Alkoholverbot bleibt bei Corona Gericht kippt Berliner Sperrstunde

Elf Gastronomen hatten sich dagegen gewandt und bekamen Recht. Sie dürfen nach dem Beschluss nun auch nach 23.00 Uhr öffnen, jedoch weiterhin ab diesem Zeitpunkt keinen Alkohol mehr ausschenken, wie ein Gerichtssprecher am Freitag sagte.

Ob dies eingehalten wird, müssen nun die Behörden der Hauptstadt kontrollieren. Es ist zu erwarten, dass sich weitere Gastronomen auf den Beschluss berufen und länger öffnen.

Die Sperrstunde zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr galt seit vergangenem Samstag für Restaurants, Bars, Kneipen und die meisten Geschäfte. Der Senat hatte damit auf die deutlich gestiegenen Infektionszahlen reagiert.

Dabei hatten sich Bund und Länder Berlin erst in dieser Woche zum Vorbild genommen: Sie vereinbarten am Mittwoch, dass es in Corona-Hotspots künftig generell eine Sperrstunde um 23.00 Uhr in der Gastronomie geben solle. Dies soll ab 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in einer Woche gelten.

Es sei nicht ersichtlich, dass die Sperrstunde für eine nennenswerte Bekämpfung des Infektionsgeschehens erforderlich sei, begründete indes das Berliner Gericht seinen Beschluss. Es bezog sich auf das Robert Koch-Institut. Beobachtet worden seien demnach Fallhäufungen bei Feiern im Familien- und Freundeskreis, in Einrichtungen wie etwa Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und in Verbindung mit religiösen Veranstaltungen sowie Reisen.

«Auch die Gefahr einer alkoholbedingten "Enthemmung" nach 23.00 Uhr bestehe nicht», zitiert eine Gerichtsmitteilung den Beschluss. Gastwirte könne nicht pauschal unterstellt werden, dass sie die Vorgaben nicht einhielten. «Allein die bessere Kontrollmöglichkeit einer Sperrstunde könne daher hier nicht zur Rechtfertigung der Maßnahme herangezogen werden.»

Weil das Infektionsumfeld Gaststätte eine untergeordnete Bedeutung habe, sei die Sperrstunde zudem ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit. Gegen den Beschluss ist eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg möglich.

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) sagte: «Mit dem Urteil bleibt das Alkoholverbot bestehen, das ist eine wichtige Botschaft. Wie wir weiter vorgehen, prüfen wir noch.»

Nach Angaben von Rechtsanwalt Niko Härting hatten die Bar- und Clubbesitzer in ihren Anträgen die Sperrstunde als unverhältnismäßig kritisiert. Aus ihrer Sicht gab es keine überzeugende Begründung dafür. Die Sperrstunde führe dazu, dass sich junge Menschen dann an anderen Orten träfen, für die keine Hygienekonzepte gelten. dpa

Wirtschaftssenatorin appelliert an Gastwirte

Nach dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts gegen die Sperrstunde hat Wirtschaftssenatorin Ramona Pop an die Verantwortung der Gastwirte in der Corona-Krise appelliert. «Jetzt appelliere ich an alle Wirte, weiterhin verantwortungsvoll zu sein und die vorgelegten Hygienekonzepte sehr genau zu beachten», erklärte die Grünen-Politikerin am Freitag. Der Senat werde die Urteilsbegründung nun prüfen und über das weitere Vorgehen beraten. dpa

Kippendes  Beherbergungsverbot 

Auch das Beherbergungsverbot für Urlauber aus Regionen mit hohen Infektionszahlen wird immer löchriger. Bayern lässt es an diesem Freitag auslaufen, wie Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) der Deutschen Presse-Agentur in München sagte. Auch Hessen plant die Abschaffung.

Das Beherbergungsverbot war beim Corona-Gipfel am Mittwoch im Kanzleramt hochumstritten gewesen. Länder wie Nordrhein-Westfalen und Thüringen setzten es gar nicht um, andere wie Mecklenburg-Vorpommern halten bis heute strikt daran fest. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat nur die Bereitschaft signalisiert, die in ihrem Land besonders strengen Regelungen etwas zu lockern. Bund und Länder fanden denn auch keine Einigung und vertagten das Thema bis zum 8. November.

Am Donnerstag kippten dann Gerichte in Baden-Württemberg und Niedersachsen die dortigen Verbote. Sachsen und das Saarland strichen die Regel freiwillig. Die Rechtssprechung ist allerdings nicht eindeutig. Das Oberverwaltungsgericht in Schleswig-Holstein wies am Donnerstag einen Eilantrag gegen das Beherbergungsverbot ab.

Dass das Verbot auch in Bayern fallen werde, hatte Ministerpräsident Markus Söder schon am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung «Markus Lanz» angekündigt. Die Einschränkungen für Urlauber aus Corona-Hotspots seien im Kampf gegen die Seuche «in der Tat nicht das Wichtige», sagte er dort. «Auch bei uns wird das so sein, dass wir das Stück für Stück auslaufen lassen.» Voraussetzung sei aber, dass die Menschen sich an die neuen, strengeren Beschränkungen hielten.

Nach der Regelung durften Touristen aus Gegenden mit besonders hohen Infektionszahlen nur in ein Hotel oder eine Ferienwohnung, wenn sie einen negativen Corona-Test vorlegen konnten, der nicht älter als 48 Stunden war. In Mecklenburg-Vorpommern ist darüber hinaus eine fünftägige Quarantäne und anschließend ein zweiter negativer Corona-Test vorgeschrieben.

Prof. Michael Meyer-Hermann, Leiter der Abteilung System Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, zeigte sich enttäuscht über die Ergebnisse der Bund-Länder-Runde. «Wir haben Zeichen, dass das Virus sich gerade unkontrolliert ausbreitet», sagte er am Donnerstagabend im ZDF-«heute-journal». Er habe deshalb am Mittwoch bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Kanzleramt eine «große Warnung» ausgesprochen. «Die Maßnahmen, die erfolgt sind, sind nicht die, die ich mir erhofft hatte», bedauerte Meyer-Hermann.

Die Nachverfolgung der Infektionen könne vielerorts nicht mehr gewährleistet werden. «Die Bevölkerung muss einfach verstehen, dass es jetzt um die Wurst geht», sagte der Experte. Die Menschen müssten Feste viel stärker einschränken und auf Reisen - wenn möglich - verzichten und konsequent Maske tragen.

Laut einer Umfrage im Auftrag des ARD-«Morgenmagazins stoßen die unterschiedlichen Maßnahmen und Regelungen in den Bundesländern bei den Bürgern auf wenig Akzeptanz: Gut zwei Drittel (68 Prozent) befürworten eher einheitliche Regelungen für Deutschland. Nach einer Forsa-Umfrage für RTL hat eine große Mehrheit der Bürger (74 Prozent) nicht den Eindruck, dass Bundesregierung und Bundesländer bei der Eindämmung der Corona-Pandemie gut zusammenarbeiten. dpa