Über den Tellerrand Wie schmeckt eigentlich syrisch?

Von Caroline Bock

Mudar Alscheich (30) und Gerrit Kürschner (25) sehen mit ihren Vollbärten fast aus wie Brüder. «Finde den Syrer», sagt Kürschner lachend, als die Kamera klickt. Die beiden jungen Männer kennen sich vom Berliner Projekt «Über den Tellerrand kochen». Die Idee: Flüchtlinge und Deutsche stehen zusammen am Herd. Zwei Kochbücher sind so entstanden, mit Geschichten der Geflüchteten und Rezepten, vom Hühnchen-Curry aus Pakistan bis zum Schoko-Mandel-Kuchen aus Mazedonien.

Essen verbindet. In Hamburg laden Einheimische Ausländer zum Welcome Dinner in ihre Wohnungen ein, in Dresden gibt es Kitchen-Talks. «Über den Tellerrand kochen» organisiert Kochkurse, Theater oder gemeinsames Gärtnern. Der Verein zieht bald in eigene Räume. Im November wird er beim Gastronomiepreis Berliner Meisterköche als Innovation ausgezeichnet.

Das Sozialprojekt von Studenten kommt aus der Zeit, als ehrenamtliche Hilfe noch nicht boomte. Afrikanische Flüchtlinge hatten 2012/2013 am Kreuzberger Oranienplatz ihr Camp aufgeschlagen. In Berlin war das für viele ein abstraktes Thema aus der Zeitung. «Wir haben uns die Frage gestellt, wer sind eigentlich die Menschen, die hier herkommen?», erklärt Gerrit Kürschner. «Und: wie komme ich in Kontakt?» So entstand die Idee zum gemeinsamen Kochen.

Beim Weg zum Oranienplatz war Kürschner noch unsicher. Dann brutzelte er fünf Stunden lang mit Hassan aus Ghana an einem Eintopf aus Fisch und Ziege. Das Essen schmeckte, am Ende standen zehn Leute ringsum, «ein wunderschöner Moment» sei das gewesen. Um diesen «Spirit» geht es immer noch. Es soll eine Begegnung auf Augenhöhe sein. Egal, ob ägyptisch gekocht wird oder die Gruppe in Brandenburg zusammen Äpfel pflücken geht und Apfelmus macht.

Derzeit kann sich das Team vor Anfragen kaum retten. Die «Washington Post» fand die Berliner Aktion «inspirierend». Manche lästern angesichts der vielen Helfer, sich Engagieren sei nur eine Sinnsuche, so etwas wie das neue Yoga. Kürschner sagt: «Die Motivation ist eigentlich egal.» Er hat ein Gefühl bekommen, was man in der Gesellschaft bewegen kann. So unzynisch, so einfach. Sein Lieblingsessen bislang? Dambou, ein Eintopf von Mouhamed aus Niger.

Der Syrer Mudar Alscheich gehört zu den Flüchtlingen, die in Gruppen-Workshops Drei-Gänge-Menüs kochen. In einer Charlottenburger Showküche macht er für den Besuch Kibbeh: raffiniert gewürzte, frittierte Fleischklöße mit Granatäpfeln, Bulgur und Nüssen. Für den Arabisch-Lehrer ist das ein Stück Heimat. Vor anderthalb Jahren ist er aus Aleppo nach Deutschland geflüchtet, seit einigen Monaten ist er in Berlin. «Es ist eine schöne Stadt, und die Bewohner hier sind ganz freundlich», sagt er.

Das Kochen gelernt hat Alscheich von seiner Mutter. Die Workshops machen ihm Spaß. Nebenbei kann er sein Deutsch aufbessern. Der Bürgerkrieg? Er hofft, aber glaubt nicht, dass dieser bald vorbei ist. Alscheich vermisst seine Heimat: «Die Straßen, die Leute, die Erde, die Luft.»

Die syrische Küche sei vielfältig, ähnlich wie die libanesische, erklärt er, bevor er die Küchenmaschine mit der Teigmasse fast zum Qualmen bringt. Im Kochbuch gibt es Rezepte für Sambusak, gefüllte Teigtaschen, und Mojedera, einen Linsen-Bulgur-Mix. Alscheich kocht beispielsweise gerne Mahshi, gefüllte Zucchini oder Auberginen. Bislang kennen die meisten Deutschen aus Nahost höchstens Falafel und Hummus, den Brei aus Kichererbsen. Das könnte sich mit den vielen zugezogenen Syrern ändern. Alscheich würde gerne einmal ein Restaurant eröffnen. dpa