Reise zu den 4000 Inseln Südlaos

Von Manuel Meyer

In der Regenzeit nimmt der Mekong gewaltige Ausmaße an. Bis zu 14 Kilometer ist er dann hier im Süden von Laos breit - ein gewaltiges Binnendelta. Ein Labyrinth, durchfurcht von Hunderten Kanälen, Stromschnellen und Inseln. Si Phan Don, wie das Gebiet heißt, bedeutet «4000 Inseln». Einige von ihnen sind bewohnt, andere dienen den Bauern lediglich dazu, Reis und Gemüse anzubauen. Bei unzähligen Inselchen handelt es sich eigentlich nur um spärlich bewachsene Sandbänke, auf denen sich gelegentlich Wasserbüffel am Strand tummeln.

Wie viele Inseln es tatsächlich sind, dürfte kaum nachzuvollziehen sein und hängt vom Wasserstand ab. Auch Rainer ist sich nicht sicher, ob es wirklich 4000 sind. Es ist ihm auch egal. Viel wichtiger: «Das hier ist mein ganz persönliches Paradies auf Erden.» Schon seit Monaten tourt der 29-jährige Münchner durch Südostasien. Zuvor war er bereits in Thailand, Kambodscha und Vietnam. Aber diese tropische Flusslandschaft ist so ziemlich das Schönste, was er auf seiner gesamten Reise gesehen hat. «Wunderschöne Landschaft, sehr ursprünglich, supernette Leute, extrem günstig und nicht so touristisch wie andere Gegenden», sagt er.

Rainer liegt im schneeweißen Sand des Mekong-Ufers auf der Insel Don Khon. Auf der anderen Uferseite tummeln sich ein paar Wasserbüffel ebenfalls im Sand und schauen misstrauisch herüber. Sie scheinen sich nicht entscheiden zu können, ob sie in Rainers Anwesenheit nun ins Wasser gehen sollen oder nicht. Zeit für einen ausgiebigen Mittagsschlaf im Schatten der Bäume, die sich vom Strand quer über den Fluss erheben. Den macht Rainer hier jeden Tag, um sich von den nächtlichen Feiern mit «Happy-Tee» und «Happy-Pilzen» zu erholen. Danach wird er sich räkeln, um wach zu werden, ins kühle Wasser springen und dann zu «Mr. Bounson» gehen.

Mr. Bounson hat nicht weit von Rainers Lieblingsstrand ein kleines Lokal. Nichts Besonderes, eine rustikale Bambushütte am Flussufer im Sand. «Der Fisch ist einfach unschlagbar lecker und frisch», sagt Rainer. Mit einem großen Lächeln empfängt der sympathische Laote seinen Stammgast aus Deutschland. Ohne etwas zu sagen, bekommt Rainer ein eiskaltes Laos Beer in die Hand gedrückt, obwohl er eigentlich viel lieber eine frische Kokosnuss hätte, die Mr. Bounsons Frau gerade mit der Machete bearbeitet. Hühner und Katzen laufen kreuz und quer über die offene Holzdiele des Restaurants. Vor der Hütte sonnt sich eine Sau mit ihren Ferkeln im Sand.

Als Rainer den letzten Schluck Bier heruntergespült und den Fisch mit Reis komplett verspeist hat, beginnt die Sonne bereits langsam im Mekong zu versinken. «Das ist die beste Zeit, um loszufahren», erklärt Rainer und schwingt sich aufs Fahrrad. Wie fast alle Backpacker wohnt auch er auf der kleineren Nachbarinsel Don Det. Der Weg ist nicht weit. Es dauert keine 20 Minuten, Don Khon zu überqueren. Don Det ist noch winziger. Auf der Schotterstraße geht es zunächst durch dichtes Grün. Bambus, wohin das Auge blickt. Rainer radelt gemächlich an Reisfeldern und kleinen Bauernsiedlungen vorbei.

Immer wieder muss er auf dem Weg Wasserbüffeln auf den Sandpisten ausweichen. In Ban Khon, einem beschaulichen Örtchen mit Holzhäusern und einem Hauch französischer Kolonialatmosphäre, geht es über eine alte Eisenbahnbrücke nach Don Det hinüber.

Mitten auf der Brücke hält Rainer plötzlich an, zündet sich schnell einen Joint «für diesen speziellen Moment» an und zeigt zum Horizont: Der Anblick des Sonnenuntergangs ist atemberaubend. Blutrot spiegelt sich die Sonne im Mekong. Immer wieder ziehen Vogelschwärme und Fischer mit ihren einbaumartigen Langbooten durch das asiatische Postkartenmotiv.

Auf Don Det führt der Weg am Uferrand in den Nordenwesten der Insel, wo sich die meisten Restaurants und Unterkünfte im Dorf Ban Hua Det befinden. Viele der Restaurants sind bereits voll, als Rainer eintrifft. Alle wollen sich mit einem Sundowner in der Hand von den wunderschönen Sonnenuntergängen im Mekong verzaubern lassen, bevor asiatische Nudel- und Reisgerichte auf den Tisch kommen. Das entspannende Naturspektakel wird noch entspannter durch die unzähligen Kerzenlichter, die überall brennen, und die Geräusche der Grillen und Wasservögel. Die Restaurants, einfache Holz- und Bambushütten am Flussufer, sind am Abend der Treffpunkt für alle. Diskotheken gibt es nicht.

