Sächsische Weinstraße Genießen wie August der Starke

Von Michael Juhran

Im winterlichen Nebel zeichnen sich langsam die Konturen von Schloss Moritzburg ab. Es überrascht, wie viele Besucher sich trotz des nasskalten Wetters für eine Wanderung vom Bahnhof der nostalgisch dampfenden Lößnitzgrundbahn bis zum Schloss entschieden haben. Doch die Magie des Ortes erklärt sich schnell, denn noch bis Ende Februar geht es hier wahrlich märchenhaft zu: Am Drehort des Kultstreifens «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» lebt die königliche Filmfamilie in einer Ausstellung wieder auf, die in wechselndem Gewand seit Jahren Jung und Alt aufs Neue begeistert.

Sächsische Weinstraße Schloss Wackerbarth

Im Schloss passiert man eine mit kostbarem Porzellan gedeckte Tafel. An dieser feierte der einstige Besitzer des beeindruckenden Gebäudes mit dem Adel Europas prunkvolle Feste. «Hier ließ August der Starke die Gourmetkultur in Sachsen aufleben und wusste sich bestens bei Gelagen, Wildhetzen oder bei einer Seeschlacht im Schlossteich in Szene zu setzen», erzählt Touristenführer René Kreher.

Selbstredend kamen nur erlesene Speisen auf die Tafel, die seine Durchlaucht gern mit einem Fasan krönen ließ. Auch Kreher ist ein Fasanenfreund, doch im Unterschied zu seinem blaublütigen Geistesverwandten zieht er seine Gold-, Silber- und Diamantfasane selbst auf. Gleich neben dem vom Kürfürsten angelegten Wildgehege lässt er nach altem Vorbild wieder Wildfasane im einst königlichen Boden scharren. Die Tiere landen irgendwann auf den Tellern von Gourmetfreunden in der benachbarten «Waldschänke». Dort lässt sich der Besuch des Schlosses auch heute noch genussvoll abschließen.

Der Genuss damals war nicht perfekt, wenn neben Speis und Trank nicht das feinste Tafelservice den Augen schmeichelte. Der Kurfürst gehörte zu den eifrigsten Sammlern ostasiatischen Porzellans. Als ihm das Team um den Alchemisten Johann Friedrich Böttger im Jahr 1710 in der Albrechtsburg Meißen eine eigene Porzellanmanufaktur einrichtete, kannte seine Begeisterung kaum Grenzen.

Heute kann man in den Schauräumen den Porzellankünstlern zusehen, die aus einer zähen Masse das weiße Gold formen, filigran bemalen und bei 1450 Grad Celsius brennen. Und zum krönenden Abschluss wartet im Restaurant der Manufaktur ein köstliches Drei-Gänge-Menü, das auch seiner Hoheit gemundet hätte. Dazu passt ein hervorragender sächsischer Wein. Oder man entscheidet sich für ein Edelbier der Brauerei Schwerter Meißen.

Man sagt dem sächsischen Herrscher nach, dass Bacchus, Gott des Weines, zu seinen Stammgästen gehörte. Bis zu acht Liter ließ Friedrich August I. manchmal durch die königliche Kehle rinnen. Seine besondere Sorge um die Weingüter zwischen Pirna und Diesbar-Seußlitz war also nicht ganz selbstlos. Die königlichen Weinhänge am Goldenen Wagen in Radebeul sind noch immer eine der Top-Lagen der jetzt unter der Marke Sächsische Weinstraße vereinten Winzer, Gastronomie- und Hotelbetriebe. Sie feiern 2017 ihr 25-jähriges Bestehen.

Lutz Gerhard hat nur wenige hundert Meter entfernt ein Hektar Weingelände von seinem Vater geerbt und ist wie 80 Prozent der sächsischen Weinbauern ein Hobbywinzer. Aus sieben Rebsorten lässt er Weine entstehen und öffnet sein Grundstück nebst drei Ferienwohnungen für Besucher, Hochzeiten, Familien- und Firmenfeiern. «Es ist herrlich, in freier Natur zu arbeiten», schwärmt Gerhard.

Nur einen Steinwurf entfernt vereint Professor Doktor Rainer Beck den Wein- mit dem Kunstgenuss und adaptiert auf seine Weise das Motto August des Starken, «mit allen Sinnen zu genießen». Sein Weingut Drei Herren besteht aus sechs Hektar Rebflächen. Dazwischen schlängelt sich ein Kunstwanderweg den steilen Hermannsberg bis zur Steinernen Schnecke hinauf, er führt an zwölf Plastiken vorbei. Im Inneren des Hauses geht eine Kunstgalerie mit Werken von Gerald Zschorsch und Neo Rauch nahezu nahtlos in einen Weinkeller über. Als Dekan für Bildende Künste weiß der Professor, worauf es bei Kunst und Wein ankommt: «Es braucht Zeit für Entwicklung und Reife.»

Sächsische Weinstraße Schloss Wackerbarth

Um zur Geburtsstätte des sächsischen Sektes zu gelangen, muss man vom Goldenen Wagen in Richtung Meißen fahren. Nach wenigen Kilometern taucht auf der rechten Elbhangseite das Schloss Wackerbarth auf, das die Nachfolge der Sektkellerei Bussard antrat. Vor 180 Jahren schlug hier die Geburtsstunde des sächsischen Schaumweines. Mit mehr als 100 Hektar Rebfläche gehört Wackerbarth heute zu den drei größten Weingütern der Sächsischen Weinstraße. Verglichen mit anderen Weinregionen nicht gerade riesig, aber mit einer großen Geschichte.

Welch friedensstiftende Wirkung von einigen Gläschen sächsischen Weines ausgehen kann, weiß Martin Junge vom Sächsischen Staatsweingut zu berichten. Er führt seine Gäste zum Nachbau eines mit Intarsien verzierten runden Tisches, an dem August der Starke und König Friedrich Wilhelm I. von Preußen 1728/29 die «Vereinigung wider die Nüchternheit» gründeten. Fortan herrschte Frieden zwischen Sachsen und Preußen - jedenfalls bis zum Zweiten Schlesischen Krieg. dpa

Sächsische Weinstraße

Anreise: Mit der Deutschen Bahn bis Radebeul, von dort weiter mit der Lößnitzgrundbahn bis Moritzburg.

Übernachtung: Von der Ferienwohnung bis zum Luxushotel gibt es an der Weinstraße Unterkünfte aller Preisklassen. Von April bis Oktober kann man in fünf der ehemaligen Wach- und Gondelhäuschen rund um Schloss Moritzburg übernachten (zwei Nächte für 190 Euro).

Informationen: Tourismusverband Sächsisches Elbland, Fabrikstraße 16, 1662 Meißen (Tel.: 03521/763520, www.elbland.de).