Bier aus dem Holzfass auf dem Oktoberfest

Von Sabine Dobel

Die ersten «Hirschen» waren schon im Juli ausgeliefert. Mehrere Hundert Bierfässer, darunter 200 jeweils 200 Liter fassende Hirschen hat Wilhelm Schmid heuer für das Oktoberfest gebaut. «Das sind so viele wie seit vielen Jahren nicht.»

Der Hang zur Tradition schlägt offenbar auch beim Bier durch - das Holzfass ist wieder gefragt. «In den letzten Jahren geht es wieder bergauf, es ist ein Trend», sagt Münchens einziger Schäffler, dessen Familie das Handwerk in der dritten Generation seit fast 100 Jahren betreibt. Bis Ende vergangener Woche haben die Fassbauer noch Fässer für die Wiesn repariert, gerade sind sie fertig geworden. «Jetzt ist alles weg für die Wiesn», sagt Schmid. Am Samstag heißt es auf dem Oktoberfest wieder «O'zapft is».

Damit ein Fass dichthält, muss es vorher gewässert werden; neue Fässer brauchen dazu zwei Wochen. Deshalb eilte die Zeit. Stahlfässer sind pflegeleichter - aber der Geschmack ist, so jedenfalls findet Schmid, beim Holzfass viel besser und süffiger, denn es hat weniger Kohlensäure. «Es gehört natürlich auch Psychologie dazu.

Countdown zum Oktoberfest 2011

Allein das Aufgantern ist ein Akt für sich.» Der «Ganterbursch» stellt die schweren Fässer für den Schankkellner auf, eine Technik für sich. Auch das Anzapfen gilt als besondere Kunst - und das Zapfen in den Krug ohne riesige Schaumkronen ist auch nicht ganz leicht. «Das ist einfach etwas anderes, als wenn man eine Dose aufreißt und in einen Pappbecher einschenkt.»

Vor allem die aus der 200-Jahr-Feier im vergangenen Jahr entstandene «Oide Wiesn» mit Volksmusik und historischen Fahrgeschäften, die heuer erstmals als Teil des Oktoberfestes stattfindet, hat dem Fassbauer die ungewohnte Auftragsflut verschafft. Denn dort hat der Stadtrat Holzfass-Pflicht verhängt.

Eigentlich sind auf dem Oktoberfest längst Stahltanks die Regel. Dieses Jahr richtet ein zweites Bierzelt sogar eine zentrale Ringleitung fürs Bier ein. Nur Augustiner war auch auf der regulären Wiesn stets beim Fass-Bier geblieben und hat heuer die 200 neuen Hirschen bestellt. «Es ist ein irrsinniger Aufwand», sagt Augustiner-Braumeister Toni Würmseer. «Aber es ist eine Tradition, die wir aufrechterhalten wollen - nicht nur während der Wiesn.» Auch in Biergärten, Gaststätten und auf anderen Volksfesten kommt das Augustiner aus dem Fass.

Für die Oide Wiesn hat auch Hofbräu Holzfässer bei Schmid geordert, insgesamt 100 Fässer für 100 Liter und 30 Fässer für 50 Liter. Abgefüllt wird erst kurz vor der Auslieferung. «Das ist ein enormer logistischer Aufwand», sagt Hofbräu-Sprecher Stefan Hempl. Bei Augustiner werden die leeren Fasser während des Festes gleich in der Nacht von der Theresienwiese abgeholt, gereinigt und frisch gefüllt gleich wieder zum Festgelände gefahren. Die ganze Nacht rollen dann die Lkws mit frischem Bier.

Bis zuletzt war Schmid mit der Reparatur älterer Fässer beschäftigt. Auf Rollen rumpeln die Fässer dabei um die eigene Achse - nur so kann sich das frische Harz, das für eine glatte Oberfläche im Fass sorgt, richtig verteilen. Zum Wiesn-Start arbeiten die Fassbauer schon am nächsten Auftrag für ein Schweizer Unternehmen. Die Fässer für 30 bis 150 Liter Schnaps werden ausgehobelt und «getoastet»: Sie werden innen ausgebrannt, damit die Holzinhaltsstoffe besser auf den Schnaps übergehen.

Die Maschinen sind Jahrzehnte alt. Die Stanzen für die Stahlreifen um die Fässer etwa werden von Hand betrieben, und die Maschine zum Biegen der Fass-Dauben könnte gut auch im Museum stehen. Das Problem: Maschinen für das traditionelle Schäffler-Handwerk - bundesweit Böttcher genannt - sind rar und nur sehr teuer zu beschaffen.

Wer in Bayern Schäffler werden will, muss nach Österreich auf die Berufsschule, wie Schmids fränkischer Kollege Gerhard Müller aus Neustadt an der Aisch sagt. Müller macht Fässer nicht nur für Bier, sondern vor allem für Wein und Schnaps - er sieht ebenfalls einen Trend zurück zum Holzfass. «Wie schaut denn das aus, wenn das Bier in München vom Container kommt», sagt er. Vor allem aber Wein und Spirituosen wie Cognac, Whiskey oder Weinbrand könnten ihr Aroma ohne das Holz gar nicht entwickeln. dpa