Kochen 2011 Trends in Deutschland

Hamburger Labskaus, Frankfurter Grie' Soß oder schwäbische Maultaschen: Wer kennt solche regionalen Spezialitäten nicht. Doch auf der Reise durch Deutschland ist es nicht immer einfach, die kulinarischen Besonderheiten der Regionen kennenzulernen. Die Gourmetgastronomie folgt mit Luxusprodukten wie Gänsestopfleber, Trüffeln und Jakobsmuscheln dem Wunsch der Gäste nach mehr Flair, während Fast-Food-Ketten und Franchise-Restaurants sich im unteren Segment mit austauschbarem Speiseangebot breitmachen.

Unterstützt wird diese Vereinheitlichung durch die Lebensmittelindustrie, die mit Fertigprodukten und Würzmischungen viele Gastronomen von der leichten, schnellen Zubereitung der Mahlzeiten überzeugen konnte. Nicht nur wegen der oft darin enthaltenen Zusatzstoffe ist diese grassierende Bequemlichkeit Vertretern von Genießervereinigungen wie Slow Food ein Dorn im Auge. Sie führt dazu, dass die «einfache Küche» ausstirbt, weil sie arbeitsintensiv und schwierig zu kochen ist. Einher damit geht auch der Verlust traditioneller und regionaler Produkte.

Slow Food startete deshalb 1996 die «Arche des Geschmacks», die Lebensmittel, Nutztierarten und Kulturpflanzen an Bord nimmt, die vom Aussterben bedroht oder unter den gegenwärtigen ökonomischen Bedingungen bedeutungslos geworden sind. So fanden unter anderem die nordhessische Ahle Wurscht oder die Diepholzer Moorschnucke einen Förderkreis.

Doch die Beschaffung guter regionaler Produkte sei nicht immer leicht, beklagt Ernst-Ulrich W. Schassberger, Präsident der Eurotoques-Stiftung, die sich für die natürliche Produktion von Lebensmitteln und die Pflege heimischer Erzeugnisse einsetzt. Mit Gastronomen wie Christian Rach und Johann Lafer folgen auch einige Sterneköche der Philosophie einer traditionell-handwerklichen Küche ohne Einsatz von Konserven oder industriell vorgefertigten Produkten.

Mit der Initiative «Coq d'Or» setzt Schassberger neue Maßstäbe, um das kulinarische Erbe der Regionen zu bewahren. «Mit den Eurotoques erreichen wir die Spitze der Gastronomie. Coq d'Or ist auch für einfache Gaststätten offen, die das regionale Erbe pflegen.» Die Betriebe hätten teils «uralte» Rezepte auf ihre Speisekarte gesetzt, die sonst in Vergessenheit zu geraten drohen. Mindestens drei Gerichte aus dem Erbe der Großeltern müssen sie anbieten. Nachhaltigkeit sei ihm wichtig, betont Schassberger - und weist darauf hin, dass sie nur Bestand hat, wenn Tradition, Regionalität und kulturelles wie kulinarisches Erbe bewahrt wird.

Die Fränkin Elisabeth Wiesinger hat diese Idee rasch umgesetzt. Vor zehn Jahren übernahm sie die elterliche Hofschänke in Windsbach und machte daraus den «Wiesingerhof». «Wir bieten derzeit als Coq d'Or-Menü Pastinakensuppe, Rinderbäckchen und Apfelkrapfen an», erzählt sie. «Oft gibt es Rinderbäckchen und Pastinaken zwar in der Top-Gastronomie, aber in der normalen Gastronomie sind sie meist verschwunden.»

Ihre Produkte kauft sie regional und saisonal: Fisch vom nahen Fischhof, Obst und Gemüse beim Biobauern und Fleisch benachbarter Bauern vom Metzger, der noch selbst schlachtet. «Meine Lieferanten wissen, was ich möchte. Wenn sie etwas nicht liefern können oder es nicht der Saison entspricht, dann kommt es halt nicht auf die Karte.»

Dieter Wetzel vom «Schwanen» in Metzingen sieht das genauso. Im Biosphärengebiet Schwäbische Alb mangelt es ihm nicht an Lieferanten für erstklassige regionale Produkte. «Die sind inzwischen gut darauf eingestellt und liefern höchste Qualität», sagt er. Mit seinen Kollegen vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Baden-Württemberg verwendet er unter dem Logo «Schmeck den Süden» überwiegend Produkte aus der Region: Schneckensüppchen oder «Schwäbische Austern» von Albschnecken sowie die kleinen, feinen und extrem raren Alblinsen ebenso wie Büffelmaultaschen.

Auch bei den Romantikhotels stehen Spezialitäten aus der Region hoch im Kurs. Im «Hirschen» im oberpfälzischen Parsberg kann der Gast in der Weißwurstakademie deren traditionelle Herstellung erlernen. Hotelier Lorenz Ferstls Vorteil ist die eigene Haus-Metzgerei, die dabei traditionell nach alten Rezepten arbeitet.

Sternekoch Ernst Karl Schassberger, Mitglied der Jeunes Restaurateurs, der europäischen Vereinigung junger Spitzenköche, folgt im Romantikhotel am Ebnisee bei Stuttgart bei regionalen Gerichten dem kulinarischen Erbe seiner Vorfahren und einem «grünen Faden» der Nachhaltigkeit. Es gibt Wild aus dem umgebenden Schwäbisch-Fränkischen Wald, Kalbsnierle oder Kutteln. Oft nutzt er dabei traditionelle Kräuter aus dem eigenen Kräutergarten.

Der 35-Jährige, der einige Zeit in Monaco bei Alan Ducasse arbeitete, sieht bei der Qualität der Nahrungsmittel Nachholbedarf in Deutschland: «In Frankreich haben Lebensmittel eine viel größere Tradition.» Doch Schassberger ist auf einem guten Weg: Wenn er und seine Kollegen aus der Sterneküche beim Küchenfest gemeinsam aufkochen, steht dies unter dem Motto «Genießen mit unverwechselbar regionalem Charakter». Seine verwöhnten Gäste finden das gut. (Michael Ritter, dpa)