Keine Krebsgefahr durch Kaffee Neue Studie der WHO liegt vor

Von Walter Willems

Gute Nachricht für Kaffeetrinker: Eine Behörde der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht keine Belege für ein erhöhtes Krebsrisiko durch Kaffee. Stattdessen gebe es sogar Hinweise darauf, dass das Getränk die Gefahr für zwei Tumorarten senke, schreibt die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) in ihrem am Mittwoch vorgelegten Bericht. Darin mahnt sie außerdem, der Genuss sehr heißer Getränke erhöhe wahrscheinlich die Gefahr für Speiseröhrenkrebs. Dies gelte vermutlich ab Temperaturen über 65 Grad Celsius, sagte der IARC-Epidemiologe Dana Loomis. In Europa sei der Genuss so heißer Getränke aber nicht üblich. Zwei unabhängige Experten bezeichneten die neue Einstufung als plausibel.

Für den Bericht wertete eine Arbeitsgruppe die bestehende Fachliteratur aus. Allein für Kaffee sichteten die 23 Experten laut Loomis etwa 500 Ernährungsstudien mit Menschen und ähnlich viele Tier- und Laborversuche. Die IARC hatte Kaffee im Jahr 1991 als möglicherweise krebserregend eingestuft. Grundlage waren damals Studien, die eine Verbindung des Getränks mit Blasenkrebs belegten. Viele davon hätten aber nicht genügend berücksichtigt, dass Menschen, die viel Kaffee trinken, eher rauchten, räumt die Behörde nun ein. Tabakkonsum steigert das Risiko für Blasenkrebs deutlich.

Der neue Bericht verweist auf eine Fülle von Studien, die keine Verbindung sehen zwischen Kaffee und Tumoren von Brust, Prostata und Bauchspeicheldrüse. Für mehr als 20 andere gängige Tumore - etwa von Lunge oder Magen - könne man keine Aussage treffen, heißt es weiter. Allerdings gebe es Hinweise darauf, dass Kaffee das Risiko für Tumore von Leber und Gebärmutter senke. Zu den diversen Sorten des Kaffees und den Formen der Zubereitung äußert sich die Behörde nicht.

"Nach derzeitiger epidemiologischer Datenlage spricht ganz klar nichts gegen einen hohen Kaffeekonsum", sagte Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam (DIfE). "Wir gehen derzeit eher von positiven Effekten aus."

Die IARC betont allerdings, die Einstufung bedeute nicht, dass Kaffeekonsum sicher sei, sondern lediglich, dass die vorhandenen Daten keine Schlüsse erlaubten. Ähnlich bewertet das Gremium auch Mate-Tee, der aus dem in Südamerika verbreiteten Matestrauch gewonnen wird und seit 1991 als wahrscheinlich krebserregend galt.

Die Auswertung neuer Studien ergab jedoch, dass die Häufung von Speiseröhrenkrebs in Teilen Südamerikas wohl nicht auf Mate an sich zurückgeht, sondern darauf, dass das Getränk meist extrem heiß konsumiert wird. Auch in anderen Weltregionen, in denen Menschen Tee sehr heiß trinken, etwa Zentral- und Ostasien sowie Ostafrika, entwickeln auffällig viele Menschen Tumore der Speiseröhre. Weltweit ist dies die achthäufigste Krebsform.

"Es hängt nicht sehr von dem Getränk ab, sondern von der Temperatur", sagte Loomis. In Versuchen an Tieren steigerte auch Wasser ab einer Temperatur von 65 Grad Celsius die Wahrscheinlichkeit für Tumore der Speiseröhre. Daher stuft die Agentur den Konsum sehr heißer Getränke als wahrscheinlich krebserregend ein. Als weitere Risikofaktoren für Speiseröhren-Krebs gelten Alkoholkonsum und Rauchen.

Der Mechanismus der Krebsentstehung sei zwar nicht geklärt, betont die Gruppe. Aber vermutlich verursache die Hitze Zellschäden, als deren Spätfolge Krebs auftreten könne. In Europa nehme man Getränke nicht so heiß zu sich, sagte Loomis. Tee trinke man mit einer Temperatur von etwa 60 Grad, Kaffee sogar noch kühler.

