Über den Olivenöl-Betrug

Mit dem Aufmacher der aktuellen Ausgabe des "Stern" zum Olivenöl-Betrug wird im Heft auf neun Seiten die daraus folgende Misere des Olivenöls beschrieben. Anlass des Artikels ist der beginnende Prozess gegen eine Firma nahe Sienna in Italien, die im großen Stil über Jahre Olivenöl verfälscht hatte und damit wohl überwiegend die Supermärkte und Discounter nördlich der Alpen, insbesondere der in Deutschland, belieferte. Der Artikel gibt weitestgehend die Positionen zum Olivenöl wieder, mit denen wir schon immer arbeiten, über den Betrug aufklären und mit echten Olivenölen von und mit Oliviers in Griechenland, Spanien und Italien die Alternativen aufzeigen.

Beim Lesen des "Stern" kam mir dann sogleich der Artikel in der Sonntagsausgabe der Welt aus dem Frühjahr 1996 in Erinnerung, ohne den es arteFakt gar nicht geben würde. Er hatte mich seinerzeit überhaupt erst auf Olivenöl aufmerksam gemacht und sogleich motiviert das Thema durch eingehende Recherche aufzugreifen. Schon bald wurde mir dabei klar, dass es eines völlig neuen Ansatzes bedurfte, um dem Betrug etwas entgegen setzen zu können. "Olivenöl neu erfinden, Ölwechsel und eine Erzeuger-Verbraucher-Konzeption" waren dann wenig später die Gründungsmaxime für die "arteFakt Olivenölkampagne" mit einem ersten Olivenöl, damals aus Ligurien, das ich selbstbewusst "Das Olivenöl" nannte.

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Dieser Artikel in der Welt am Sonntag war 1996 Auslöser für die Gründung von arteFakt

Hier liegen wohl auch die einzigen Schwächen in dem jetzigen Artikel des "Stern", dass in ihm die Erzeuger bzw. Olivenanbauer so gut wie gar nicht vorkommen. Auf tragische Weise sind sie ja auch an der schlechten Qualität beteiligt, weil sie für Ihre Oliven nur einen Entlohnung weit unterhalb ihrer wirklichen Produktionskosten erhalten und damit keine Chance der Entwicklung haben. Der Hinweis in dem Artikel, dass sich gutes Olivenöl wie beim Wein am Besten direkt beim Erzeuger erwerben lässt, kann beim Olivenöl nicht gelten. Die Olivenanbauer sind in sehr seltenen Fällen auch die Erzeuger des Olivenöls. Sie bringen ihre Oliven zu einer Ölmühle, in der sie nichts zu sagen haben. Eine Ausbildung zum Olivenmüller gibt es so wenig wie es sie für die Olivenanbauer gibt. Die Qualität der Olivenöle ist daher bereits im Ursprung in den seltensten Fällen ein Natives Olivenöl Extra. Es ist ja nicht so, dass die beschriebene Panscherfirma das Olivenöl schlecht gemacht hätte, sondern im Artikel wird gut beschrieben, wie sie diese angelieferte schlechte Qualität durch Panschen etwas aufhübschen und dann zur Auslese deklarieren.

Ein echtes Natives Olivenöl Extra kann daher nur von ausgebildeten Erzeugern mit entsprechendem Zugang zur gesamten Prozesskette der Herstellung erreicht werden und einem Marktzugang mit fairen Erzeugerpreisen. Wie mühsam, dann aber erfolgreich das ist, wissen Sie als arteFakt-Freunde, Sie können das mit verfolgen und gestalten es auch mit.

Für völlig verfehlt halte ich die Schlussbemerkung des Artikels, in dem ein echtes Natives Olivenöl Extra mit einem Porsche verglichen wird, den man auch nicht zu einem Billigpreis kaufen kann. In der daraus abzuleitenden Schlussfolgerung bedeutet es, dass sich das eben auch nicht jeder leisten kann. Ein korrektes und ehrliches Lebensmittel kann und darf kein Luxusgut wie ein Porsche für nur wenige Betuchte sein.

