Ochse auf Eis Köche bereiten Oktoberfest vor

Von Sabine Dobel

Gut eine halbe Million Hühner. Etwa 50 Kälber. Eine Herde von Hundert Ochsen. Eine nicht benannte Anzahl Schweine und Enten. Binnen 16 Tagen verschlingen die sechs Millionen Besucher des Oktoberfests (19.9. bis 4.10.) Wagenladungen von Tieren. Dazu tonnenweise Sauerkraut, Blaukraut und Knödel. Nur eine ausgeklügelte Logistik erlaubt auf dem größten Volksfest der Welt das Servieren im Akkord. Längst brodelt es in manchen Töpfen. Vorkochen wie zu Omas Zeiten ist angesagt. Geschmortes vom Ochsen, Reh, Böfflamott, Bratensoße, Sauerkraut und Knödel liegen teils schon fertig auf Eis.

"Es geht darum, ohne vorgefertigte Produkte auszukommen und trotzdem schnell die Menge in der Qualität herzubringen", sagt Toni Winklhofer, Wirt des Festzelts Tradition auf der Oidn Wiesn. Eine Tonne Ochsenbacken, 400 Kilo Rehragout, 50 Kilo Kalbskopf, 700 Liter Schweinsbratensoße, je 200 Liter Geflügel- und Rinderfonds, hat sein Küchendirektor Michael Schubaur eingefroren. Das Kochen in großen Wannen dauert je nach Gericht Stunden, zu lang für die Hektik des Festbetriebs. Gleich danach wird vakuumverpackt und tiefgekühlt. Zuletzt hat Schubaur Gulaschsuppe gemacht, nun ist er im Urlaub. Erholung vor dem großen Sturm. Am 19. September heißt es O'zapft is. Dann gibt es keine Pause bis zum 4. Oktober.

Für das Winzerer Fähndl von Wirt Peter Pongratz köchelt derzeit das Sauerkraut. 300 bis 400 Kilo mache er jeden Tag, sagt Küchendirektor Andreas Geitl, viereinhalb Tonnen insgesamt. "Wir kochen es vor und frieren es ein. Dadurch wird es milder und bekömmlicher." Parallel rollt die Crew 25 000 Semmelknödel. Auch in Arbeit: Brezn-Gugelhupf, Champagner-Weißbier-Tiramisu, halbgeeist serviert, und die neuen veganen Quinoa-Pflanzerl. Braten machen Geitl und sein Team erst Tage vor der Wiesn. Hirsch- und Ochsenbraten brauchen gut zwölf Stunden. "Das kann man nicht in der Früh ansetzen und mittags servieren."

Für die Ochsenbraterei hat Chefin Anneliese Haberl mit Küchendirektor Richard Lindermeier schon die Ochsen ausgesucht, die bald nach 130-jähriger Tradition eindrucksvoll als Ganzes am Spieß drehen. "Wir besuchen sie permanent, betreuen und begutachten sie", sagt er. Die Tiere sind "echte" Münchner vom städtischen Gut Karlshof und werden sogar vorher fotografiert. "Die haben sich recht gefreut, dass sie auf die Wiesn dürfen", zitiert Haberl ihren Mann Hermann. Man habe ihnen nur nicht gesagt, dass es keine Rückfahrkarte gebe.

Wenigstens dürfte ihr Leben relativ gut gewesen sein. Sie haben Stroh im Stall, dürfen an die frische Luft und können sich laut Lindermeier an einem Gerät massieren lassen, fast wie ein sorgsam gehegtes Wagyu-Rind. Nur Grünfutter bekommen sie nicht. Das würde, so heißt es beim zuständigen Kommunalreferat, die Fettmäander im Fleisch gelb machen. Und das sähe auf dem Teller nicht schön aus.

Auch für Hendl gibt es ausgeklügelte Fressrezepte. Löwenbräu-Wirt Ludwig Hagn schwört auf Mais am Ende der etwa 35-tägigen Lebensphase seiner "Giggerl" aus der Traunsteiner Gegend. "Das macht sie saftiger." Das Fleisch werde davon zwar etwas gelblich - beim Huhn stört das die Konsumenten aber nicht. 1150 bis 1200 Gramm bringt so ein Hühnchen auf die Waage. "Das ist ein Hendl, wo die Leute auch satt werden." Früher seien es 900 Gramm gewesen, "ein Mistkratzer". Dass die Tiere gleich schwer sind, sei wichtig. Sonst gebe es Streit an den Tischen, wenn der Nachbar ein größeres Hendl bekomme.

Offenbar gibt es bei den Hühnern verschiedene Aufzuchtrezepte. Die Hendl der Ochsenbraterei wachsen Lindermeier zufolge mit Kraftfutter und Öko-Weizen 40 bis 45 Tage. Auch sie bekommen vor ihrem Ende am Grill Besuch im Stall. "Wir haben immer unsere Aufzuchthöfe besucht."

Gerade entstehen bei Lindermeier Pfannkuchen. 120 Quadratmeter der Fladen aus Ei, Milch und Mehl werden gebraucht. "Sie dürfen sich nicht vorstellen, dass ich mit der kleinen Pfanne dastehe." Das Blech misst 0,8 mal 1,20 Meter. "Der Teig wird hineingegossen, in Quadrate geschnitten und gewendet." Und für Suppe mit dem Streifenschneider geschnitten. "Da muss mit Ruhe und Achtsamkeit gearbeitet werden." Sonst habe man nicht fünf, sondern 100 Finger. Kein Küchengerät für die Zelthektik. "Mir ist lieber, wenn das nicht auf der Wiesn ist."

Auch wenn es in den Küchen längst schmurgelt, heißt es oft vage: "Wir machen das frisch..." Dass das mit allen Gerichten klappt, hält der international erfahrene Koch Geitl freilich für unmöglich. dpa