Kein Stierkampf mehr in Katalonien

Von Hubert Kahl

Nachdem er dem Stier den Todesstoß versetzt hatte, schritt Serafín Marín in die Mitte der Arena. Der Torero verneigte sich mit Tränen in den Augen, er ließ die Ohren des getöteten Tiers, die ihm als Trophäen zuerkannt worden waren, aus den Händen in den Sand fallen und küsste den Boden. Der Stierkampf in der spanischen Region Katalonien gehört seit Sonntagabend, 20.16 Uhr, der Geschichte an. Der 567 Kilogramm schwere «Dudalegre» dürfte der letzte Stier gewesen sein, der vor dem Inkrafttreten des Stierkampfverbots in einer Arena der wirtschaftsstärksten Region Spaniens sein Leben ließ.

Ein Pferdegespann zog den blutigen Kadaver aus der Stierkampfarena «La Monumental» in Barcelona. Gleich darauf kletterten Hunderte von Fans über die Holzbarriere auf die Kampffläche und sammelten vom Boden Sandhäufchen auf. Den Sand nahmen sie in Tütchen und Plastikflaschen als Andenken mit. Die Zeitung «El Periódico de Catalunya» fühlte sich an die Berliner erinnert, die nach dem Fall der Mauer Steinstückchen als Souvenirs eingesammelt hatten.

Die Toreros wurden von ihren Anhängern auf Schultern aus der Arena hinausgetragen. Vor den Toren feierten Tierschützer das Ende des Stierkampfs in Katalonien mit Sekt. «Endlich hat die Quälerei der Stiere hier ein Ende», sagte eine Sprecherin. Stierkampffans protestierten dagegen, dass in Katalonien nun ein «spanisches Kulturgut» verboten sei und forderten in Sprechchören «Freiheit». Die Polizei verhinderte, dass es zu Handgreiflichkeiten zwischen beiden Lagern kam.

Die Proteste der Anhänger des Stierkampfs täuschten allerdings darüber hinweg, dass die Fiesta auch ohne das Verbot vor dem Ende gestanden hätte. «La Monumental» war die einzige Arena in Katalonien, die noch in Betrieb war. Alle anderen waren abgerissen oder geschlossen worden, weil sich kaum jemand für das blutige Spektakel interessierte. «Der Stierkampf wäre auch so gestorben», meint der Schriftsteller Ramón de España. «Es wäre gar nicht nötig gewesen, dass die Politiker Sterbehilfe leisteten.»

Beim Verbotsbeschluss des Parlaments in Barcelona spielte nicht nur der Tierschutz eine Rolle. Katalanischen Nationalisten war der Stierkampf ein Dorn im Auge, weil sie darin etwas «zutiefst Spanisches» sahen. Allerdings hatte es auch in Katalonien Zeiten gegeben, in denen der Stierkampf sehr populär war. Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte Barcelona - neben Madrid und Sevilla - weltweit zu den wichtigsten Hochburgen des Stierkampfes. Zeitweise verfügte die Stadt über drei Arenen.

Der Niedergang begann in den 50er Jahren mit der Stationierung amerikanischer Marinesoldaten und dem Zustrom ausländischer Urlauber. Die Fiesta wurde zu einem exotischen Touristen-Spektakel, die einheimischen Fans wandten sich ab. «In Barcelona ging eine 300 Jahre alte Tradition zu Ende», schrieb die Zeitung «El País». «Da ist es gleichgültig, ob der Stierkampf als Folge von Dekadenz oder durch einen Parlamentsbeschluss starb.»

Die Anhänger der Fiesta haben nur noch eine winzige Hoffnung, dass das Verbot wieder aufgehoben werden könnte. Die konservative Volkspartei (PP) erwirkte eine Klage vor dem Verfassungsgericht, zudem bemüht sich eine Initiative um ein Volksbegehren. Die Erfolgsaussichten werden jedoch in beiden Fällen als minimal eingeschätzt, zumal sich mit dem Stierkampf in Katalonien ohnehin kein Geld mehr verdienen lässt. dpa