Scout auf der Aida Blu Arbeiten auf dem Kreuzfahrtschiff

Von Michael Zehender

Erste Lektion: Arbeiten auf dem Kreuzfahrtschiff bedeutet früh aufstehen. Um 6.30 Uhr klingelt der Wecker. Fast das ganze Schiff schläft noch, als ich mich wenig später auf den Weg ins Restaurant zum Frühstück mache. Lohn für das frühe Aufstehen: der tolle Blick auf das erwachende Madeira mit seiner Hauptstadt Funchal. Auf der portugiesischen Atlantikinsel schlüpfe ich für einen Tag in die Rolle des Ausflugsscouts - um einen Eindruck davon zu bekommen, wie es sich anfühlt, an Bord eines Kreuzfahrtschiffes zu arbeiten.

Dienstbeginn: 8.00 Uhr. Kerstin wartet schon im Büro der Ausflugsabteilung auf Deck 5 der «Aida Blu». Mit ihr stehe ich heute im Dienstplan als Scout für den Ausflug «MAD03 - Malerische Aussichten». 148 Passagiere haben sich für diesen viereinhalbstündigen Trip entschieden.

Im Büro gibt es ein erstes kurzes Briefing: Welche Besonderheiten gibt es auf der Tour? Sind irgendwelche Probleme zu erwarten? Auf was müssen die Scouts besonders achten? Wichtigstes Utensil neben dem Erste-Hilfe-Set: eine blaue Mappe mit dem Aufdruck der Ausflugsnummer. Darin befinden sich eine Liste der Teilnehmer und eine genaue Checkliste für die Scouts. Ausgestattet mit einem roten Aida-T-Shirt und einem Anstecker, der mich als Hilfsscout ausweist, geht es in die «Aida Bar», den Treffpunkt für die 148 Teilnehmer.

Die wichtigste Aufgabe der Scouts dort: alle abhaken. «7140 - zwei Personen», «5238 - drei Personen» - das Ganze mehr als 100 Mal. Für 8.45 Uhr ist eigentlich die Abfahrt angesetzt, doch zehn Personen fehlen. Kerstin schnappt sich ein Mikrofon und fragt in die Runde, ob sich jemand noch nicht angemeldet hat. Dann geht es ans Telefon, um in den Kabinen anzurufen. «Wir haben uns beim Frühstück verspätet», lautet eine Entschuldigung.

Ein Passagier bleibt verschollen - ewig warten ist nicht möglich. Wie sich später herausstellt, hat er ganz kurzfristig auf einen anderen Ausflug umgebucht. Nun folgt die anstrengendste Aufgabe des Morgens: Mit 147 Personen durch das halbe Schiff zum Ausgang und dann zu den Bussen. «Immer schön das Schild mit der Nummer hochhalten», gibt Kerstin mir den Rat, schließlich sind in den Treppenhäusern auch andere Passagiere unterwegs.

In den Bussen übernehmen die örtlichen Reiseleiter das Kommando. Wir suchen uns in der letzten Reihe einen Platz. Zweite Lektion: Der Job als Scout bedeutet viel Papierkram. Minutengenau muss ich protokollieren, wann wir abfahren, wann wir an den einzelnen Stopps ankommen, ob die Fahrtzeit mit dem Programm übereinstimmt. Auch der Bus wird unter die Lupe genommen. Als die Passagiere am ersten Stopp aussteigen, gehen Kerstin und ich durch die Reihen: Sind die Sitze in Ordnung? Funktioniert die Lüftung? Da die Ausflüge jeweils von Agenturen vor Ort angeboten werden und nicht von der Reederei selbst, ist immer wieder ein Check nötig.

Lektion drei: Was fragen Touristen bei den Stopps garantiert als erstes? Richtig! Keine Minute dauert es am ersten Stopp: «Wo ist denn hier die Toilette?» Kerstin weiß von einer früheren Tour Bescheid und gibt freundlich Auskunft. Der Ausblick vom Eiro de Serrado ist traumhaft, doch viel sieht man davon als Scout nicht.

Es gibt Wichtigeres zu erledigen: Stufen zählen. Das ist keineswegs ein Beschäftigungsprogramm der Reederei für die Scouts. Die Zahl der Stufen ist wichtig, da immer wieder auch Rollstuhlfahrer mit auf die Ausflüge gehen wollen. Und da müssen die Scouts bei der Buchung genau Auskunft geben können, welcher Ausflug sich für wen eignet. Am Eiro de Serrado sind beispielsweise 110 Stufen zu überwinden - für Rollstuhlfahrer nicht machbar. Doch schon von einem barrierefrei erreichbaren Punkt in der Nähe des Parkplatzes hat man eine schöne Aussicht. Wir notieren die Informationen in der Checkliste. An Bord werden sie später in eine Datenbank übertragen.

Weitere wichtige Aufgabe: Fotos machen. Denn Lektion vier: Urlauber wollen sich gerne zu Hause Freunden und Nachbarn vor allen möglichen Sehenswürdigkeiten präsentieren können. Und so bieten wir uns immer wieder als Fotografen an - Pärchen vor dem Abgrund, Familien vor dem Abgrund, Einzelreisende vor dem Abgrund.

Kurz vor der Weiterfahrt - genau 40 Minuten Aufenthalt sind im Programm eingetragen - gibt es ein kleines Problem. Einer Frau, die ganz hinten im Bus saß, ist es in den engen Serpentinen schlecht geworden. Sie fragt, ob sie weiter vorne sitzen kann. «Ich war gestern etwas seekrank, so ganz hab ich das offenbar noch nicht verdaut», entschuldigt sie sich. Kerstin und ich sprechen mit den Gästen in den vorderen Reihen des Busses - schließlich ist eine Lösung gefunden und die Frau überglücklich.

Lektion fünf: Auf keinen Fall jemand vergessen! Deshalb: durchzählen. Nach jedem Stopp einmal von vorne nach hinten durch den Bus. 1, 2, 3, ... 47 - alle da, es kann losgehen. Am letzten Stopp nach der Poncha-Probe im Fischerdorf Camara de Lobos - für die Scouts gibt es aufgrund der Null-Promille-Grenze nur Saft - fehlt tatsächlich ein Pärchen. Kerstin spurtet in den Ort zurück, der zum Glück nur wenige Straßen hat. Wenig später kommt sie mit den beiden zurück. Sie hatten sich mit der Abfahrtszeit vertan.

Kerstin ist direkt nach dem Studium aufs Schiff gegangen. «Ich war vorher noch nie auf einer Kreuzfahrt», erzählt sie. Seit fünf Monaten ist sie jetzt an Bord der «Aida Blu», bald hat sie ihren ersten Urlaub. Danach will sie wieder zurückkommen. Ihre Zukunft sieht sie «eindeutig in der Kreuzfahrt». Ob als Scout oder in einer anderen Position, weiß sie noch nicht genau. Auf den Ozeanriesen gibt es ja auch unzählige andere Jobs.

Um 13.30 Uhr sind die drei Busse wieder am Schiff. Während die Gäste zum Mittagessen gehen oder sich auf der Kabine frisch machen, gibt es für die Scouts eine Nachbesprechung im Büro. Damit ist der Arbeitstag aber noch lange nicht vorbei. Am Nachmittag steht noch die Ausflugspräsentation für den nächsten Hafen auf dem Programm, danach Ticketverkauf und am Abend Hilfe in anderen Bereichen des Schiffes, zum Beispiel als Einweiserin im Theater. Lektion sechs: Arbeiten auf dem Kreuzfahrtschiff bedeutet, spät ins Bett zu gehen. dpa