Ukraine Krim-Sekt gerät zwischen die Fronten

Von Ulf Mauder

Mit der alten Flasche und der deutschen Aufschrift «Krimsekt» will sich Lina Domatijewskaja lieber nicht fotografieren lassen. «Es ist lange her, dass Krim-Sekt von unserer Halbinsel kam», sagt die Managerin in der Kellerei «Nowy Swet», die so heißt wie der Ort an der Schwarzmeerküste. Der Schaumwein für die Deutschen werde schon seit vielen Jahren in Artemiwsk in der Ostukraine hergestellt. Dort stehen sich Militär und prorussische Separatisten in einem blutigen Konflikt gegenüber.

Von der Krim erhielt die Kellerei in Artemiwsk zumindest noch einen Teil der Trauben für den Sekt. Doch auch das ist nun vorbei. Die Ukraine hat die vom Weinbau und von Touristen lebende Krim an Russland verloren. Ein Jahr ist es her, dass sich das Riesenreich die Halbinsel und damit klangvolle Weingüter wie «Nowy Swet» und «Massandra» einverleibte. Für den ukrainischen Weinbau ein gewaltiger Verlust.

Etwa die Hälfte der in der Ukraine verkauften Weine kam einst von der Krim. Das war vor der als Völkerrechtsbruch kritisierten Annexion durch Russland, auf die die Ukraine mit einer Wirtschaftsblockade reagierte. Zwar sind die Weinmarken weiter im ukrainischen Patentamt registriert. Doch auch Russland hat die Namen nun geschützt und besteht darauf, dass es echte Krim-Produkte nur noch mit eben jener Herkunftsbezeichnung gibt.

Die vor mehr als 130 Jahren gegründete Kellerei «Nowy Swet» ist inzwischen bei der russischen Präsidialverwaltung angesiedelt. «Natürlich sind die Gesetze, die Genehmigungsverfahren jetzt andere, aber wir haben den Übergang ohne Produktionsstopp gemeistert», sagt Kellerei-Sprecherin Domatijewskaja. Dass es den ukrainischen Markt nicht mehr gibt für die Edelmarke, fällt offenbar kaum ins Gewicht - in Anbetracht des gewaltigen Konsums in Russland. Mit 1,6 Millionen Flaschen gilt die Produktion zudem als vergleichsweise gering.

Bei «Nowy Swet», gelegen in einer Bucht mit vielen Rebanlagen, habe keiner der rund 220 Mitarbeiter die Krim verlassen nach dem Beitritt zu Russland, sagt die stellvertretende Verkaufschefin. Die Löhne seien um 25 Prozent gestiegen. Trotz der Umbrüche vor einem Jahr und einem zeitweiligen Absatzeinbruch habe das Unternehmen wieder Plus gemacht.

Domatijewskaja räumt aber auch ein, dass die Umstellung auf neue Rechtsvorschriften umständlich gewesen sei. Die zu ukrainischen Zeiten angeschafften technischen Anlagen der Kellereien können nun nur noch von Russland aus gewartet und erneuert werden. Und auch bei der Logistik hapert es.

Da die Halbinsel durch die Grenze praktisch abgeschnitten ist vom ukrainischen Festland, geht jetzt der Verkehr per Luft oder über die Fähre von Kertsch nach Russland. Die Krimbewohner hoffen deshalb auf die geplante Kertsch-Brücke, eine Landverbindung nach Russland, die 2018, 2019 stehen soll. Für die 19 Kilometer lange Auto- und Eisenbahnbrücke sind 228,3 Milliarden Rubel (3,48 Mrd Euro) veranschlagt.

Doch «Nowy Swet», bekannt für ihre feinperligen nach der Champagner-Methode hergestellten Weine, hat schon schwierige Zeiten durchgemacht. Nach der Oktoberrevolution von 1917 brachten die Bolschewiken zunächst Chaos. Während des Zweiten Weltkriegs belagerten die Faschisten den Kurort Nowy Swet. Und auch die sowjetische Anti-Alkohol-Kampagne unter dem früheren Kremlchef Michael Gorbatschow vor 30 Jahren überstand das Unternehmen.

60 Jahre, nachdem der damalige Kremlchef Nikita Chruschtschow die Halbinsel an die Ukraine verschenkt hatte, ist hier alles wieder russisch. Was sich geändert hat seit dem Beitritt zu Russland? «Wir haben vorher an internationalen Wettbewerben, Ausstellungen teilgenommen. Bei der Grünen Woche in Berlin waren wir. Das ist jetzt vorbei», sagt die Önologin Natalia Kolgigina in einem der viele Kilometer langen unterirdischen Weinkeller.

Die Weinfachfrau zeigt stolz auf die vielen internationalen Auszeichnungen. Noch zu Zeiten von Fürst Lew Golizyn, der das Gut Nowy Swet 1878 gründete, habe der Champus auf der Weltausstellung in Paris (1900) den Grand Prix bekommen. Heute besinnt sich «Nowy Swet» wieder verstärkt auf vorrevolutionäre Zeiten, als auf der Krim die Zarenfamilie Romanow noch das Sagen hatte.

Im Keller zeigt Kolgigina die ersten Flaschen mit dem von Olga Romanowa per Urkunde abgesegneten «Krönungssekt». In ein paar Jahren soll er auf den Markt kommen. Das Dokument zeigt auch, dass Olga Romanowa als Stammhalterin der früheren Zarenfamilie im September 2013 die Kellerei besuchte. Damals gehörte der Staatsbetrieb noch zur Ukraine. dpa