Ägypten-Reisen abgesagt

Die großen deutschen Reiseveranstalter werden bis Mitte Februar keine Urlauber mehr nach Ägypten bringen. Die Reiseverträge werden von den meisten Anbietern aktiv gekündigt, wie der Deutsche Reiseverband (DRV) am Dienstag mitteilte. Das bedeutet, dass Abflüge gestrichen werden und betroffene Urlauber ihr Geld zurückbekommen. Wollen sie stattdessen andernorts Urlaub machen, müssen sie neu buchen. An eine Evakuierung aller deutschen Touristen, die sich derzeit in Ägypten aufhalten, ist aber weiter nicht gedacht.

Mit der Entscheidung reagiert die Reisebranche auf die erneute Verschärfung der Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes. Das Ministerium rät wegen der anhaltenden Unruhen dringend von Reisen nach ganz Ägypten ab. Das schließe ausdrücklich auch die Touristengebiete am Roten Meer mit ein, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP).

Versorgungsengpässe könnten wegen der Unruhen nicht ausgeschlossen werden, sagte DRV-Hauptgeschäftsführer Hans-Gustav Koch der Nachrichtenagentur dpa. Derzeit hätten die Hotels in den Urlaubsorten am Roten Meer wie Hurghada und Scharm el Scheich allerdings genug Verpflegung. Die Gäste seien «rundum gut betreut», erklärte Koch, der die Absage der Reisen als «reine Vorsichtsmaßnahme» bezeichnete.

Wie viele deutsche Urlauber derzeit in Ägypten sind, lasse sich nicht genau beziffern. Es seien aber auf jeden Fall mehr als in Tunesien, wo die Reisebranche wegen der Unruhen eine große Rückholaktion organisiert hatte. «Wir reden hier über etwa 30 000 Gäste», sagte Koch. In Tunesien seien es 7000 bis 8000 gewesen. Eine Rückholung sei im Fall Ägypten nicht erforderlich, sagte Koch, «und sie würde bei vielen Urlaubsreisenden dort auch auf Unverständnis stoßen.» Die Lage in den Touristengebieten am Roten Meer sei weiterhin ruhig - was auch das Auswärtige Amt in seinem Sicherheitshinweis bestätigt.

Gekündigt werden die Reiseverträge jetzt je nach Veranstalter für Abflüge aus Deutschland bis zum 13., 14. oder 15. Februar. Außerdem bieten viele Tourismusunternehmen kostenlose Umbuchungen bis Ende Februar an. Sollte es vorzeitige Rückreisewünsche geben, bestünden freie Kapazitäten bei den Fluggesellschaften. Ein solcher Bedarf sei für die Branche «aber noch nicht erkennbar». Auch am Montag und Dienstag seien noch Gäste nach Ägypten angereist. Am Montag seien allerdings deutlich weniger Touristen geflogen als vorgesehen, sagte Koch. «Und heute hatten wir fast leere Maschinen.»

Ägypten-Urlauber weichen auf andere Ziele aus

Sonne und Strand müssen sein: Die meisten Touristen mit Buchungen für Ägypten möchten wegen der Unruhen nicht zu Hause bleiben. Zwar hat die Reisebranche jetzt bis Mitte Februar alle Touren ins Land der Pharaonen abgesagt. Die Gäste weichen aber auf andere Ziele aus.

Wegen der Unruhen in Ägypten zu Hause bleiben - für die meisten Touristen ist das keine Alternative. «Die wenigsten wollen jetzt ihren Urlaub an den Nagel hängen», sagt Anja Braun, Sprecherin des Marktführers Tui in Hannover. «Viele wollen jetzt am Anfang des Jahres in die Sonne» - und buchen kurzerhand auf andere Ziele wie die Kanarischen Inseln und die Türkei um. Langfristig werden die Urlauber dem Land der Pyramiden, Nilkreuzfahrten und bunten Korallenriffe jedoch nicht fernbleiben, schätzen Experten - so lange kein deutscher Reisender verletzt wird.

