Von Kathrin Aldenhoff
Ganz klar, da fehlt was: Der erste Schluck schmeckt säuerlich, ein wenig Zitrusaroma, der Abgang - verhalten. Ein Blick auf das Etikett der Weinflasche macht schnell klar, was hier nicht stimmt: Statt rund 13 Prozent Alkohol enthält alkoholfreier Wein maximal 0,5 Prozent, so viel ist laut Gesetz erlaubt. "Beim zweiten Schluck hat sich der Gaumen schon daran gewöhnt", sagt Elke Röder, Chefin des Weinguts Leo Sauer im unterfränkischen Eibelstadt. Und lächelt aufmunternd.
"Weinschorle ohne Kohlensäure", so beschreibt die 48-Jährige den Geschmack ihrer alkoholfreien Weine. Seit 15 Jahren verkauft sie die, als einziges Weingut in Franken. Kunden hatten sie öfter darauf angesprochen, warum es denn alkoholfreies Bier gebe, aber keinen alkoholfreien Wein. "Dann haben wir angefangen, das auszuprobieren", sagt die ausgebildete Winzermeisterin. Sie hat gelernt, dass sich die Rebsorten Scheurebe und Müller-Thurgau, Dornfelder und Rotling besonders gut für alkoholfreien Wein eignen, weil sie ein starkes Aroma besitzen. Zwischen 6000 und 8000 Liter verkaufen sie und ihr Mann inzwischen jedes Jahr davon.
Doch dahinter steckt ein ziemlicher Aufwand, denn den Alkohol entziehen sie dem Wein nicht selbst: Dafür fahren Elke und Werner Röder mit einem Tank voll fertigem Wein nach Waiblingen bei Stuttgart, ins Entalkoholisierungszentrum. In einer großen Halle stehen dort Tanks und Filter, Rohrleitungen ziehen sich durch den Raum, beschreibt Werner Röder die Maschine, von der es nur wenige in Deutschland gibt.
Weiß, Rosé, Rot - der Reihe nach geht es durch die Maschine. In einem Druckbehälter wird der Wein leicht erwärmt, auf rund 28 Grad. "Wichtig ist, dass das schonend passiert. Wird der Wein zu heiß, gibt das einen Karamellgeschmack", erklärt er.
Der Alkohol verdampft und wird durch Leitungen in extra Behälter geführt. Die sind verplombt, denn überall dort, wo Alkohol entsteht, hat der Zoll wegen der Branntweinsteuer ein Wörtchen mitzureden. Die Zollaufsicht genehmige die Anlage, und ein Zöllner sei dabei, wenn der Alkohol für den Abtransport aus dem Behälter geholt werde, sagt der Geschäftsführer des Zentrums, Jürgen Petershans.
Im Weinkeller der Familie Röder stehen große blaue und graue Gitterbehälter und Weinkisten aus Holz, darin stapeln sich die Flaschen. Etwas weiter lagern in 5000-Liter-Tanks Silvaner und Weißburgunder. Denn natürlich gibt es bei Leo Sauer vor allem ganz normalen Wein. Alkoholfreier Wein ist für sie manchmal eine Alternative: "Wenn wir mit dem Auto bei Freunden sind, nehme ich mir oft eine Flasche von dem Alkoholfreien mit", sagt Elke Röder. Ihre Kunden sind Sportler, schwangere Frauen, ältere Menschen, die keinen Alkohol mehr trinken dürfen, aber nicht ganz auf das Wein-Gefühl verzichten wollen.
"Wichtig ist, dass der Ausgangswein eine hohe Qualität hat", sagt der Geschäftsführer des Verbandes der Hersteller alkoholfreier Weine, Hans Hieronimi aus Koblenz. "Wenn man billigen Wein entalkoholisiert, dann schmeckt er nicht mehr." Die Aromastoffe, die sind das Problem. Denn die hängen sich gerne an die Alkoholmoleküle. Es ist sehr schwer, einen alkoholfreien Wein zu machen, der nach etwas schmeckt.
Beim Sekt ist das leichter, die Kohlensäure kompensiert den fehlenden Alkohol und dient an seiner Stelle als Geschmacksträger. Ein Grund, warum im Supermarktregal inzwischen mehrere Sorten alkoholfreier Sekt, aber keine alkoholfreien Weine stehen. "Der Trend geht aber zum alkoholfreien Wein", fügt Hieronimi hinzu.
Der Hauptkellermeister der Winzergemeinschaft Franken (GWF), Christian Baumann, geht das Thema anders an: Seit 2008 verkauft die Genossenschaft alkoholreduzierte Weine. Mit rund neun Prozent Alkohol ist der deutlich leichter als die üblichen Weine. Das erreicht Baumann, indem er Trauben aus unterschiedlichen Reifestadien verarbeitet: Manche werden früher gelesen, bei manchen wird die Gärung früher gestoppt. Rund 110 000 Liter will die GWF 2013 davon verkaufen, Tendenz steigend.
Seit den 90er Jahren beschäftigt das Thema die GWF und andere Weinhersteller in Deutschland. Als das alkoholfreie Bier populär wurde, wollten sie mitziehen. Doch im Gegensatz zum Bier sei Wein ohne Alkohol immer noch ein Nischenprodukt, sagt Hieronimi.
Deutschlandweit gibt es vielleicht eine Handvoll Produzenten. Dabei sei der Bedarf riesig, meint Elke Röder. Und wenn mehr Winzer mitziehen würden, könnte man auch die Vermarktung verbessern. Es müsse nur jedem klar sein, dass alkoholfreier Wein nicht wie einer mit Alkohol schmecken könne. Deshalb ist ihr Lieblingswein, und auch der ihres Mannes, ein ganz trockener Silvaner – mit Alkohol. dpa