Wie in den 1960er Jahren dem Chianti, als die bauchigen, korbumwickelten Flaschen eher für einfachen Landwein denn für Qualität standen, haftete auch dem Retsina lange ein schwieriges Image an. Die meisten dürften mit ihm eher Urlaubserinnerungen an einen kurios harzigen Kopfschmerzwein verbinden. Dabei handelt es sich bei dem fest in der Weinbautradition Griechenlands verankerten Wein um eine bemerkenswerte Synthese aus Pinie und der Rebe, zwei emblematischen Pflanzen Griechenlands. Ein spannendes Unterfangen für Eleni Chekri, die sich mit ihrem Unternehmen 1979WINES genau dieser einmaligen Wechselwirkung widmet und Retsina so auf ein neues Level heben möchte.
Während das Harz einst diente, um die Gefäße zu versiegeln und zu verschließen, wird es heute bewusst hinzugegeben, um den Charakter der Traube um die Aromen des Harzes zu bereichern. Außer, dass der Wein aus Griechenland stammen muss und laut EU-Verordnung maximal ein Prozent natürliches Harz von der Allepopinie beigemengt werden darf und vor der Abfüllung wieder entfernt werden muss, gibt es keine Regulatorien beim Gebiet oder den weißen und in selteneren Fällen roten, als Rosé gekelterten Trauben. Wichtigste Rebsorte ist Savatiano, gefolgt von Roditis. Als besonders spannend für die Herstellung von Retsina hat sich die Rebsorte Assyrtiko erwiesen, die eine frischen Säure und eine salzige Mineralik mitbringt.
Aus diesem Grund verwendet auch Eleni Chekri für ihren Retsina ausschließlich einen Klon dieser Sorte, die sie auf ihrem Weinberg auf dem höchsten Punkt der Weinbauregion Goumenissa in Gerakona (Zentralmazedonien) auf 3,7 Hektar anbaut. Auf einer Höhe von 250 Metern bringt Assyrtiko das einzigartige Terroir der Region mit Intensität und Eleganz zum Ausdruck.
Bei Eleni Chekri steht im Mittelpunkt ihrer Vision von einem neuen Retsina, dass das Harz nicht mehr dazu dient, die minderwertige Qualität der Trauben zu überdecken. Vielmehr liegt der Fokus auf nachhaltig geerntetem Pinienharz und dessen Rolle bei der Gestaltung des einzigartigen sensorischen Profils des Weins. Deshalb übertrifft das Terroir von Retsina die Komplexität jedes anderen Weins, denn der Boden, das Klima und die menschliche Intervention prägen sowohl den Charakter der Traube als auch des Harzes. So entstehen aus diesen beiden natürlichen Rohstoffen Weine, die das Land und sein kulturelles Erbe unnachahmlich widerspiegeln.
Bereits mit ihrem Vater Stelios Chekri hatte sie die aus der Assyrtiko-Traube gewonnene und in Eichenfässern gegärte „Träne der Pinie“ entwickelt. Dieser kreativ interpretierte, bestens alternde Retsina wurde vielfach ausgezeichnet und gilt unter Weinkennern:innen als einer der besten Griechenlands. Nun setzt Eleni Chekri als erste Önologin, die sich ganz auf Terroir, Gewinnung und Einsatz des Harzes konzentriert und so auf der Basis eines einzigen Grundweins (Assyrtiko aus Goumenissa) drei frappierend unterschiedliche Weine erzeugt, mit ihrem eigenen Unternehmen 1979WINES und dem Kallos ein starkes Zeichen in Richtung zukunftsweisende Retsinas.
