Riesling statt Reiswein

Von Sonja Funke

Einige Passanten flanieren entspannt die sonnige Gui-Straße im Zentrum Pekings entlang. Mittendrin hat vor einigen Monaten ein Weinladen eröffnet, ein Geschäft für den exquisiteren Geschmack. Importierte Weine wie Merlot, Cabernet Sauvignon und Chardonnay werden der kaufkräftigen Kundschaft angepriesen. Chinesische Weinliebhaber sind auf den Geschmack der teuren Tropfen aus Europa gekommen.

«Der Absatzmarkt in China hat sich in den vergangenen Jahren sehr dynamisch entwickelt», sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz. Im vergangenen Jahr seien 3,4 Millionen Liter Wein von Deutschland aus nach China exportiert worden - elfmal so viel wie zehn Jahre zuvor. «Trotz der deutlich steigenden Nachfrage ist das aber für 1,3 Milliarden Chinesen eigentlich nicht viel».

Der Markt für importierte Weine wird bisher allerdings fast nur von Winzern aus Frankreich dominiert. «Die EU-Länder waren die ersten, die importierte Weine nach China gebracht haben», sagt der Manager, Deng Yutian, des Weinunternehmens Blue Beacon Fine Wines. Sie hätten ihre Produkte zuerst offensiv in China angepriesen. «Das hat einen tiefen Eindruck bei chinesischen Konsumenten hinterlassen.»

Die Weinkultur in China hat sehr großes Potenzial. «Ein bis zwei Prozent der Chinesen trinken überhaupt Wein», sagt Büscher. «In die USA exportieren wir fast achtmal so viel wie nach China.» Anders ausgedrückt: Im Jahr 2011 haben die Chinesen mit 1,7 Milliarden Litern genauso viel Wein getrunken wie die Deutschen - allerdings ist die chinesische Bevölkerung etwa 16 mal so groß wie die deutsche.

In Peking schaut die Verkäuferin Jenny Li etwas hilfesuchend die Regale entlang. «Wein aus Deutschland? Den müssten wir auch haben.» Sie geht an den Reihen der französischen Tropfen vorbei und bleibt schließlich ganz am Ende stehe. «Hier!», sagt sie und zieht eine Flasche Riesling aus dem Regal. Besonders beliebt sei er aber nicht. «Das hat nichts mit der Qualität zu tun, aber die französischen haben einfach ein besseres Image in China», erklärt sie.

China steigt weltweit zu einem der wichtigsten Weinmärkte auf, wie die Agentur International Wine and Spirit Research aus London berichtet. Künftig soll China zudem der am schnellsten wachsende Markt bleiben. Den Durst nach Wein löschen allerdings zum größten Teil chinesische Produzenten. Nur 40 Prozent des auf jährlich 40 Milliarden US-Dollar (30,1 Milliarden Euro) geschätzten Marktes machten die importieren Marken aus, sagt Deng Yutian. «Aber im obersten Marktsegment liegt der Anteil bei 90 Prozent», schätzt er.

«In China trinkt man gerne Rotwein, denn rot ist dort die Farbe des Glücks. Außerdem trinken die Chinesen alles, war rar und exklusiv ist - auch der deutsche Eiswein ist dort sehr geschätzt», sagt Büscher. Die Weißweine passten gut zur asiatischen Küche und seien immer mehr im Kommen. «Grundsätzlich gilt: In China und in anderen Auslandsmärkten ist Riesling das Synonym für deutschen Weißwein - und über die Hälfte des weltweit angebauten Rieslings stammt aus Deutschland.»

Die deutschen Winzer erlösten in China durchschnittlich 3,90 Euro pro Liter - deutlich mehr als der exportübliche Durchschnittspreis von 2,46 Euro, sagt der Weinexperte. In Deutschland kostet ein Wein beim Winzer oder im Fachhandel durchschnittlich 6,24 Euro pro Liter und 3,04 Euro im übrigen Lebensmittelhandel, wo die Deutschen rund drei Viertel ihrer Weine einkaufen.

Doch der lukrative Markt für die europäischen Winzer ist in großer Gefahr. Chinas Handelsministerium hat ein Anti-Dumping-Verfahren gegen die Weine aus der EU eingeleitet. «Derzeit ist der Zoll bei etwa 47 Prozent», sagt Deng. Strafzölle könnten das Aus für die edlen Tropfen bedeuten. Die Aufschläge könnten auf 70 Prozent steigen, das werde die Weine viel zu teuer werden lassen, schätzt der Experte.

Auch Büscher ist sicher: «Wenn es zu den Strafzöllen käme, wird sich das sicher negativ auf den Export auswirken.» Erst müssten aber die Verhandlungen zwischen der EU und Peking abgewartet werden. «Zur Zeit gilt noch: Abwarten und Wein trinken.» dpa