Olivenöl ist eines der gesündesten Grundnahrungsmittel und das Problem ist nicht einen dafür adäquaten Preis am Markt zu formulieren, sondern der Betrug und die Täuschung diese Qualität auch für wenige Cent erreichen zu können, obwohl es eigentlich nur "Dreck" ist. Auf drei Milliarden Euro jährlich werden die Extragewinne aus dem Olivenölbetrug, auch bei diesen geringen Preisen geschätzt, was den doppelten Betrug ausmacht, nicht nur die Qualität stimmt nicht, sondern der Preis dafür ist auch noch überhöht.

Nun haben sie einen der größeren Betrüger erwischt, verändert hat das nichts. Von Olivenöl-Rückrufaktionen der Supermärkte, wie man das von Autofirmen her kennt, ist nichts bekannt. Die Preise für Natives Olivenöl Extra sind in diesem Jahr in den Discountern sogar nochmal gesenkt worden, obwohl es im letzen Winter in allen Regionen eine schlechte Ernte gab, bis hin zu ihrem Totalausfall auf Kreta und einigen Gegenden des Peloponnes. Bei drei Milliarden Euro Extragewinnen im Jahr darf man getrost davon ausgehen, es mit einem gut vernetzen Interessenkartell zu tun zu haben. So weit reicht die Recherche des "Stern" leider nicht.

Im März 2011 kritisierte Slow Food Deutschland e.V. die Änderung der "EU-Olivenölverordnung in einer Pressemitteilung wie folgt:

Ab dem 1. April 2011 erlaubt eine neue EU-Verordnung (61/2011) den Verkauf von sogenannten desodorierten Olivenölen unter der Gütebezeichnung "nativ extra" bzw. "extravergine". Damit sind der Verbrauchertäuschung Tür und Tor geöffnet. Eine Stellungnahme von Slow Food International.

Die neue EU-Verordnung 61/2011 genehmigt den Verkauf von Olivenöl unter der Gütebezeichnung "nativ extra" (Extra vergine), die einen Höchstgehalt an Alkylestern von 150 mg/kg aufweisen. Letztere sind chemische Verbindungen, die sich durch Veresterung von freien Fettsäuren mit niedermolekularen Alkoholen bilden und vor allem in minderwertigen Produkten aufgrund fehlerhafter Herstellungstechniken oder schlechter Fruchtqualität anzutreffen sind. Mit dem neuen Grenzwert von 150mg/kg öffnet die Verordnung jetzt den europäischen Markt für Ölmischungen zweifelhafter Qualität. Zum Vergleich: Ein Öl aus unversehrten Oliven, die gleich nach der Ernte gepresst werden, enthält maximal 10 bis 15 mg/kg, im Ausnahmefall bis zu 30 mg/kg Alkylester.

Der Grenzwert von 150 mg/kg, der nun von der europäischen Verordnung festgelegt wird, ist nicht repräsentativ für ein natives Olivenöl extra aus hochwertigen Oliven. Insbesondere ermöglicht er es den Produzenten, natives Olivenöl extra mit einem Produkt geringerer Qualität zu mischen, wie etwa desodoriertem Öl mit hohen Alkylesterwerten.

"Nur minderwertige Öle müssen desodoriert werden", erläutert Carlo Petrini, internationaler Präsident von Slow Food. "Es ist nicht akzeptabel, dass ein chemisches Verfahren, das bisher für natives Olivenöl extra verboten war, erlaubt wird, nur damit ein gepanschtes Produkt auf dem Markt gelangen kann, ohne dass der Verbraucher es am Etikett erkennt."

Ausdrücklich warnt Petrini auch vor den Folgen für die Olivenöl-Erzeuger. "Dieses Gesetz geht genau in die entgegengesetzte Richtung, die der EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos mit der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik der EU einzuschlagen schien.

Man kann Qualität nicht schützen, indem man die ehrlichen Erzeuger von nativem Olivenöl schädigt, die sich in dieser Zeit ohnehin in großen Schwierigkeiten befinden. Wenn ein Öl desodoriert ist, muss dies mindestens auf dem Etikett angegeben sein, nur so kann das Recht der Verbraucher auf Information und Gesundheit gewahrt bleiben." (Quelle: Slow Food)

Conrad Bölicke
arteFakt-Olivenölkampagne
www.artefakt.eu