Don Det ist keine Partyhochburg wie Vang Vieng im Norden von Laos mit Feiern bis in die frühen Morgenstunden. Alle kommen zum Relaxen hierher. Aber etwas Spaß wollen natürlich auch alle haben. Viele Backpacker versammeln sich abends spontan zu kleinen Strandpartys mit Lagerfeuer und Gitarrenmusik. Einmal im Monat findet am Dorfstrand eine von den umliegenden Restaurants organisierte Vollmond-Party statt. Dann tanzen Jugendliche aus aller Welt zu harten Beats im Sand ums Lagerfeuer herum. Rainer kennt sie alle, und alle kennen Rainer.

Erst langsam entdecken Touristen Don Det und die umliegenden Inseln Don Khon und Don Khong. In der ganzen Region wohnen nur knapp 50 000 Menschen. Haupttransportmittel sind kleine Boote. Auf Don Det kommt der Strom noch immer aus Generatoren. Auch Autos gibt es auf der Insel keine. Man fährt mit dem Moped, vor allem aber mit dem Fahrrad. Eigentlich existiert auf der gesamten Insel nur ein einziges Hotel, das «Little Eden», mit der wohl besten Sonnenuntergangs-Terrasse und der besten Küche. Noch haben die Touristenstürme hier nicht eingesetzt. Doch scheinen Backpacker und vor allem die internationale Hippie-Szene in Don Det ein neues Goa gefunden zu haben, seitdem der indische Küstenort für viele zu touristisch geworden ist.

So handelt es sich bei den Unterkünften vor allem um einfache, günstige, aber romantische Bambushütten mit Balkonen, die auf Stelzen über dem Mekong liegen. Die meisten sind nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Es gibt ein Bett mit Moskitonetz, einen kleinen Schrank, rustikale Duschen und meistens eine Hängematte zum Relaxen auf der Veranda.

Von der Hängematte aus kann man stundenlang den Mekong betrachten, die Vogelwelt oder die Fischer bei ihrer Arbeit beobachten. Bei ausgiebigen Spaziergängen und Fahrradtouren taucht man tief in den laotischen Alltag ein. Bauern ernten hier Reis oder dösen im Schatten. Frauen waschen Kleidung am Fluss, Kinder planschen im Wasser und ärgern die Wasserbüffel.

Die Orte und ihre Menschen strahlen eine unbeschreibliche Ruhe und Gelassenheit aus, die sich sofort auf den Besucher übertragen. «Ich habe selten einen Ort kennengelernt, an dem man so schnell tief entspannt wird», sagt Rainer und versichert, das habe nichts mit seinen Drogen zu tun.

Wer nicht mehr entspannen und relaxen möchte, vergnügt sich beispielsweise beim Tubing. Fischer bringen die Touristen stromaufwärts, und diese lassen sich dann stundenlang gemächlich in Lkw-Reifenschläuchen den Mekong hinunter nach Don Det treiben. Allen und Mary aus Sydney hatten dabei wahnsinnig viel Spaß. Vor allem, als Kinder aus einem Fischerdorf sie erspähten, mit ihren Langbooten heranruderten und die Reifen entern wollten. «Danach gab es ein Wettrennen mit den Kids. Die waren mit ihren Booten natürlich viel schneller», erzählt Mary.

Heute bricht das Pärchen schon früh mit Fahrrädern auf. Ziel sind die Wasserfälle von Somphamit auf Don Khon, besser bekannt als die Li Phi Wasserfälle, die Seelenfallen. Am Wat Khon Tai, einem buddhistischen Tempel, machen sie kurz Rast. Katzen schlafen auf den Stufen der Pagode, die von Kokospalmen umgeben ist. Im Inneren des Tempels dösen zwei orange gekleidete Mönche vor sich hin.

Die Wasserfälle schließlich sind ein imposantes Schauspiel. Hier endet plötzlich der friedliche Lauf des Mekong und wandelt sich in ein tosendes Spektakel. Doch es geht noch größer: Nur wenige Kilometer südlich, direkt an der Grenze zu Kambodscha, wartet der noch gewaltigere Khong-Phapheng-Wasserfall. Es ist der größte Wasserfall in ganz Südostasien. Aus 15 Metern Höhe stürzen hier jede Sekunde Millionen von Liter Wasser in die Tiefe. Hier starb der Traum der französischen Kolonialherren, den Mekong als Handelsroute von China bis ins Chinesische Meer im heutigen Vietnam nutzen zu können. dpa

Reise nach Südlaos/Si Phan Don

Anreise: Verschiedene Fluggesellschaften fliegen von Deutschland nach Hanoi oder Bangkok. Von hier mit Vietnam- oder Lao Airlines ins südlaotische Pakse. Von Paske gibt es Schiffe oder Busse bis nach Ban Phapho. Ab hier geht es mit kleinen Flussfähren zu den Inseln weiter.

Einreise: Deutsche brauchen für Laos ein Visum sowie einen mindestens noch sechs Monate gültigen Reisepass.

Reisezeit: Am besten während der kühleren Trockenzeit zwischen November und Mai.

Unterkunft/Essen: Auf Don Det und Don Khon gibt es vor allem einfache Gästehäuser sowie zwei Hotels.

Sprache: Laotisch ist Landessprache. Viele sprechen aber auch Französisch und Englisch.

Währung: Laotische Kip. 1 Euro entspricht 11 300 Kip (Stand: Januar 2014). visit-laos.com