Verbraucherschutz Die neuen Kennzeichnungsregeln für Lebensmittel

Von Sascha Meyer und Martina Herzog

Neue Regeln für die Kennzeichnung von Lebensmitteln stoßen bei Verbraucherschützern und der Ernährungsbranche auf Kritik. Am 13. Dezember treten strengere EU-weite Vorschriften in Kraft, die Kunden besser vor Täuschungen schützen sollen.

Dazu gehören konkrete Vorgaben für Mindestschriftgrößen und eine deutlichere Hervorhebung allergieauslösender Zutaten wie Nüsse oder Soja. Direkt neben dem Produktnamen muss künftig angegeben werden, wenn ein Produkt Imitate wie zum Beispiel Pflanzenfett anstelle von Käse als Pizzabelag enthält. Vorgeschrieben werden auch Aufdrucke «aus Fleischstücken zusammengefügt».

Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte, die neuen Regeln brächten zu wenig Transparenz. «Die Lebensmittelindustrie hat sich in Brüssel die Lizenz zum Weiterschummeln besorgt», sagte Expertin Lena Blanken. Aufschriften blieben für viele kaum lesbar. Kunden würden bei den meisten Lebensmitteln auch weiterhin nicht über die Herkunft der wichtigsten Zutaten informiert.

Die Dachorganisation «Die Lebensmittelwirtschaft» warnte vor einem hohen Aufwand gerade für kleinere Unternehmen, bis 2016 zusätzliche Informationen für die Verbraucher bereitzustellen. Dies gefährde Handwerker und Dienstleister wie Restaurants, Bäcker oder Caterer, aber auch den Online-Handel mit Lebensmitteln, sagte Geschäftsführer Stephan Becker-Sonnenschein.

Was interessiert Kunden auf der Packung?

Groß ist die Neugierde auf den Packungsaufdruck in der Regel bei Produkten, die nicht jedes Mal in den Einkaufswagen kommen. Am wichtigsten sind den Bundesbürgern dabei Angaben zu Zutaten, Tierschutz, regionaler Herkunft und gentechnikfreier Produktion, wie eine Umfrage des Ernährungsministeriums ergab. Auch auf die Kalorienzahl und eine gesundheitliche Wirkung kommt es vielen an. Zu Hause liest laut einer Umfrage der Lebensmittelwirtschaft dann kaum noch jemand etwas nach. Besonders hoch ist das Interesse nach Lebensmittelskandalen.

Was gilt künftig für die Gestaltung der Aufdrucke?

Erstmals gilt eine konkrete Vorgabe für eine Mindestschriftgröße. Bei Pflichtangaben wie den Zutaten und dem Mindesthaltbarkeitsdatum muss ein Buchstabe 1,2 Millimeter groß sein, auf kleineren Packungen noch mindestens 0,9 Millimeter. Das sei für viele Menschen aber immer noch kaum lesbar, kritisiert die Verbraucherorganisation Foodwatch und fordert 2 Millimeter wie in vielen Zeitungen und Zeitschriften. Auch für Schriftarten, Farben und Kontraste sollte es Vorschriften geben, argumentiert die Verbraucherzentrale Brandenburg.

Was soll sich für Allergiker verbessern?

Geschätzt zwei Millionen Lebensmittelallergiker in Deutschland sind besonders auf Informationen angewiesen. Sie sollen die 14 wichtigsten Auslöser wie Nüsse, Soja und Sellerie in der Zutatenliste leichter erkennen können - etwa fettgedruckt oder unterstrichen.

Auf kritische Bestandteile hingewiesen werden muss künftig auch bei unverpackter Ware. Die Bundesregierung hat dazu festgelegt, dass Bäcker, Metzger und Restaurants Kunden darüber auch mündlich informieren können. Eine schriftliche Dokumentation müssen sie aber parat halten. Dass sie nur auf Nachfrage zu zeigen ist, reicht den Verbraucherzentralen nicht.

Muss auch Kuchen für Kinderfeste gekennzeichnet werden?

Wenn Eltern für die Kita oder den Sportverein einen Salat machen oder Kuchen backen, greifen diese Allergie-Kennzeichnungsvorgaben nicht. Denn der «Verkauf von Lebensmitteln durch Privatpersonen» und der gelegentliche Umgang damit sind von den neuen Regeln ausdrücklich ausgenommen. Für Wohltätigkeitsveranstaltungen sowie «Märkte und Zusammenkünfte auf lokaler Ebene» gelten die Auflagen nicht, wie im EU-Gesetz steht. Sich vorher nach Allergikern zu erkundigen, sei aber ja trotzdem sinnvoll, empfiehlt Ernährungsminister Schmidt.

Sind Lebensmittel-Imitate leichter zu erkennen?

Bei manchen Produkten fühlen sich Verbraucher vom ersten Anblick getäuscht. Zum Beispiel, wenn auf einer Pizza gar kein Käse liegt, sondern ein Imitat aus Pflanzenfett. Solche Ersatzstoffe müssen nun direkt beim Produktnamen angegeben werden - also auf der Vorderseite der Packung und in Buchstaben, die höchstens ein Viertel kleiner sind als die des Namens. Auch wenn Putenbrustscheiben oder ein Fischfilet nur so scheinen, als handele es sich um ein gewachsenes Stück, muss künftig auf der Packung stehen: «aus Fleischstücken zusammengefügt» oder «aus Fischstücken zusammengefügt».

Wie geht es weiter?

Supermarktkunden sollten am Stichtag 13. Dezember nicht schlagartig eine neue Warenwelt erwarten, heißt es beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Bereits produzierte Packungen können noch abverkauft werden, manche Hersteller haben die Aufdrucke schon vorab umgestellt.

Weitere Neuregelungen folgen, zunächst für die Herkunft von Fleisch. Ab 1. April müssen auch bei unverarbeitetem Fleisch von Schwein, Schaf, Ziege und Geflügel die Orte der Aufzucht und der Schlachtung auf der Packung stehen wie bisher schon bei Rindfleisch. Ab 2016 wird dann eine Nährwerttabelle Pflicht - etwa zu Salz, Fett und Zucker. dpa