25 Jahre Tigerpalast

Von Ira Schaible

Die alte Wette habe er längst gewonnen, feixt Varieté-Direktor Johnny Klinke. «Mein alter Freund Joschka Fischer ist pensioniert, und wir sind noch da - nachhaltiger als Rot-Grün», sagt der 63-jährige Frankfurter kurz vor dem 25. Geburtstag seines Varieté-Theaters «Tigerpalast». Und das ohne Subventionen. «Wir sind die einzigen, die kein Geld vom Staat wollen.»

Das Jubiläum des in vieler Hinsicht zumindest in Deutschland einzigartigen Hauses feiern Klinke und Margareta Dillinger, seine Mitstreiterin seit 40 Jahren, mit einer ganzjährigen Revue. Premiere ist am Mittwoch, dem 21. August.

«Der "Tigerpalast" ist die Wiedergeburt des Varietés in Deutschland. Als in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts neben dem Hansa-Theater niemand mehr an diese Unterhaltungskunst glaubte, kam er quasi aus dem Nichts», lobt Ulrich Waller, Intendanten des «St. Pauli Theaters», das in Hamburg auch das «Varieté Hansa-Theater» bespielt. «Politische Wortkunst und Akrobatik kamen hier auf eine noch nie gesehene Weise zusammen.»

Für die politische Wortkunst stand insbesondere Matthias Beltz, Kabarettist, Mitbegründer des «Tigerpalasts» und enger Freund von Klinke. Sein Tod mit nur 57 Jahren 2002, kurz vor einem Auftritt, war der traurige Tiefpunkt. Am Eröffnungsabend, dem 30. September 1988, hatte er die Leitlinie ausgegeben: «Liberté, Égalité, Varieté».

Dillinger und Klinke verstehen dies als Verpflichtung zur Unterhaltung und zur Qualität. Höchstleistung, Talent, Persönlichkeit und Menschlichkeit - darauf setzen die beiden unbeirrt seit Anfang an. Der künstlerische Leiter des «Krystallpalast Varietés» in Leipzig, Urs Jäckle, formuliert es so: «Der "Tigerpalast" hat in Deutschland den Maßstab für höchste artistische Qualität gesetzt und pflegt trotz des hohen Leistungsanspruchs ein exzellentes persönliches Verhältnis zu seinen Künstlern. Statt gesichtsloser Megashows zählt hier noch der Mensch auf der Bühne.» Klinke sagt stolz: «Von hier aus sind viele Weltkarrieren gestartet worden.»

«Die Innovationskraft des Tigerpalasts ist noch lange nicht zu Ende», verspricht der Varieté-Direktor. Und weiß zugleich: «Eine Legende lebt nicht von allein.» Schon gar nicht in Zeiten von Internet und zigtausenden Freizeitangeboten.

Eine Besonderheit des Varietés, das in der umgebauten ehemaligen Heilsarmeekapelle in der unscheinbaren Heiligkreuzgasse residiert: Die Artisten, Jongleure, Wortakrobaten und Zauberer treten zweimal pro Tag vor je knapp 200 Zuschauern auf und das gleich sechsmal pro Woche. Sie leben auch in dem Haus zusammen und essen gemeinsam. «Nach fünf Monaten haben alle Tränen in den Augen und wollen nicht gehen», erzählt Dillinger. «Da ist eine Kraft hinter der Bühne, die sich überträgt.»

Der Geschäftsführer des Berliner «Wintergartens», Georg Strecker, lobt den Geschäftsführer des «Tigerpalasts», Robert Mangold, der mit seinem Gastronomie-Konzept glänze. Obwohl im Keller untergebracht, schmückt das Tiger-Gourmetrestaurant seit 16 Jahren ein Stern des Guide Michelin. Mit dem neuen Küchenchef Andreas Krolik (Foto unten) könnte ein zweiter hinzukommen, denn damit war Krolik bereits in Brenners Park-Hotel in Baden-Baden ausgezeichnet worden.

Klinke und Dillinger sind Strecker zufolge «die Urgesteine der Branche» und die «Pioniere des neuzeitlichen Varietés in Deutschland». Ihr Umgang mit der vergleichsweise kleinen Bühne in Frankfurt sei sehr kreativ und mache einen Teil des Flairs aus. «Der "Tigerpalast" ist das einzige Varieté, das auch mal echte Tiger hatte.» Die Raubkatzen von Sandrine und Thierry Bouglione aus dem «Cirque d'Hiver» in Paris seien einzigartig gewesen und lebten nicht mehr, erinnert sich Dillinger. «So etwas wäre heute auch nicht mehr möglich.»

Der Name des Varieté-Theaters hat aber einen anderen Ursprung: Eine Mischung aus dem Gründungsjahr 1986, das im chinesischen Horoskop das Jahr des Tigers war, und einer ironischen Bemerkung auf die «Banken-Paläste» in Frankfurt, wie Klinke sagt.

Unter seinem Premierenpublikum finden sich stets auch viele Mächtige der Stadt, darunter immer wieder die langjährige OB Petra Roth (CDU). Dass Klinke ihren Wunschnachfolger Bors Rhein (CDU) mit Zeitungsanzeigen unterstützte, der dann aber überraschend Peter Feldmann unterlag, nahmen ihm einige übel. Er sei eben für Schwarz-Grün gewesen, sagt Klinke heute. Und: «Peter Feldmann wird ein guter OB werden.» Der Sozialdemokrat lerne viel. Außerdem: «Wer unter dem Tigerpalast OB ist, ist doch egal.» dpa

Tigerpalast, Heiligkreuzgasse 16-20, 60313 Frankfurt am Main, tigerpalast.de

Über das Tigerpalast Varieté Theater

Am 30. September 1988 eröffnen Margareta Dillinger und Johnny Klinke gemeinsam mit Kabarettist Matthias Beltz nach 3jähriger Gründungsphase das Tigerpalast Varieté Theater und leiten damit eine Renaissance der klassischen Varietékünste im Nachkriegsdeutschland ein. Noch heute kommen aus New York, Paris und Moskau - den klassischen Zentren der internationalen Artistenkultur - die besten Künstler der Welt in den Tigerpalast im Herzen Frankfurts. Geschäftsführer Robert Mangold, ebenfalls seit der Planungs- und Eröffnungsphase in der Führungsspitze dabei, zeichnet sich insbesondere für den gastronomischen Erfolg verantwortlich. Seit 1997 adelt der Guide Michelin die Gourmetküche des Tiger-Restaurants mit einem Stern.

Über Andreas Krolik

Andreas Krolik hat vor einem Jahr die Nachfolge von Alfred Friedrich als Küchenchef des Tiger-Restaurants angetreten. Bereits von 1998-1999 war Krolik dort, damals noch unter Küchenchef Viktor Stampfer, als Chef Gardemanger tätig. Im Brenners Park Hotel & Spa in Baden-Baden erkochte Krolik im Jahr 2005 seinen 1. Michelin Stern. Im November 2010 wurden seine exzellenten Küchenleistungen mit dem 2. Stern belohnt.