Ress und die Weinlese auf Sylt

Von Wolfgang Runge

Bei strahlend blauem Himmel und begleitet von heiseren Möwenschreien hat am Sonntag auf Sylt die Traubenernte begonnen. Es sei die erste reguläre Weinlese im nördlichsten Weinanbaugebiet Deutschlands, sagt der Rheingauer Winzer Stefan Ress.

Er hat vor vier Jahren auf der Nordseeinsel 3000 Quadratmeter mit Reben bepflanzt. Ress erwartet in diesem Jahr guten Weißwein mit einem Mostgewicht von etwa 80 Oechsle. «Wir werden keinen Säuerling ins Glas bringen», versichert der Winzer.

Sonnenschein gibt es laut Ress auf Sylt genug. Wichtig für den Weinanbau so hoch im Norden sei jedoch der Anstieg der Durchschnittstemperaturen. «Das Klima hat sich in den vergangenen 10, 15 Jahren zu unseren Gunsten entwickelt», sagt der Winzer. Trotzdem hat Ress auf Sylt Reben der Sorte Solaris angepflanzt - eine Züchtung, die speziell an Standorte im hohen Norden angepasst ist. Die Trauben reifen sehr früh. Außerdem ist die Frucht pilzresistent.

Besonders freut den Rheingauer der ständige Wind an seinem neuen, sogenannten Weinberg, der eigentlich eher flach ist. Der Wind bläst meist von Westen, also vom Meer her, so dass Schädlinge gegen ihn ankämpfen müssten, wenn sie die neuen Reben auf der Insel erreichen wollten, sagt Ress.

Schleswig-Holstein ist eines der flachsten Bundesländer und keine klassische Weinregion. Mit Ausnahme einiger Hobby-Winzer, die auf ihrer Süd-Terrasse schon immer eine Handvoll Reben für den eigenen Bedarf hegten und pflegten, kann der Norden auf keine lange Weintradition zurückblicken.

Erst 2009 erhielt Schleswig-Holstein von Rheinland-Pfalz die für den Anbau von Wein erforderlichen Pflanzrechte. Seitdem dürfen nach Angaben des Bauernverbands zwischen Nord- und Ostsee Weinreben auf insgesamt zehn Hektar angebaut werden. Die Anbaufläche habe sich in den vergangenen Jahren nicht verändert, sagte Verbandssprecher Klaus Dahmke.

Wie auf Sylt bauen die Winzer auch im übrigen Schleswig-Holstein dem «Nord-Wetter» angepasste robuste und pilzresistente Rebstöcke an. Unter anderem findet man hier die Rebsorten Muscaris (kräftiger Geschmack mit Muskat- und Zitrusaroma), Cabernet Cortis (kräftiger Rotwein, ähnlich wie Blauer Spätburgunder) und Regent (kräftiger, tiefroter Rotwein).

Bereits seit 1995 wird Wein auch in Hamburg angebaut. Die Trauben wachsen an 100 Rebstöcken direkt am Hafen, oberhalb der Landungsbrücken in St. Pauli. In diesem Jahr fällt die Lese allerdings komplett aus. Ein Pilz vernichtete sämtliche Trauben. dpa

Sylt-Wein wird kein Säuerling - das Interview

3000 Quadratmeter hat Rheingau-Winzer Christian Ress (Foto unten) auf Sylt mit der weißen Solaris-Weintraube bepflanzt - auf 54 Grad 53'59'' nördlicher Breite. Im ersten Jahr wird der Wein vor allem an die 555 Weinfreunde gehen, die in Keitum einen Rebstock gepachtet haben, wie er im Interview mit der dpa sagte. Der Handel hat aber schon vorbestellt - zu 69 Euro pro Flasche.

Am 13. Oktober soll es auf Sylt mit der Weinlese losgehen?

Wir haben uns jetzt darauf festgelegt. Es gab noch Unsicherheit, ob die Trauben reif werden. Dieses Jahr ist bei der Reife ja ganz Deutschland im Rückstand. Die aktuellen Messungen zeigen aber, dass wir ausreichende Mostgewichte bekommen. Wir gehen davon aus, dass wir bei 85 Grad landen. Das ist super.

Sie haben ja eine spezielle Traube angepflanzt mit dem schönen Namen Solaris?

Sie ist auf den Standort angepasst. Jeder, der jenseits des 55. Breitengrads anbaut, nimmt Solaris. Es ist eine Züchtung, die sehr früh reift. Außerdem ist sie pilzresistent, das hilft uns in den letzten Wochen vor der Ernte, wenn es üblicherweise reinregnet. Im Herbst sind in Sylt die Niederschläge deutlich höher als bei uns im Rheingau.

Und wie sauer wird der Tropfen?

Wir werden keinen Säuerling ins Glas bringen. Im vergangenen Jahr haben wir schon einmal ein paar Liter im Glasballon als Test produziert. Der Wein hat geschmeckt, er hat den Stil eines Sauvignon. Wir sind aber sehr gespannt, weil es auf dem Markt gar keinen reinrassigen Solaris-Wein gibt. Der wird nur als Verschnitt genommen.

Was haben Sie in Sylt investiert?

Ich kann ihnen jetzt keinen Betrag nennen, die Kosten sind aber immens. Es ist unser teuerster Weinberg. Vor Ort machen wir alles per Hand. Im Rheingau läuft es dagegen maschinell. Unsere Leute fahren drei- bis viermal im Jahr nach Sylt hoch. Die Routinesachen machen vor Ort meist aber Gartenbaubetriebe. Dies ist auch teurer.

Und wie wollen Sie die Kosten wieder reinbringen?

Für ein Drittel der Fläche haben wir ja Pächter, die sich eingekauft haben. Für die war das nicht billig - zehn Jahre Pacht kosten 499 Euro. Mittel- und langfristig wollen wir um die 1000 Flaschen verkaufen. Sylt ist Kult. Schon jetzt ist ein Großteil vordisponiert.

Was kostet die Flasche?

69 Euro. Das ist sehr, sehr hochpreisig. Es sind aber auch nicht viele Flaschen, die auf den Markt kommen. In diesem Jahr wird aber wahrscheinlich nur eine ganz kleine Menge in den freien Verkauf gehen. Zuerst kriegen die Pächter ihre Flasche.