"Heiße Getränke können zu Verletzungen und Schädigungen der Speiseröhre führen und damit auch das Risiko von Krebs erhöhen", sagte Gunter Kuhnle von der britischen Universität Reading, der nicht an dem Bericht mitwirkte. Rudolf Kaaks vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg ergänzte: "Verbrennungen durch heiße Getränke können im Nachhinein entzündungsartige Reaktionen verursachen." Diese könnten etwa die DNA schädigen oder die Apoptose, den programmierten Zelltod, verhindern. "Der Einschätzung würde ich folgen", betonte Kaaks. "Der Prozess der Prüfung durch die IARC ist sehr umfassend."

Einige Bewertungen der Behörde zum Krebsrisiko bestimmter Stoffe hatten im vergangenen Jahr Aufsehen erregt: Die Agentur hatte verarbeitetes Fleisch als krebserregend eingestuft und das Pflanzenschutzmittel Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend.

Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) ist eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation, die die Ursachen von Krebserkrankungen untersuchen soll. Dazu legt sie regelmäßig Berichte vor. Sie ordnet dabei nach Auswertung der wissenschaftlichen Fachliteratur Einflüsse wie bestimmte Substanzen, Luftverschmutzung oder etwa Strahlung einer von fünf Risikogruppen zu: Gruppe 1, zu der etwa Tabak und UV-Strahlung gehören, gilt als krebserregend, Gruppe 2A, etwa sehr heiße Getränke, als wahrscheinlich krebserregend, Gruppe 2B als möglicherweise krebserregend. Bei Gruppe 3 (Kaffee) reicht die Datenlage für eine Einstufung nicht aus, Gruppe 4 gilt als wahrscheinlich nicht krebserregend.

Fragen und Antworten zum Kaffee

Von Walter Willems und Silvia Kusidlo

Was sagt die WHO-Behörde zu Kaffee?

Ein von Kaffee ausgehendes Krebsrisiko lässt sich nach Einschätzung der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) nicht belegen. Studien liefern keine Hinweise darauf, dass das Getränk Tumore von Brust, Prostata oder Bauchspeicheldrüse verursacht. Dagegen gibt es Belege für einen Schutzeffekt gegen Krebs von Leber und Gebärmutter. Für 20 häufige Tumorarten lässt sich keine klare Aussage treffen.

Wie schätzen andere Experten die neue Einstufung ein?

"Die neue Einstufung der IARC überrascht mich nicht", sagte Rudolf Kaaks vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. "Seit Jahren weisen immer mehr wissenschaftliche Studien eher darauf hin, dass ein höherer Kaffeekonsum möglicherweise sogar das Risiko für chronische Erkrankungen wie Diabetes 2 oder auch manche Krebsformen senken könnte."

Für welche andere Krebsarten wird noch eine Schutzwirkung diskutiert?

Zum Beispiel für Darmkrebs, aber die Studienlage ist widersprüchlich. Wissenschaftler aus den USA und Israel berichteten kürzlich, dass Kaffeetrinken das Darmkrebs-Risiko verringere. Das Getränk enthalte Inhaltsstoffe wie Antioxidantien, die zur Gesundheit des Darms beitragen, erläuterten sie. Eine Expertin vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam reagierte darauf skeptisch: unter anderem weil die große europäische EPIC-Studie keinen klaren Zusammenhang zwischen Kaffee und Darmkrebs zeigte.

Schadet Kaffee dem Herzen?

Das weiß man auch nicht so genau. Studien zur Frage, ob Kaffee das Infarktrisiko steigern kann, kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die meisten Experten geben aber Entwarnung. Ein im vergangenen Januar veröffentlichter Überblicksartikel von US-Forschern im "Journal of the American Heart Association" kam zu dem Schluss, dass Kaffee das Risiko für Herzleiden nicht erhöht. Viele Experten betonen mit Blick auf die verschiedensten Gesundheitsfolgen: Es kommt auch auf die Dosis an. Vor allem Schwangere, Stillende und Kranke sollten vorsichtig sein.  

Raubt das Genussmittel dem Körper Wasser?

Lange Zeit hat man geglaubt, dass Kaffee dem Körper Flüssigkeit entzieht. Heute weiß man: Das tut er nicht. Tatsächlich kann Koffein zwar harntreibend wirken, bei regelmäßigem Genuss setzt jedoch ein Gewöhnungseffekt ein. Man könne das Getränk zur Flüssigkeitsaufnahme nutzen, schrieben Forscher der britischen Universität Birmingham im Fachmagazin "PLOS ONE". Der Schriftsteller Franz Kafka soll übrigens gesagt haben: "Kaffee dehydriert den Körper nicht. Ich wäre sonst schon Staub."