Erster Wein war der Kallos 2020 Phos (dt. Licht) , es folgte Kallos 2022 Ousia (dt. Essenz) In diesem Jahr entstanden zwei Mikrovinifikationen, die Lagen Kallos Stergiano (im Landesinneren) und Kallos Thalassino (am Meer). Bei der Verkostung in Berlin zeigte sich, dass Harz aus verschiedenen Wäldern in ein und demselben Grundwein tatsächlich unterschiedliche Aromaprofile hervorbringt: Die Thalassino-Weine zeichnen sich durch mehr Frische und Eleganz aus, die Stergiano-Weine durch mehr Mineralik und subtil dominantere Harz-Aromen. Je älter die Weine (wir verkosteten die Jahrgänge 2024, 2023, 2022 und 2020), je besser eingebunden war das Harz. Einen förmlichen Sprung im Geschmacksprofil spürt man beim Verkosten des 2020 phos, der Aromen von Bergkräutern in der Nase, Vanille, Tabak und reife Zitrusfrüchten am Gaumen und eine leichte Mineralik im Abgang aufweist. Auch als Essensbegleiter zur nordisch inspirierten Küche von Hannah Borchardt im "Feed the Pony" im Berliner Schillerkiez machte der Kallos eine gute Figur: Die Frische und Eleganz des 2024 Kallos Thalassino passte perfekt zum in Buttermilch eingelegten rohen Fisch mit Dill, Buchweizen und roten Johannisbeeren, die bestens eingebundenen subtil harzigen Waldaromen des 2020 Kallos phos vermählten sich harmonisch mit der der Würze des rosa gebratenen Damwilds.
Es überrascht nicht, dass die Weine von 1979WINES bereits internationale Anerkennung erfuhren. Der KALLOS Thalassino 2022 Ousia und der KALLOS Stergiano 2022 Ousia wurden von Julia Harding MW auf JancisRobinson.com mit 18,5/20 bewertet, was zu den höchsten Bewertungen gehört, die jemals an griechische Weine vergeben wurden, und die höchste, die jemals an einen Retsina vergeben wurde.
Sie schrieb:
•18,5/20 für Kallos Thalassino 2022 Ousia
„Helle Zitrusfrüchte. Zarte, aber intensive Kräuter- und Rosmarinaromen, mit etwas mehr Zitrusfrüchten als im Stergiano (der mit Harz aus dem Landesinneren hergestellt wird). Am Gaumen ist das Rosmarinaroma präsent, aber er ist auch intensiv salzig und macht Appetit. Durchdringend und rein, linearer als der Stergiano.“
• 18,5/20 für Kallos Stergiano 2022 Ousia
„Etwas reichhaltiger und tiefer als der Thalassino, aber immer noch mit einem Hauch von steiniger Mineralität. Weniger salzig und goldener. Kraftvoll, intensiv und doch so elegant. Tief, reichhaltig und immer noch mit dem Rosmarin- und Kräutercharakter eines Spitzenprodukts.
• 17,5/20 für Kallos 2020 Phos
„Mittleres Gold. Röstig (aber ohne Eiche), golden, fast honigartig (ohne auch nur im Geringsten süß zu sein) und dennoch mit der Kräuterintensität der verkosteten 2022er Weine. Intensiv, kraftvoll, mit Rosmarin und so frisch. Breiter als der Thalassino und der Stergiano, komplex und lang, wenn auch etwas weniger raffiniert, eher erdig. Zeigt, wie gut Retsina altern kann.“
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Eleni Chekri Retsina aus der verstaubten Griechenlandurlaub-Ecke herausbefördert und auf ein neues, internationales Qualitätslevel gehoben hat. Und das, ohne das griechische Terroir und die Jahrtausende alte Geschichte zu verraten. Polarisieren wird der Retsina trotz ihrer selten eleganten Weine wahrscheinlich immer, aber mit dem Kallos hat sie definitiv ein neues Kapitel Retsina aufgeschlagen.
Über 1979WINES
1979WINES wurde von Eleni Kechri gegründet, um Retsina durch wissenschaftliche Forschung und Innovation zu fördern. Eleni Kechri ist Chemikerin und Önologin mit über 30 Jahren Erfahrung in der Weinherstellung, spezialisiert auf Retsina. Als Pionierin bei der Neudefinition dieses historischen griechischen Weins hat sie praktische Experimente mit wissenschaftlicher Forschung kombiniert. Im Laufe ihrer Karriere hat sie in Zusammenarbeit mit der Aristoteles-Universität Thessaloniki (AUTh) zwei dreijährige Forschungsprojekte durchgeführt, die sich sowohl auf Weinbereitungsprotokolle als auch auf den Einfluss der Harzeigenschaften auf das sensorische und qualitative Profil von Retsina konzentrierten.
Durch die Betonung von nachhaltig gewonnenem Harz und die Verwendung von Mikrovinifikationen, um das Terroir des Harzes zum Ausdruck zu bringen, entwickelt das Weingut neue Interpretationen von Retsina – und schlägt damit eine Brücke zwischen Tradition und Innovation, altem Wissen und neuen Möglichkeiten.