WM-Spielort Salvador de Bahia

Von Manuel Meyer

Die Paukenschläge und Schlachtgesänge fahren in den Bauch. Die Rhythmen der Trommeln gehen unter die Haut. Lokalderby in Salvador de Bahia: Bahia gegen Vitória. Im nagelneuen Stadion Fonte Nova, wo am 16. Juni Deutschland im ersten WM-Gruppenspiel auf Portugal trifft, herrscht kollektiver Wahn. Generell sind die Brasilianer für ihre Fußballverrücktheit bekannt. Hier ist Fußball für viele Religion. Doch in Salvador de Bahia werden Fußballspiele mit besonderer, vor allem musikalischer Leidenschaft gefeiert.

Die Küstenmetropole ist landesweit als eine der fröhlichsten, exotischsten und feierfreudigsten Städte Brasiliens bekannt. Nach Rio de Janeiro findet hier Brasiliens buntestes Karnevalsfest statt. Auch über die Stadtgrenzen hinaus wird Salvador «Stadt der Glückseligkeit» genannt. Neben dem stets sonnigen und warmen Wetter ist vor allem die Musik ein Grund dafür. In Restaurants, auf den Straßen und an den zahlreichen Stadtstränden ist ständig und überall Musik zu hören, tanzen Pärchen in T-Shirts und Flip Flops zu heißen Samba- und Forró-Rhythmen. Vor allem abends, wenn sich die Bars und Straßencafés im Pelourinho-Altstadtviertel füllen, spielen an jeder Ecke Musikbands.

«Eigentlich ist hier in Salvador alles Musik. Anscheinend können wir Dinge nur genießen, wenn wir dabei singen und tanzen», sagt Luigi Comaneci. Er ist 26 Jahre alt und arbeitet im Museum für brasilianische Musik. Brasilianische Musik sei eigentlich fast immer Musik aus Salvador, versichert er und beginnt stolz die Namen bekannter Musiker aus Salvador aufzuzählen: Gilberto Gil, Caetano Veloso, Carlinhos Brown und natürlich Olodum, die international renommierte Trommel- und Percussiongruppe, die jeden Donnerstag durch die Straßen von Salvadors Altstadt zieht, wenn sie nicht gerade irgendwo anders auf dem Globus spielt.

Wer tagsüber auf der Praça da Sé oder dem beliebten Terreiro de Jesus Platz einer der zahlreichen Capoeira-Gruppen zuschaut, dem wird schnell klar, dass Musik aus Salvador vor allem auch afrikanische Musik ist. «Die Lieder und die Musik stammen noch von den Sklaven», sagt Capoeira-Kämpfer João. Flink tänzelt er zu den frenetischen Rhythmen der Berimbaus und Trommeln vor seinem Gegner hin und her, bevor beide mit akrobatischen Drehungen, Handständen, Radschlägen und gesprungenen Fußtritten gegeneinander antreten.

Im Gegensatz zu anderen Kampfsportarten berühren sie sich jedoch nicht. «Sklaven durften nicht kämpfen. Deshalb entwickelten sie aus ihrer afrikanischen Kampfkunst eine Art kontaktlosen Tanz», erklärt João die Basis des heutigen Capoeira. In keiner brasilianischen Stadt ist die afrikanische Kultur so präsent wie in Salvador. Salvador de Bahia de Todos los Santos, so der vollständige Name, war unter den portugiesischen Kolonialherren bis 1763 Brasiliens erste Hauptstadt.

Über 200 Jahre machten die Portugiesen die Stadt zum Hauptumschlagsplatz afrikanischer Sklaven, dessen Nachfahren noch heute rund zwei Drittel der 2,7 Millionen Einwohner Salvadors ausmachen. Sogar der Name der Altstadt zeugt von der Vergangenheit Salvadors. «Pelourinho» ist die Bezeichnung des Schandpfahls auf dem Sklavenmarkt, an dem die Sklaven öffentlich ausgepeitscht wurden.

