Weltvegetariertag Veganer, Pescetarier und Co

Von Doreen Fiedler

Erst kam Buttermilch mit Minze und Koriander auf den Tisch, dann runde frittierte Teigbällchen mit Linsenfüllung, schließlich Aubergine und Bockshornklee, Okra mit Erdnüssen, Basmati-Reis und Fladenbrot. Indiens Regierungschef Narendra Modi ließ seinem Amtskollegen aus China, Xi Jinping, bei dessen Besuch jüngst 100 Spezialitäten auftischen. Sie alle hatten eines gemeinsam: Sie waren vegetarisch.

Denn Indiens Premierminister isst kein Fleisch, und das gilt auch für Millionen andere Menschen auf dem Subkontinent mit seinen 1,25 Milliarden Menschen. Etwa 40 Prozent der Inder beschreiben sich laut mehreren Umfragen als Vegetarier. Auch wenn diese Zahl langsam zurückgeht: Fleischesser werden noch immer «Nicht-Vegetarier» genannt. Laut UN-Angaben essen Inder im Schnitt nur rund 5,1 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr, so wenig wie sonst fast nirgendwo auf der Welt.

Die Vorbehalte gegen Fleisch sind bei vielen Indern - vor allem Hindus, Buddhisten und Jains - so groß, dass sich selbst Hamburger-Ketten beugen. McDonald's eröffnete in diesem Jahr ein vollkommen vegetarisches Restaurant in Amritsar vor dem Goldenen Tempel, denn Vertreter der Sikh-Religion erlaubten Fleischverzehr an ihrem heiligen Schrein nicht. Auch in der für Hindus wichtigen Stadt Kurukshetra mussten alle Fleischgerichte von Karte weichen.

Auch sonst wurden fast drei Viertel der angebotenen Speisen extra für Indien erfunden, und in den Küchen würden «vegetarische und nicht-vegetarische Produkte» völlig getrennt behandelt, erklärte das Unternehmen. Und selbst wenn es Fleisch sein soll, kommt nur Hühnchen infrage - davon können auch andere Fast-Food-Ketten wie Subway und Pizza Hut ein Lied singen. Gegen Schwein protestieren die Muslime, weil die Tiere laut Koran unrein sind, und gegen Rind die Hindus, weil Kühe für sie einen besonderen Platz einnehmen.

Selbst im Supermarkt müssen alle Produkte mit Fleisch-Zutaten einen braunen Punkt auf der Verpackung tragen, während vegetarische Produkte einen grünen Punkt bekommen. Dabei kennen Inder noch viel mehr Unterschiede: «Es gibt Eggitarians, die keine Eier essen, und Menschen, die Milchprodukte ablehnen. Andere essen nur Hühnchen, oder nur Fisch, und manche verzichten auf Zwiebeln und Knoblauch, weil er das die innere Ruhe, das Gleichgewicht der Gefühle stört», sagt Ernährungsberaterin Sheetal Bari.

Viele Nahrungs-Tabus ließen sich auf Glauben zurückführen, erklärt die Kulturhistorikerin Navina Java. Hindus, die etwa 80 Prozent der Bevölkerung Indiens ausmachen, glauben an Wiedergeburt. «Und um Fleisch zu bekommen, muss man ein anderes Lebewesen töten, richtig?» Auch der wohl bekannteste Inder, Unabhängigkeitskämpfer Mahatma Gandhi, war Vegetarier. Er meinte: «Wir sollten aufhören, unsere Mitgeschöpfe für unsere körperlichen Bedürfnisse zu töten». dpa

Amaranth bis Zatar: Das Veggie-ABC

Zwischen Glaubenskampf und Glaubensmampf: Die Vegetarier-Welle macht für viele Menschen Lebensmittel populärer, die früher keine Massenware gewesen sind. Quinoa oder Plattpfirsiche zum Beispiel waren vor ein paar Jahren noch nicht so in aller Munde wie heute. Zum Weltvegetariertag (1.10.) ein ABC neumodischer Lebensmittel und mancher Phänomene, die dazu gehören:

