Von Manuel Meyer
Ruhig gleitet das schneeweiße Segelboot durch das seichte Hafenwasser von Mahón. Der Ausblick auf den Hafen mit seiner Altstadt und der ockerfarbenen Kathedrale könnte romantischer kaum sein. Dennoch wollen wir die Inselhauptstadt hinter uns lassen und eine Seite Menorcas und seiner Nachbarinseln entdecken, die nur wenige Urlauber zu Gesicht bekommen. Dafür müssen wir aber erst einmal arbeiten.
Alle packen beim Segelsetzen zu. Kein leichtes Unterfangen für Landratten, die anfangs tollpatschig über das Deck stolpern und eher im Weg stehen, als wirklich zu helfen. Aber es macht Spaß und umso schöner ist das Gefühl, als endlich die weißen Segel im Wind flattern - auch wenn es eigentlich das Werk des Skippers ist, der jetzt den Motor ausschaltet.
Ohne das Motorgeräusch ändert sich mit einem Schlag die Atmosphäre an Bord. Der Wind in den Segeln und das Wasserrauschen sind fast die einzigen Geräusche. Ein unbeschreibliches Freiheitsgefühl macht sich breit.
Vorbei an den jahrhundertealten Wehrtürmen Marlborough und Torre d'en Penjat steuern wir Richtung Süden auf die Menorca vorgelagerte Illa de l'Aire zu. Die «Insel des Winds» macht ihrem Namen alle Ehre. Wir genießen herrliche Blicke auf bizarre Klippenformationen, die von riesigen Grotten ausgehöhlt sind. Touristen, die oben auf den Steilklippen aufs Meer schauen, können sich gar nicht vorstellen, welch skurrile Felslandschaft sich direkt unter ihnen befindet.
In den Cales Coves, der Bucht der Höhlen, gehen wir zum Mittagessen erst einmal vor Anker. Bis zu 90 Höhlen befinden sich in den senkrechten Felswänden. Die ältesten dieser teils künstlich angelegten Felskammern stammen aus dem 9. Jahrhundert vor Christus. Hier lebten die Ureinwohner der Insel, und bis 1995 waren sie noch von Hippies bewohnt. Dann ließ die Polizei die Höhlen räumen. Die Ruhe ist himmlisch. Während sich in anderen Buchten die Touristenscharen am Strand drängeln, ist man hier fast ganz alleine.
Doch selbst im Sommer überlaufene Traumbuchten wie die aus vielen Werbespots berühmten Cala Macarella und Cala Macarelleta sind mit dem Segelboot relativ stressfrei zu besuchen, da man weit vom Trubel entfernt ankern kann. In der Cala en Turqueta gehen wir rund 150 Meter vom Strand entfernt vor Anker. Der Boden ist sandig und lässt das Wasser so türkis-transparent wirken, dass der Eindruck entsteht, das Boot würde im Nichts schweben. Wir springen ins Wasser, schwimmen gemütlich, sonnen uns entspannt auf dem Deck. Die Strandbesucher liegen wie Sardinen in der Dose.
Während Roberto und Rebeca an den weiter vom Strand entfernten Felsen schnorcheln gehen, um mehr Fische als Menschen sehen zu können, wirft Skipper Blai die Angel aus. Es verschlägt uns die Sprache. In nur drei Minuten holt er für jeden seiner vier Gäste einen Fisch aus dem Meer. Geschickt nimmt er die Brassen aus, wäscht sie und wirft sie direkt mit etwas Salz und Knoblauch in die Pfanne. «Frischeren Fisch könnt ihr nicht bekommen», sagt Blai. Dazu gibt es Paella.
Langsam leert sich der Strand. Zum Abendessen gehört uns die Bucht alleine. Eine leichte Brise weht den Duft der an die Bucht grenzenden Pinienwälder herüber, während sich langsam über uns ein überwältigendes Sternenzelt ausbreitet. Romantik pur, bis der Rotwein und die Wellen uns in den Schlaf schaukeln.
Am nächsten Morgen springt Roberto zum Wachwerden ins kühle Nass und zieht einige Bahnen im flachen Meer. Einen Toast und einen Café con leche und dann heißt es wieder Segel setzen, noch bevor die ersten Strandgäste die Bucht erreichen. Auf uns wartet Mallorca.
Die Ankunft auf der größten Balearen-Insel könnte spektakulärer kaum sein. Bis zu 384 Meter hoch baut sich das Cap Formentor majestätisch vor uns auf. Oben auf der Landzunge bahnen sich Autokolonnen im Stau den Weg zum Leuchtturm. «Ich erinnere mich, wie ich vor Jahren mal da oben stand und damals die Leute unten auf den Segelyachten beneidet habe», sagt Rebeca und versichert, der Anblick vom Meer aus sei wesentlich imposanter als von oben. Auch wir können uns kaum sattsehen an den eindrucksvollen Steilklippen der Halbinsel, die von den Mallorquinern «Treffpunkt der Winde» genannt wird.
Unter vollen Segeln durchqueren wir die Bucht von Pollença und erreichen das Cap del Pinar. Nach einer kurzen Wanderungen durch die dichten Pinienwälder und dem Besuch des aus dem 13. Jahrhundert stammenden Klosters Ermita de la Victoria, umrunden wir die Halbinsel bis zum Strand Coll Baix. Die unberührte, rund 250 Meter lange Bucht ist ein Geschenk der Natur. Doch nur wenige Mallorca-Urlauber sind bereit, sich den teils steinigen, kilometerweiten Weg durch die Pinienwälder zu suchen. So genießen Bootsbesitzer den idyllisch gelegenen, braunen Sandstrand fast für sich alleine. Ganz in der Nähe befinden sich interessante Grotten und Felsformationen zum Schnorcheln und Tauchen.
