Wein und europäischer Geist Reise nach Perl und Schengen

Von Jörg Fischer

Vom Perler Hasenberg hat der Wanderer einen berauschenden Blick auf das breite Moseltal: Links das französische Apach, rechts das luxemburgische Schengen, und die Sicht geht weit darüber hinaus. An den Hängen stehen Weinreben in Reih und Glied. Denn selbst Weinliebhaber vergessen oft, dass die Reben auch am Oberlauf des Flusses prächtig gedeihen. "Die Mosel erstreckt sich auch in vielen Weinführern oft nur von Koblenz bis Trier", erklärt Winzer Thomas Schmitt, Weinbauer im saarländischen Perl.

Das Mosel-Tor gilt bei Individualtouristen als Geheimtipp. Denn das Dreiländereck hat Besonderes zu bieten: Die idyllischen Weinberge auf beiden Seiten des Stroms und die angrenzenden Wälder laden zum Wandern ein, Sehenswürdigkeiten gibt es auf allen Seiten der Grenzen in Hülle und Fülle. Und der Weißwein kann sich schmecken lassen.

Die etwa 10 Kilometer lange Region entlang der Obermosel ist klein. Die rund 130 Hektar Fläche auf deutscher Seite gehören zum Weinbaugebiet Mosel, genauso wie die Untere Saar in Rheinland-Pfalz. Wachsen dort vor allem der mineralische Riesling mit viel Fruchtsäure auf den Schieferböden, so sind es am Oberlauf die Burgundersorten, die auf den Muschelkalkböden besonders gut gedeihen.

In der Region ist Europa Alltag. Vor allem in Schengen ist das spürbar, im wohl berühmtesten Dorf in der EU. Drei rostig-braune Stahlstehlen mit Stern erinnern an der Uferpromenade an die Unterzeichnung des Schengen-Abkommens 1985, im Museum lässt sich die Geschichte des Abbaus der europäischen Binnengrenzen verfolgen. Und auf drei weiteren Stahlstehlen vor dem Gebäude bekommt jeder Schengen-Staat einen Stern. 26 sind es schon. Ihre Nationalsymbole - von Pinocchio über den Elch bis hin zum Islandpferd - sind in Bronze gegossen.

Der Europageist steckt auch im Wein. Denn ob auf deutscher, luxemburgischer oder französischer Seite - Klima und Boden sind gleich: "Das ist eine Region, es gibt keine großen Unterschiede im Geschmack", sagt Weinbauer Karl Petgen. Das Zusammenleben im Dreiländereck ist seit Wegfall der Grenzkontrollen einfach geworden. Luxemburger bewirtschaften Weinberge in Frankreich und Deutschland, Deutsche in Luxemburg, viele Erntehelfer kommen aus Lothringen.

Den Weinbau brachten die alten Römer an die Mosel und kultivierten den Elbling. Heute gehört das Moseltor zu den wenigen Gebieten in Deutschland, wo die ertragreiche Sorte noch in größeren Mengen angebaut wird. Das römische Erbe der Region kann man etwa in der schmucken Römischen Villa Borg erkunden, sich anschließend in der Taverne an Moretum, einer antiken Käsespeise, oder an dem Lammgericht Agnus Tarpeianus laben. Und in Perl-Nennig gibt es ein prächtiges römisches Mosaik zu bestaunen - das älteste, das jenseits der Alpen entdeckt wurde.

Der moderne Weinbau an der saarländischen Mosel ist erst wenige Jahrzehnte alt. Die Weingüter sind aus Bauernhöfen mit Kühen und Schafen entstanden. Gut ein halbes Dutzend Betriebe sind es, die Wein anbauen, keltern und vermarkten. "Ich habe erst in den 60er-Jahren ganz auf Wein gesetzt", berichtet Werner Schmitt. 1990 übergab der heute 78-Jährige den Betrieb an seinen Sohn Thomas. Dieser gilt als ein ehrgeiziger Perler Winzer. Er keltert neben den klassischen Trinkweinen eine Prädikatsserie. Im renommierten Weinführer "Gault-Millau" hat er eine Traube als Auszeichnung erhalten. Besonders stolz ist er auf die Auszeichnung seines 2012er-Jahrgangs als "besten Grauburgunder Deutschlands" durch das Deutsche Weininstitut.

In seinem in goldgelbes Licht getauchten Keller verrät Schmitt gern sein Geheimnis: "Die Qualität des Weins entsteht im Weinberg. Im Keller geht es eigentlich nur noch um kontrolliertes Nichtstun." Die Grundlage für seine edelsten Tropfen wird schon lange vor der Ernte gelegt: Bereits im Frühsommer schneiden Schmitt und seine Helfer noch unreife Trauben weg. Zwar sinkt der Ertrag, aber umso besser verspricht der Wein zu werden - wenn das Wetter mitspielt. Dann sind sowohl die Winzer glücklich als auch die Wanderer, die nach einem anstrengenden Tag einen Tropfen aus der Region verköstigen. dpa

Mosel - Von der Quelle zur Mündung - Eine Hommage an den Wein