A wie Amaranth: Die traditionelle Speise der Inkas war in Europa bis vor wenigen Jahren fast unbekannt. Doch nicht zuletzt Allergiker, die Gluten (Klebereiweiß) in Getreidesorten wie Roggen, Weizen oder Hafer schlecht vertragen, bescheren Amaranth (etwa als Poppkorn) einen Siegeszug. Amaranth enthält mehr und hochwertigeres Eiweiß als unsere Getreidesorten, auch der Gehalt an mehrfach gesättigten Fettsäuren, Faserstoffen sowie an Mineralstoffen ist höher.

B wie Vitamin B12: Das Einzige, was vegane Ernährung nicht liefert, ist Vitamin B12, das von Mikroorganismen gebildet wird. Angebliche Mangelerscheinungen und fehlende Vitamine bei Ernährung ohne Tierprodukte sorgen immer wieder für Diskussionen. Viele Veganer halten die Debatte aber für albern. Schließlich griffen auch viele Fleischesser zu Vitaminpillen oder Magnesiumtabletten.

C wie Cashewmus: Für viele Veganer ist dieses Nussmus ein beliebter Brotaufstrich oder Zusatz bei Gemüsegerichten und Soßen.

D wie Dicksaft: Agavendicksaft gilt als Alternative zum Zucker. Er enthält aber fast so viele Kalorien wie normaler Zucker, da er zu etwa 80 Prozent aus Zucker besteht, wie die Krankenkasse AOK erklärt. Allerdings enthalte er fast nur Fruchtzucker, der schneller als weißer Zucker ins Blut gehe. Wer Kalorien sparen will, sollte aber wohl eher auf Stevia oder Süßstoff umsteigen.

E wie Edamame: Die Sojabohnenkerne Edamame sind Dicken Bohnen ähnlich, schmecken jedoch etwas nussiger und sind knackiger. Bis vor ein paar Jahren waren sie vor allem in japanischen Restaurants zu bekommen. Inzwischen sind sie ein Hit bei Vegetariern. Reich an Eiweiß, Omega-3-Fettsäuren oder auch Vitamin A werden sie gern kalt oder warm mit Tofu, gerösteten Erdnüssen oder Nudeln kombiniert.

F wie Flugmango: Sogenannte Flugmangos werden vollreif geerntet und per Flugzeug aus Ländern wie Brasilien, Mexiko, China, Pakistan, Thailand oder Indonesien zum Verbraucher in Europa gebracht. Die Ökobilanz ist entsprechend schlecht. Mangos an sich sind als Smoothie oder im Lassi ein fantastisch schmeckendes Tropenobst.

G wie Gojibeeren: Geheimwaffe Goji - getrocknete Gojibeeren werden gerne als Anti-Aging-Sensation gepriesen. Angeblich spenden die ein bisschen wie Feigen oder Dörrpflaumen schmeckenden roten Früchte viel Energie, sind gut fürs Herz-Kreislauf-System, das Immunsystem und helfen gegen Bluthochdruck oder Schlafprobleme. Die Gojibeere wächst am Gemeinen Bocksdorn (englisch auch Goji oder Wolfberry) und wird gern in der chinesischen Küche verwendet.

H wie Hafermilch: Getreide-Drinks als Milchersatz (aus Soja, Hafer oder Reis) werden beliebter, etwa mit Müslis oder im Kaffee. Oft enthalten sie inzwischen aber ziemlich viel Zucker.

I wie Ipomoea batatas: Begriff für das Trendgemüse Süßkartoffel. Sie wird auch Weiße Kartoffel genannt, ist in (sub)tropischen Regionen weit verbreitet. In den USA ist sie etwa als Beilage zum Thanksgiving-Truthahn populär. In jüngerer Zeit taucht sie, etwa als Süßkartoffel-Pommes oder auch Püree, auf immer mehr Speisekarten großstädtischer Trend-Lokale auf.

