Riesling & Co Anbauschranken für Wein fallen

Von Andrea Löbbecke

Winzer im Anbaugebiet Saale-Unstrut wollen mehr Platz für ihre Reben, ihre Kollegen an der Ahr und badische Weinbaugemeinden wollen das auch. Allerdings gilt seit den 1970er-Jahren ein EU-weiter Anbaustopp. In vielen deutschen Weinbaugebieten lässt sich der Bedarf zwar gut dadurch decken, dass Betriebe aufgeben und ihre Rebflächen und Pflanzrechte verkaufen.

In kleinen Regionen wird es aber oft eng für Riesling, Spätburgunder und Co., gerade in einem Jahr mit kleiner Ernte. Die Winzer erwarten nun gespannt das Jahr 2016, ab dem die strengen Anbauschranken gelockert werden. Die rund 100 000 Hektar große Weinbaufläche in Deutschland darf dann in kleinen Schritten wieder wachsen.

«Wir haben junge Winzer, die gut verkaufen, die würden gerne mehr machen», sagt Siegfried Boy, der Weinbaupräsident des Gebietes Saale-Unstrut. Der Landhunger sei groß geworden in den vergangenen zwei bis drei Jahren. Beispielsweise in Freyburg seien freie Parzellen «ratzfatz» vergriffen. Dass sich das eher kleine Weinbaugebiet mit der Lockerung zu sehr ausdehnen könnte, befürchtet er nicht. «So viele Flächen bieten sich nicht an, ein großes Wachstum ist nicht in Sicht», sagt Boy.

«Wir brauchen die Möglichkeit, neue Anpflanzungen durchzuführen», sagt auch der Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbandes, Rudolf Nickenig, in Bonn. Die Winzer sind dennoch heilfroh, dass der Anbaustopp nicht - wie befürchtet - komplett auslaufen wird.

Nach dem derzeitigen Papier, das bei der EU auf dem Tisch liegt, sollen die Staaten von 2016 an für jährlich ein Prozent der Rebfläche Neuanpflanzungen genehmigen. Dem Weinbauverband ist das zu viel - er plädiert für ein langsameres Wachstum von unter einem Prozent.

«Wir sehen vor allem ein zeitliches Problem, ob die Regelung überhaupt zum 1. Januar 2016 in Kraft treten kann», sagt Nickenig. Er befürchtet erhebliche Verzögerungen in Brüssel. Erst wenn dort alles in trockenen Tüchern ist, können die Verordnungen auf Bundes- und Landesebene in Angriff genommen werden.

Das dauert. «Wahrscheinlich kommen wir zeitlich so in die Bredouille, dass wir 2016 eine ganze Pflanzperiode verlieren.» Zudem rolle auf die Winzer eine Welle zusätzlicher Bürokratie zu, kritisiert Nickenig. Ein Beispiel: Fiel bei der Rodung eines Weinbergs bislang eine formale Meldung an, sollen es künftig vier sein.

Der Weinbauverband befürchtet auch, dass künftig nur noch dort Reben angebaut werden, wo es sich wirtschaftlich besonders lohnt. Da könnten beispielsweise die landschaftlich sehr schönen Steillagen auf der Strecke bleiben, da sie teurer zu bewirtschaften sind, wie Nickenig erklärt.

Eine komplette Rücknahme des Anbaustopps - das wäre auch für den Badischen Weinbauverband keine gute Lösung gewesen. «Wir wollen ein gut strukturiertes, moderates Wachstum», sagt der Geschäftsführer Peter Wohlfahrt. Neue Flächen sollten jedoch ausschließlich innerhalb der bestehenden Rebflächen entstehen. «Wir wollen keine Zerschlagung, keine Inselbildung», erklärt er. Auch Wohlfahrt hofft, dass das neue Regelwerk kein «bürokratisches Monster» wird. Für Baden könne er sich ein jährliches Plus von 0,5 Prozent der Fläche vorstellen.

Wie weit die Ansichten unter den deutschen Winzern auseinandergehen, zeigt eine Nachfrage an Ahr und Mosel: «Wir brauchen mehr Platz für unseren Wein», sagt der Weinbaupräsident der Ahr, Hubert Pauly. Allerdings solle die Fläche insgesamt nicht mehr als zehn Prozent wachsen. «Wir wollen unser kleines Paradies als Paradies erhalten.»

Nur dann - so hofft er - könnten auch die Preise für Ahrweine gehalten werden. «Die Erzeuger an der Mosel hätten kein neues System für Rebpflanzungen gebraucht», erklärt der Geschäftsführer des Weinbauverbandes, Gerd Knebel, und befürchtet mehr Bürokratie. Bislang sei es für Moselwinzer kein Problem, an neue Flächen zu kommen. Rheinland-Pfalz als Bundesland mit der größten Rebfläche befürwortet bislang eine jährliche Ausweitungsquote von 0,1 bis 0,3 Prozent. dpa