Wieso ist die Wirkung von Kaffee so schwer zu erforschen?

Das hat mehrere Gründe. So reagieren Menschen unterschiedlich auf Koffein - je nachdem, ob sie den Wirkstoff langsamer oder schneller abbauen. Außerdem ist Kaffee nicht gleich Kaffee. Je nach Sorte, Röstung und Zubereitung variieren Wirkung und Inhaltsstoffe. Auch andere Faktoren können Studienergebnisse beeinflussen: Tests an Tieren oder Zellkulturen sind nicht unbedingt auf den Menschen übertragbar. Bei Beobachtungsstudien an Menschen muss der sonstige Lebenswandel berücksichtigt werden. Kaffeetrinker sind zum Beispiel überdurchschnittlich oft Raucher. Auch die Zahl der Inhaltsstoffe - es sind mehr als 1000 - erschwert die Forschung.

Klar ist: Kaffee ist ein Muntermacher. Wieso?

Dafür sorgen vor allem zwei Mechanismen: Zum einen verengt Koffein die Gefäße, das Herz muss das Blut mit mehr Druck pumpen, Herz- und Atemfrequenz steigen, das Gehirn und der Rest des Körpers werden so optimal mit Blut versorgt. Zum anderen blockiert Koffein den Botenstoff Adenosin, der als eine Art Bremse im Gehirn funktioniert und schläfrig macht. Koffein löst diese Bremse. Wer regelmäßig Kaffee trinkt, gewöhnt seinen Körper in aller Regel daran. Bleibt die gewohnte Ration aus, kann das zum Beispiel zu Kopfschmerzen führen.

 

Kuriose Fakten über Kaffee

Kaffee aus dem Elefanten-Po? Auch das gibt es. Aus Thailand stammt die Idee, Kaffee zu kredenzen, dessen Bohnen durch einen Dickhäuter gewandert sind. Das Aroma wird als fruchtig-schokoladig beschrieben. Kaffee aus dem Kot indonesischer Schleichkatzen ist schon etwas länger auf dem Markt. Die Tiere fressen Kaffeekirschen, also die Früchte der Pflanzen samt Samen (Kaffeebohnen); im Magen erhalten die Bohnen - wie bei den Elefanten - durch Enzyme ihr Aroma.

Italien gilt als Heimatland des Espresso. Die italienische Astronautin Samantha Cristoforetti durfte vor einem Jahr auf der Internationalen Raumstation ISS den ersten Espresso aus einer Maschine ausschenken. Ihr Urteil: Das kosmische Gebräu könnte in puncto Stärke und Aroma mit jeder Bar in ihrem Heimatland mithalten.

Auch Ludwig van Beethoven schwor auf Kaffee. Exakt 60 Bohnen mussten für den Komponisten mit heißem Wasser überbrüht werden, so heißt es. Eine Art Liebeserklärung an das Getränk lieferte Johann Sebastian Bach mit seiner "Kaffeekantate". Und der französische Autor Honoré de Balzac soll pro Tag bis zu 50 Tassen getrunken haben.

Spitzenreiter im Kaffeeverbrauch pro Kopf sind die Finnen mit 12,2 Kilogramm im Jahr 2015. Viele Arbeitnehmer genießen dort zweimal am Tag die 15-minütige "kahvipaussi". Deutschland liegt nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes auf Platz 6 (7,2 Kilo), die USA kommen auf Platz 16 und das Teetrinkerland Großbritannien immerhin auf Platz 20.

Kaffee - das Lieblingsgetränk der Deutschen

Die Deutschen lieben ihren Kaffee. Mit 162 Litern pro Kopf war er nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes im vergangenen Jahr wieder das am meisten konsumierte Getränk. Trotz Espresso, Cappuccino und Co. - bei der Zubereitung bevorzugen die Bundesbürger Filterkaffee. Als Ursprungsland des koffeinhaltigen Genussmittels gilt Äthiopien. Der Name "Kaffee" leitet sich dem Verband zufolge vom arabischen Begriff "Kahwe" oder "Qahwa" ab. Das bedeute Lebenskraft oder Stärke. Die Pflanzen werden heute in Dutzenden von Ländern im sogenannten Kaffeegürtel angebaut, der sich rund um den Äquator erstreckt. Im Handel sind vor allem die Sorten Arabica und Robusta. dpa