Köchin Sarah Wiener So können wir nicht weiter konsumieren

Von Steffi Prutean

Mit Fächern von Forstwirtschaft bis ökologischem Landbau schätzt sich die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (Barnim) als grünste Hochschule Deutschlands ein. Zum Wintersemester 2015/16 starten rund 600 Studenten. Auf der Immatrikulationsfeier an diesem Donnerstag (10.30 Uhr) hält Starköchin Sarah Wiener die Festrede.

Frau Wiener, warum haben Sie dieses Angebot angenommen?

Die Hochschule entspricht mit ihrem Profil meinem Interesse und Engagement - das ist mein Lebensthema. Mir geht es aber auch um unsere Kinder und Kindeskinder, die vor einer großen Herausforderung stehen. Es reicht nicht mehr, weiterzuleben und zu konsumieren so wie wir es machen. Kommende Generationen müssen erstmals in der Geschichte eine ethische und moralische Verantwortung für die Erde übernehmen. Das finde ich spannend. Darüber werde ich sprechen, aber auch über eine eigene Erfahrung.

Und welche ist das?

Beruflich habe ich keine staatliche Anerkennung, bin gewissermaßen durch die Universität des Lebens gegangen. Deshalb möchte ich den jungen Leuten sagen: Kinder entspannt Euch. Genießt das Lernen, schafft Euch ein kreatives Miteinander. Ich bin dafür ein gutes Beispiel, dass die Wege verschlungen sind, man am Ende aber auch sein Glück finden kann.

Sie haben mit Partnern 2014 das Gut Kerkow (Uckermark) gekauft, rund 700 Hektar Fläche. Welche Pläne haben Sie dort?

Wir führen das Gut weiter. Wir haben Menschen angestellt, die nach der Demeter-Richtlinie arbeiten und unsere Vision von Landwirtschaft unterstützen. Gut Kerkow ist ein Biohof, doch gab es in den vergangenen Jahren beispielsweise keine Fruchtfolge. Das haben wir geändert. Zudem ersetzen wir die Holsteinisch-Friesischen Milchkühe durch schwarzbuntes Niederungsrind. Diese vom Aussterben bedrohte Rasse liefert zwar weniger Milch, dafür aber auch Fleisch. Wir haben ein Ziel: Wir wollen zeigen, dass man auch auf großen Flächen nachhaltig, ethisch und ökonomisch wirtschaften kann.

Können die Bauern von ihren Produkten leben?

Nein. Der Bauer hängt am Subventionstropf sowie an einer unglaublichen Bürokratie. Das spüre ich durch meinen Hof. Der Landwirt sitzt mehr im Büro, als er auf dem Feld unterwegs ist. Es ist eine Katastrophe, dass ein Liter Milch mittlerweile weniger kostet als ein Liter Wasser. Das muss man sich mal vorstellen. Fleisch, das kostbarste Lebensmittel, wird wie Industrieschrauben produziert. Landwirte haben investiert, um die Nachfrage zu decken. Jetzt sitzen sie auf Krediten für riesige Ställe. Oft gibt es kein Zurück. Der Bauer ist meist nur noch Lohnarbeiter. Er ist abhängig von Ketten und Konzernen, die ihm seine bäuerliche Würde und Unabhängigkeit genommen haben. Es geht mittlerweile weniger ums Land, sondern immer mehr ausschließlich ums Wirtschaften.

Frau Wiener, zum Abschluss ein anderes Thema: Sie sind nicht nur bekannt ob Ihrer Koch- und Backkünste. Sie haben auch noch Zeit zum Stricken gefunden. Warum denn das?

Stricken ist für mich ein Ausgleich, eine schöne handwerkliche Tätigkeit. Der Erfolg ist schnell sichtbar und man schafft etwas Bleibendes. Mit den Händen etwas Sinnvolles tun, sich zu versenken, zu konzentrieren und Maschen zu zählen, hat etwas enorm Befreiendes und Reinigendes. Man hat festgestellt, dass bei traumatisierten Menschen ein Strickkurs besser wirkt, als so manche Therapie. Für mich ist es eine Faszination, aus einem einzigen Faden ein komplexes Werk zu kreieren. Es ist ein bisschen wie mit den Grundzutaten beim Kochen und Backen: Am Ende entsteht etwas Neues. Das Arbeiten mit den Händen erdet mich. Ich stricke nicht jeden Tag, wenn, dann in der kalten Jahreszeit. Zuletzt habe ich eine riesige Bettdecke gestrickt, so richtig zum Einkuscheln. dpa

Zur Person:

Sarah Wiener (53) ist eine österreichische Köchin und Buchautorin, bekannt durch Fernsehsendungen. In der Uckermark führt sie Gut Kerkow. Mit der Sarah Wiener Stiftung will sie Kinder an gesundes Essen und dessen Zubereitung heranführen.