Am Montag hätten noch 60 Prozent der Tui-Pauschalurlauber ihre gebuchte Reise ans Rote Meer angetreten, sagt Braun. Doch am Dienstag verschärfte das Auswärtige Amt seinen Sicherheitshinweis. Es rät nun ausdrücklich auch von Reisen in die Badeorte ab. Die Veranstalter reagierten rasch: Sie strichen bis Mitte Februar alle Ägypten-Reisen. Wer in die Sonne will, kann zudem bis Ende Februar umbuchen, ohne dafür Gebühren zahlen zu müssen.

Die meisten Urlauber dürften sich kaum daran stören, am Strand eines anderen Landes zu liegen als zunächst geplant, vermutet Prof. Martin Lohmann. Viele hätten keine große Bindung an Ägypten. «Die werden mühelos auch woanders glücklich», sagt der Leiter des Instituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa in Kiel.

Viele werden ihr Urlaubsglück in den kommenden Wochen wohl auf den Kanarischen Inseln und in der Türkei suchen. Diese Ziele bieten ebenfalls Sonne und Strände und sind ähnlich schnell zu erreichen, erklärt Matthias Brandes, Sprecher von Thomas Cook in Oberursel (Hessen). In der Türkei seien die All-Inclusive-Anlagen auch ähnlich günstig wie in Ägypten. Für die Kanaren könnte dagegen ein Aufpreis fällig werden. Bei Thomas Cook mit der Marke Neckermann buchten viele Kunden außerdem auf die Arabischen Emirate um, sagt Brandes.

Sportliche Urlauber zieht es wahrscheinlich nach Mallorca, sagt Daniela Sauerwald von der Rewe-Pauschaltouristik (ITS, Jahn Reisen, Tjaereborg) in Köln. Und «wer tauchen will, weicht vielleicht eher auf die Fernstrecke aus, da gibt es auf der Mittelstrecke nichts Vergleichbares». Prächtige Riffe wie im Roten Meer finden Taucher zum Beispiel auf den Malediven, in der Karibik, in Indonesien und Thailand. Schwieriger, einen Ersatz zu finden, werde es dagegen für Kulturtouristen, die eine Nilkreuzfahrt gebucht haben. Aber solche Reisenden seien eine kleine Minderheit.

Wann sie wieder auf den Kreuzfahrtschiffe auf dem Nil zu den Tempeln von Luxor tuckern können, ist schwer abzuschätzen. Es sei «völlig unabsehbar, ob diese Entwicklungen zu großen Unruhen führen, die das öffentlichen Leben lange lahmlegen und eine Reise für Touristen gefährlich machen», sagt Prof. Lohmann. «Es könnte auch sein wie in Tunesien, dass sich die Lage einigermaßen beruhigt. Das kann in Ägypten in zwei Wochen auch wieder der Fall sein.»

Entscheidend sei, ob es für Touristen gefährlich wird und ob es Versorgungsschwierigkeiten gibt. «Das klingt jetzt ein bisschen zynisch: Der Urlauber ist eigentlich nur dann geschockt, wenn in Touristenzentren etwas passiert», sagt Prof. Karl Born, der an der Hochschule Harz in Wernigerode lehrt. Sollte jedoch kein deutscher Tourist verletzt werden, würden die Urlauber Ägypten nicht langfristig fern bleiben. «Langfristig, so in einem Rhythmus von ein paar Wochen, nachdem das ganze Problem gelöst ist, kommen die Touristenzahlen relativ schnell auf die alte Höhe zurück», sagt Born.

Bis Dienstag wollten die meisten Deutschen, die schon am Roten Meer waren, ihren Ägypten-Urlaub nicht abbrechen. Am Montag hätten nur 30 von rund 3100 Kunden darum gebeten, früher als vorgesehen nach Hause zu fliegen, sagt Rewe-Sprecherin Sauerwald. Das Auswärtige Amt wies am Dienstag allerdings darauf hin, dass die ägyptische Opposition zu einem landesweiten Generalstreik aufgerufen habe - dessen Ende nicht absehbar sei. Wenn es dazu kommt, könnte es auch in den Urlaubsidyllen am Roten Meer ungemütlich werden. dpa