Wo alles begann? Bei Thomas und Mathias Sühring lässt sich die Frage ziemlich einfach beantworten: im Krankenhaus Berlin-Friedrichshain, am Rande des gleichnamigen Volksparks im Osten der deutschen Hauptstadt. Dort wurden die Zwillingsbrüder am 30. April 1977 geboren. Genau dort hatten sie auch den ersten Kontakt zum späteren Beruf. In den Schulferien jobbten sie in der Krankenhausküche: anfangs als Tellerspüler, dann auch am Herd.
Wenn den beiden damals in der DDR jemand gesagt hätte, dass sie einmal zu den besten Köchen Asiens zählen würden, hätten sie das als Schwachsinn abgetan. Aber genau so ist es gekommen: Mit ihrem ersten eigenen Restaurant "Sühring" haben es die Brüder, die seit 2008 in Bangkok zu Hause sind, soeben unter die 50 besten Restaurants ganz Asiens geschafft - als erste Deutsche überhaupt.
Platz 13, und das gleich auf Anhieb. Die Gaststätte - eine alte Diplomatenvilla aus den 1970er Jahren, nicht einmal so zentral gelegen, aber inmitten eines tropischen Gartens - wurde erst vor zwölf Monaten eröffnet. 70 Plätze, 35 Mitarbeiter, ein Menü mit acht oder zwölf Gängen. Der Preis: 2200 beziehungsweise 2800 Baht (60 beziehungsweise 75 Euro), Service und Getränke extra.
Für Thailands Hauptstadt mit ihren vielen Straßenküchen, wo man auch für umgerechnet 1,50 Euro ausgezeichnet essen kann, ist das viel Geld. Trotzdem ist das "German Restaurant" inzwischen fast jeden Abend ausgebucht. Aufs Essen legt man in Bangkok enormen Wert. Mathias Sühring sagt: "Dafür geben die Leute hier mehr Geld aus als für Kultur." Und es gibt auch genügend Thais, die sich das "Sühring" leisten können.
Vor allem aber: Etwas Vergleichbares gibt es hier nicht. Die Sührings verstehen ihr Restaurant als Außenposten der neuen deutschen Küche. Auf dem Menü stehen Hausmanns-Klassiker wie Bismarck-Hering, Spätzle oder Frankfurter Grüne Soße, alles modern verfeinert. Höhepunkt für viele ist die "Brotzeit", ein Zwischengang: Bauernbrot mit Butter, Speck, Schinken und Aal.
Manche Thais geraten dabei regelrecht in Verzückung. Für Deutsche ist das Abendbrot in tropischer Hitze doch etwas merkwürdig - zumal wenn sich die einheimische Kellnerin dann auch noch in der Erklärung versucht, was ein bayerischer Obazda ist und wie genau man das auszusprechen hat.
Dabei war deutsche Küche gar nicht mal die erste Idee. "Anfangs haben wir auch gedacht: "Wie verrückt ist das denn?"" erzählt Thomas Sühring, der wie sein Bruder in verschiedenen europäischen Sterne-Restaurants gearbeitet hat. "Aber dann wurde uns klar, dass wir uns abheben müssen." Mathias Sühring ergänzt: "Deutsche Küche, das heißt hier Schweinsbraten und Sauerkraut. Wir wollten zeigen, dass es noch was Anderes gibt. Und das funktioniert."
Den Sührings kommt zugute, dass Deutschland gerade hoch im Kurs steht. "Die Asiaten sind Deutschland-Fans", sagt Thomas Sühring, um fünf Minuten der Ältere. Inzwischen kommen aber auch Deutsche ins "Sühring", wenn sie das Heimweh plagt. Für die beiden selbst, so erzählen sie, ist Bangkok längst zur Heimat geworden. Beide sind mit Thailänderinnen zusammen, Thomas Sühring heiratet demnächst.
Für ihre Küche ist aber auch einiger Aufwand erforderlich. Viele Dinge bekommen die Sührings in Thailand nicht. Weißer Spargel, Quitten, Kerbel oder Estragon werden importiert. Der Qualität wegen wird auch das meiste Fleisch aus Deutschland oder Holland eingeflogen.
Es ist gewissermaßen das Gegenmodell zur in Berlin angesagten Küche, wo unter dem Slogan "brutal lokal" regionale Produkte gerade sehr angesagt sind. In Bangkok gilt eher: brutal global. Mit der Ökobilanz hat man es hier nicht so.
Zum Abschluss gibt es bei den Sührings immer einen selbst gemachten Eierlikör - wie so vieles ein Rezept der Großmutter aus der Lausitz. Oma Christa ist sehr stolz auf die beiden Enkel. Nach Bangkok hat sie es allerdings noch nie geschafft. Auch zur demnächst anstehenden Familienfeier - Hochzeit, 40. Geburtstag der Zwillingsbrüder - wird sie wohl nicht kommen: Oma Christa hat Flugangst. dpa