J wie Joghurt, und zwar Sojajoghurt: Gepopptes Amaranth mit Sojajoghurt und frischen Früchten wie Himbeeren - womöglich mit gerösteten Kokosflocken - gilt als Powerfrühstück unter Veganern.

K wie Kale: Aus Nordamerika als cooles Gemüse rückimportierter Grünkohl. Der wird heute nicht mehr zerkocht mit Wurst serviert wie in Norddeutschland üblich («Grünkohl mit Pinkel»), sondern in Öl gebraten, zu Chips gebacken oder mariniert mit Spinat kombiniert.

L wie Limettensaft: Nicht nur für Cocktails auch sonst in verschiedenen Getränken ein beliebter saurer Kick.

M wie Matcha: Matcha ist Grünteepulver aus Japan. Wenige Dutzend Gramm kosten rasch 20 Euro. Zwei Löffelchen in der Schale werden mit etwa 80 Grad warmem Wasser übergossen und mit einem Bambusbesen verquirlt. Für Einsteiger eignet sich auch als eine Art Kakao-Ersatz Matcha Latte oder Shake: mit (Soja-)Milch verrührtes Pulver.

N wie Natürlich: Was ist natürlich? Sind Menschen Omnivoren (Allesfresser; aus dem Lateinischen von «omnis» (jeder/alles) und «vorare» (essen)) oder sollten sie vegetarisch, gar vegan leben? Eine verbindliche Antwort darauf gibt es offensichtlich nicht.

O wie Orthorexie: Ein neumodischer Begriff für die Störung bei Menschen, die besessen sind von der Furcht, etwas Ungesundes zu essen. Das Wort kommt aus dem Griechischen von «orthós» für richtig und «órexis» für Appetit. Die Gefahr ist, vor lauter Tabus womöglich mangelernährt zu werden, nicht mehr außer Haus essen zu können.

P wie Plattpfirsich: Die In-Frucht Plattpfirsich, auch Bergpfirsich oder Weinbergpfirsich genannt, weil ihr Baum von Winzern in Spanien oder Frankreich als Schattenspender zwischen die Reben gesetzt wurde, sei intensiver im Geschmack als ein runder Pfirsich, schrieb das «Süddeutsche Zeitung Magazin» vor fünf Jahren. «Wir erleben die Rückkehr des alten Adels und des Antikobstes. Der Trend geht zur Fruchtfolklore.»

Q wie Quinoa: Das In-Getreide Quinoa war lange Zeit - wie Amaranth - in den südamerikanischen Anden ein Grundnahrungsmittel. Weil sie glutenfrei ist (ja laut «Duden» wirklich «die» Quinoa), wird Quinoa hierzulande immer öfter als Beilage wie Reis oder Grütze gegart. Das Korn eignet sich auch für Aufläufe. Garzeit: etwa 15 Minuten.

R wie Raw Food: Der Lifestyle-Trend «Raw Food» ist im englischsprachigen Raum, etwa in Australien, viel weiter verbreitet als in Deutschland. Anhänger der Rohkost-Bewegung ernähren sich vegan und verzichten zudem auch komplett aufs Kochen. Gegessen werden Obst, Gemüse und Wildpflanzen. Fad muss das nicht sein. Beispiel: Eine Rohkostpizza besteht etwa aus Süßlupinenmehl und Sauerkraut, belegt mit Humus, Gurke, Oliven und Champignons.

S wie Seitan: Aus Weizeneiweiß - also Gluten - hergestelltes Nahrungsmittel, das je nach Zubereitung in Geschmack und Konsistenz ziemlich fleischähnlich sein kann. Die Döner-Kopie «Vöner vom Spieß» besteht zum Beispiel aus Seitan, Sojaschrot und Gewürzen.

T wie Tofu: Weicher Tofu eignet sich gut, um Tierisches zu imitieren oder gar zu übertreffen: etwa Tofu-Hack (Tofubrösel mit ordentlich Olivenöl, Tomatenmark und Rotwein braten) oder aber Tofu-«Rührei» (gebratener zerbröselter Tofu in Kurkuma).

