell nicht vergisst.

Öffnet der Himmel seine Schleusen in Calakmul, so offenbart der abstrakte Begriff Regenwald schnell seine wahre Bedeutung. Wenn die Sonne hinter den dichten Wolken verschwindet, stürzen sich Moskitos wie Vampire auf jeden Eindringling, der sich vorher nicht ausreichend präpariert hat. Calakmul war einst mit etwa 5000 Gebäuden und 60 000 Einwohnern die größte Maya-Stadt im heutigen Mexiko.

Im Küstenort Tulum schließt sich der Kreis. Wieder in der Nähe der Badeorte der Riviera Maya angelangt, dominieren Händler und Tagesreisende das Bild. Tulum gehört zu den letzten großen Anlagen der Maya. dpa

Maya auf Yucatán

Anreise: Condor fliegt im Sommer 2012 viermal wöchentlich nonstop von Frankfurt nach Cancun, im Winter 2012/13 fünfmal wöchentlich. Andere Fluggesellschaften bieten Flüge mit Zwischenstopps an. Mit einem noch mindestens 6 Monate gültigen Reisepasses erhält man bei Einreise ein Touristenvisum.

Fotografieren: Für die Nutzung eines Stativs wird in den Maya-Stätten eine Tagesgebühr von umgerechnet 200 Euro erhoben.

Klima: Das ganze Jahr über herrschen 25 bis 30 Grad Celsius, im Sommer auch 40 Grad. Regenzeit ist im Juni und Juli sowie im Oktober und November. Im Herbst können Stürme auftreten.

Währung: 1 Euro entspricht 16,5 mexikanischen Pesos, US-Dollar und Kreditkarten werden vielerorts akzeptiert.

Informationen: Mexikanisches Fremdenverkehrsamt, Taunusanlage 21, 60329 Frankfurt, Tel: 069/25 35 09, visitmexico.com