Fast fünf Millionen afrikanische Sklaven wurden nach Salvador verschleppt, und hier schlägt immer noch das «schwarze Herz» Brasiliens. Das wird jedem Besucher bereits nach kurzer Zeit klar. Ein Gang durch den Mercado Modelo, den Markt für Kunsthandwerk am Hafen, führt anschaulich vor Augen, wie stark die afrikanischen Wurzeln Salvadors sind. «Sogar unsere Küche hat starke afrikanische Einflüsse», erklärt Tereza Paim. Wie süß, scharf, farbig und bunt Salvadors Regionalküche ist, kann man im Restaurant «Casa de Tereza» erfahren. Die Spezialität: Moquecas, ein Fisch- oder Meeresfrüchteeintopf mit Tomaten, Paprika und Koriander, der in Kokosmilch und Palmöl gekocht wird.

Auch bei Beto Pimentel im «Paraíso Tropical» kann man erfahren, wie Salvador schmeckt. Mit einem Lächeln serviert er Calapolvo, einen Mix aus Krabben, Langusten und Tintenfischen, der mit Kokosnuss gekocht und mit exotischen Früchten und Blumen verziert wird. Die Einheimischen stehen jedoch vor allem vor den Straßenständen der berühmten Baianas Schlange. In ihren traditionellen, weißen Kleidern und bunten Kopftüchern bieten sie auf fast allen öffentlichen Plätzen und an Straßenecken Acarajé an, in Palmöl gebackene Fleisch-Teigbällchen, die mit scharfer Chilisauce und Nusscreme bestrichen werden. Seinen Ursprung hat das Gericht in Westafrika, wo die Teigbällchen auch heute noch auf der Speisekarte stehen.

Sogar die Religion ist in Salvador eher afro-brasilianisch als katholisch. Die Mehrheit der Bahianos verehrt anstelle von Gott und Jesus ihre Orixás, afrikanische Gottheiten, die in uralten Ritualen wie dem Candomblé verehrt werden. In Salvador gibt es über 3000 Candomblé-Kultstätten. Meistens handelt es sich dabei um kleine Häuser oder sogar Wohnzimmer, in denen weiß gekleidete Frauen den Orixás Tieropfer bringen oder sich zu den Rhythmen der Atabaque-Trommeln in einen tranceähnlichen Zustand tanzen, um ihren Göttern näher sein zu können. Die Rituale dürfen auch von Touristen besucht werden.

In Salvador gibt es aber auch eine Vielzahl von barocken Kirchen und Klöstern, weshalb die Stadt häufig auch als «schwarzes Rom» bezeichnet wird. Besonders prachtvoll ist das Franziskaner-Kloster São Francisco, dessen üppig mit vergoldeten Schnitzereien verzierte Kirche zu den schönstes Gotteshäusern des Landes zählt. Das Kloster ist umgeben von den kunterbunten, in Pastellfarben bemalten Kolonialbauten der Altstadt, die 1985 von der Unesco zum Weltkulturerbe erhoben wurden. Viele der Renaissance- und Barock-Gebäude mit ihren feinen Stuckarbeiten an den Außenfassaden wurde 1990 mit Hilfe der Unesco aufwendig restauriert und strahlen heute in Türkis, Hellblau, Gelb und Orange.

In den Altstadtgassen, die sich als Teil der Cidade Alta, der Oberstadt, hoch über der Allerheiligen-Bucht befinden, spielt sich auch Salvadors spannendes Nachtleben ab. «Hier passiert immer etwas», sagt Luigi vom Museum für brasilianische Musik. In Salvador kann man an einem Tag mehr erleben als sonst wo in einem Monat, heißt es in einem Lied des aus Salvador stammenden Liedermachers Dorival Caymmi. «Damit beschreibt er perfekt den Charakter dieser Stadt», versichert Luigi. dpa

Reise nach Salvador de Bahia

Anreise: Lufthansa, TAP und die brasilianische TAM fliegen nach Salvador de Bahia. Für die Einreise reicht ein mindestens noch sechs Monate gültiger Reisepass.

Klima: Zur WM ist mit schwül-heißem Wetter und Temperaturen von bis zu 35 Grad zu rechnen.

Sicherheit: Salvador ist in den vergangenen Jahren deutlich sicherer geworden. Im Zentrum sollte man jedoch auf Taschendiebe achten. Die von Armut gezeichneten Randgebiete Salvadors sollten gemieden werden.

Essen - köstliche Regionalküche:

Casa de Tereza casadetereza.com.br

Paraíso Tropical restauranteparaisotropical.com.br

Restaurante Amado (amadobahia.com.br).

Informationen: Fremdenverkehrsamt Bahiatursa (bahia.com.br)