U wie Uni-Mensa: Mensen gelten vielen als Inbegriff schlechten Massen-Essens, neben Firmen-Kantinen mit dem Klassiker Currywurst. Doch die Zeit des Stammessens mit Eintopf, Schnitzel & Co ist längst passé. Heute gibt es dort oft frisch gebrutzeltes Gemüse aus dem Wok oder etwa Karotten-Curry mit Quinoa.

V wie Veganz: «Wir lieben Leben» heißt der Werbespruch dieser Kette veganer Supermärkte mit Filialen in Berlin, Hamburg, München, Essen, Frankfurt und bald auch in Leipzig.

W wie Weißes Mandelmus: Angerührt mit Wasser und Gewürzen eignet sich Mandelmus gut zum Überbacken. Weißes Mandelmus ist dann auch optisch der beste Käseersatz, etwa bei veganer Lasagne. Es sollte nur leicht gebräunt werden und nicht zerbröckeln.

X wie Xylit: Ein Zuckeraustauschstoff, dem kariesfeindliche Wirkung nachgesagt wird. Wird auch Birkenzucker genannt.

Y wie Yotam Ottolenghi oder Attila Hildmann: Zwei Stars der Vegetarier- und Veganer-Szene. Ottolenghi schrieb das Kochbuch, «das jetzt alle haben», wie die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» (FAS) kürzlich meinte. Es heißt «Genussvoll vegetarisch» (Originaltitel: «Plenty»). Ottolenghi wurde in Jerusalem geboren und besitzt in London ein Restaurant und mehrere Imbisse. Hildmann («Vegan for fit», «Vegan for fun», «Vegan for youth») ist der deutsche Veganer-Star, der gerne seine Muskeln zeigt und Porsche fährt und zurzeit auch in den USA durchstarten will.

Z wie Zatar: «Eine orientalische Gewürzmischung, ohne die man ziemlich aufgeschmissen ist, wenn man die Gerichte aus dem Kochbuch ausprobieren will, das jetzt alle haben» (FAS). Der auch Zaatar, Za'atar, Zatar oder Zahtar geschriebene Gewürzmix aus Sumach, Sesam, Thymian und Salz (manchmal auch Oregano) ist im Nahen Osten allgegenwärtig und erobert nun auch mitteleuropäische Küchen.

Vegetarier, Veganer, Pescetarier und Co

Manche Menschen essen aus ethischen Gründen kein Fleisch, andere verzichten aus gesundheitlichen Erwägungen oder religiösen Überzeugungen. Es gibt auch flexible Esser - und solche, die auf Fallobst schwören. Zahlen und Fakten:

- Der Vegetarierbund Deutschland geht zurzeit von bundesweit rund sieben Millionen Vegetariern und etwa 900 000 Veganern aus.

- Die meisten Vegetarier weltweit sollen mit 20 bis 40 Prozent der Bevölkerung in Indien leben.

- OVO-LAKTO-VEGETARIER essen weder Fisch noch Fleisch. Sie verzichten zum Beispiel auch auf Gelatine, essen aber Produkte von lebenden Tieren wie Milch und Honig.

- LAKTO-VEGETARIER meiden Fleisch, Fisch und zusätzlich auch Eier.

- OVO-VEGETARIER verzichten auf Fleisch und Fisch sowie Milch- und Milchprodukte.

- PESCETARIER essen kein Fleisch, aber Fisch.

- VEGANER leben ohne tierische Produkte. Das gilt nicht nur für die Ernährung. Sie verzichten beispielsweise auch auf Leder und Wolle.

- FRUTARIER wollen, dass Pflanzen nicht oder möglichst wenig geschädigt werden. Sie essen vor allem Fallobst und Nüsse.

- FLEXITARIER sind Gelegenheitsvegetarier, die Wert auf gesundes Essen legen, Fleisch oder Fisch aber nicht kontinuierlich meiden.