Mallorcas Sommerskandal Wirbel um Sündenpfuhl Magaluf

Von Hubert Kahl

In Großbritannien kennt diesen Ort fast jeder: Er ist das britische Gegenstück zum - bei vielen Deutschen beliebten - "Ballermann" an der Playa de Palma. Die Hochburg britischer Urlauber liegt an der entgegengesetzten Seite der Bucht um die Inselhauptstadt Palma de Mallorca. Und sie macht Schlagzeilen: Für die Boulevardpresse bildet sich um die Lokale an der Straße Punta Ballena ein weitaus schlimmerer Sündenpfuhl, als es die Vergnügungsmeile am "Ballermann" ist.

Stein des Anstoßes ist ein Video, das nur etwas länger als zwei Minuten ist, aber den Skandal des Sommers auf Mallorca auslöste. Das im Internet verbreitete Filmchen zeigt eine junge Irin beim Oralsex mit mehreren Männern in einer Bar in Magaluf. Die Männer gehörten, wie an ihren T-Shirts zu erkennen ist, einer Gruppe an, die eine organisierte Tour durch die Kneipen der Partymeile "Punta Ballena" unternahm.

Für die deutsche Urlauberhochburg "Ballermann" hatte die Stadtverwaltung von Palma in diesem Sommer "Benimmregeln" erlassen - in Magaluf gilt die Verordnung nicht, weil der Ort zur Gemeinde Calvià gehört.

Das Magaluf-Video löste auf der Mittelmeerinsel eine Welle der Empörung aus. Die Zeitung "Ultima Hora" sprach von einem "Anschlag auf die Menschenwürde". In der Presse zirkulierten Berichte, wonach in bestimmten Bars Oralsex-Wettbewerbe abgehalten würden, bei denen den Frauen Gratisgetränke in Aussicht gestellt würden.

Entspricht dies wirklich den Tatsachen? Darüber, was nachts in den Bars geschieht, wird am nächsten Tag nicht viel geredet. Von Reportern befragte Party-Touristen in Magaluf erklärten, von derartigen Exzessen nie etwas mitbekommen zu haben. Auch die Regionalregierung der Balearen meint, das Video zeige nur einen "isolierten Einzelfall". Dennoch hielten die Verantwortlichen der Regierung und der Tourismusbranche Krisensitzungen ab, weil sie um den Ruf Mallorcas fürchteten.

"Einen solchen Tourismus wollen wir hier nicht", lautete das Fazit. Allerdings räumte die Staatssekretärin im Madrider Tourismusministerium, Isabel Borrego, ein: "Strafen helfen nicht weiter. Wir müssen die betroffenen Unternehmen und die Touristen zur Einsicht bringen." Nun sollen in Großbritannien eine Informationskampagne gestartet und die Kontrollen in den Lokalen verschärft werden.

Magalufs Vergnügungsmeile der Punta Ballena steht seit Jahren in einem schlechten Ruf. Dort reiht sich auf einer Distanz von etwa 400 Metern ein Lokal an das andere. Der Alkohol fließt in Strömen. Anwohner beklagen sich über den Gestank von Urin und Erbrochenem. Ab und zu stürzen betrunkene Party-Touristen aus ihren Hotelzimmern in die Tiefe, weil sie auf den Balkons Mutproben unternehmen. Die Strandpromenade wurde in der Nacht zu einem Tummelplatz von Kleinkriminellen und Prostituierten. Um die Kriminalität und nächtliche Sex-Orgien zu bekämpfen, ließ die Gemeinde dort eine Flutlichtanlage installieren.

"Mit dem jüngsten Skandal um Lokale, die Frauen zu demütigenden Praktiken wie Oralsex für Gratisgetränke treiben, sind wir ganz unten angekommen", beklagte der Geschäftsführer der internationalen Hotelkette Melià, Gabriel Escarrer Jaume, in einem offenen Brief. "Alkohol-, Sex- und Drogenexzesse machen unser Reiseziel in den Augen der Welt zum Inbegriff eines widerlichen und schmutzigen Tourismus."

Die Kneipenwirte ließen die Vorwürfe nicht auf sich sitzen. Sie bezeichneten das Video ebenfalls als "abscheulich", halten die Aufregung darüber aber für völlig überzogen. "Seit Jahrzehnten kommen junge Leute nach Mallorca, um sich eine Woche lang ohne Kontrollen zu amüsieren", sagte Pilar Carbonell vom Gastronomieverband Restauración-Caeb der Zeitung "Diario de Mallorca". "Ihre Eltern hatten dies vor 20 Jahren auch schon getan."

Jesús Sánchez vom Verband der Vergnügungslokale ergänzte: "Es wäre absurd, wenn wir nur noch Radurlauber oder Familien aufnähmen und junge Leute unter 30 Jahren ausschlössen." Die Partymeile Punta Ballena macht nur einen kleinen Teil von Magaluf aus. Nur wenige Häuserblocks entfernt gibt es schicke Lokale mit feinem Ambiente und Luxushotels, in deren Sanierung die Hoteliers viel Geld investiert haben. dpa