Im Yachthafen von Alcúdia, wo wir die Nacht verbringen, lernen wir Antonio Domingo und Joan Darder kennen. Die beiden Mallorquiner laden uns am nächsten Tag auf einen Segeltörn der ganz besonderen Art ein: Ihre 40 Jahre alte «Llaud», ein typisch mallorquinisches Holzsegelboot, von denen es nur noch wenige gibt, funktioniert noch mit einem Lateinersegel, wie es schon die Römer benutzten.
Auf dem Weg nach Porto Cristo, einem niedlichen, vom Massentourismus aber noch verschonten Ort, schmeißen wir den Motor an. Uns bleibt bei einer Windstärke von gerade einmal fünf Knoten auch keine Alternative. Über die Cala Mitjana geht es weiter zum Bilderbuchstrand von Es Trenc im Süden Mallorcas, an dem wir vor Anker gehen. Neidisch schauen die Strandbesucher zu uns herüber, als sie am Abend in ihre Hotels zurück müssen und wir einfach vor dem Strand übernachten können.
Während wir in Es Trenc festmachen, setzen andere Segelboote zur Ziegeninsel über. Die Mallorca vorgelagerte Insel Cabrera ist weitgehend unbekannt, was daran liegt, dass es weder Hotels noch Fähren dorthin gibt. Dabei gehört die kleinste bewohnte Balearen-Insel zu den letzten noch unberührten Naturparadiesen im Mittelmeer.
Durch die Bucht von Palma segeln wir an der Kathedrale und am Marivent-Palast, der Sommerresidenz der spanischen Könige, vorbei. Doch wir haben keine Zeit für einen Besuch. Bis Ibiza ist es noch eine lange Tagestour. Der Wind hat glücklicher Weise wieder zugelegt. Die Faszination, nur mit seiner Kraft vorwärtszukommen, muss man einfach erlebt haben. Es ist ein Lebensgefühl, eine andere Welt. Dennoch sind wir froh, bei Abenddämmerung die Cala Xarraca im Nordwesten Ibizas erreicht zu haben. Frische Brassen mit Weißwein und ein spektakulärer Sonnenuntergang machen die lange Überfahrt vergessen.
Vom Ibiza-Rummel bekommen wir bis San Antonio nichts mit. Hohe Wellen und Gegenwind machen uns gen Süden zu schaffen, doch die gigantische Klippenlandschaft an der noch größtenteils unbesiedelten Nordwestküste ist die Mühe wert. Wir umrunden die malerische, von einem Tunnel ausgehöhlte Felseninsel Isla Margarita. Bis zu 258 Meter erheben sich die Steilklippen am Cap Nuno. Kilometerlang streckt sich die Felsküste aus Kalkstein mit tief eingeschnittenen, menschenleeren Badebuchten. Hier ist das Reich der Möwen und Kormorane.
Ab der Partyhochburg San Antonio erfährt der Segler ein Wechselbad der Gefühle. Zwar können wir den feiernden Horden am Strand mit unserem Segelschiff entkommen. Doch Partyboote mit lauter Techno-Musik holen uns immer wieder ein und stören gelegentlich die himmlische Ruhe auf den vorgelagerten Inseln Conejera und Isla del Bosque mit ihren bizarren Felsformationen und einsamen Naturbuchten.
Wir fliehen weiter Richtung Es Vedra. Die sagenumwobene Felseninsel im Süden Ibizas wirkt mit ihren 382 Metern Höhe auch von weitem beeindruckend. Unzählige Geschichten und Legenden kreisen um diesen Ort, an dem die Jungfrau Maria erschienen sein soll und den manche Hippies für die Spitze des versunkenen Atlantis oder sogar für einen Ufo-Landeplatz halten. Nähert man sich den schroffen Felsen mit dem Boot, wird schnell klar: Das hier ist ein von wenigen Ziegen und Hunderten von Möwen und anderen Seevögeln bewohntes Eiland. Dennoch: Die Einsamkeit ist bezaubernd.
Café del Mar, Hippiemärkte, Discos und Sandstrände mit Chillout-Musik und schönen Menschen. Das ist Ibiza. Aber es gibt auch ein ganz anderes Ibiza, das nicht jeder zu Gesicht bekommt und schon gar nicht vom Land aus. Mit dem Segelboot erschließt sich Abenteuer suchenden Urlaubern auf der balearischen Partyinsel ein unbekanntes Paradies aus wild zerklüfteten Felsen, Grotten und Stränden, an denen man noch ganz alleine ist. dpa
Balearen im Segelboot
Anreise: Zahlreiche Airlines fliegen täglich von Deutschland nach Palma de Mallorca, Menorca oder Ibiza. Klima und Reisezeit: Der Winter ist mild und feucht, der Sommer trocken und heiß. Beste Reisezeit für Segeltörns ist zwischen Mai und Oktober.
Segeltörn: Von eintägigen Segelboot-Ausflügen bis zu dreiwöchigen Umsegelungen aller vier Balearen-Inseln gibt es ein vielseitiges Angebot für alle Wünsche und Preisklassen.
Charter- und Bootsverleih: Bei der spanischen Vereinigung der Nautikstationen, Tel.: 0034/977/39 55 31.
Informationen: Spanisches Fremdenverkehrsamt, Kurfürstendamm 63, 10707 Berlin, Tel: 030/882 65 43, spain.info
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