Beherbergungsverbot Bis nach den Herbstferien

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Bürger aufgefordert, auf nicht erforderliche innerdeutsche Reisen in Gebiete und aus Gebieten mit hohen Corona-Infektionszahlen zu verzichten. Darin seien sich alle einig, sagte Merkel am Mittwochabend nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten der Länder. Wenn dies umgesetzt werden solle, stelle sich dies aber schwieriger heraus als der Satz klinge.

Die Länder hatten sich nicht auf einen einheitlichen Kurs beim umstrittenen Beherbergungsverbot einigen können. Merkel sagte, sie finde es vernünftig, dass nun bis nach den Herbstferien abgewartet werden und Erfahrungen gemacht werden sollten. Sie sagte aber zugleich, es sei noch viel Arbeit zu leisten. Reiseverkehr bringe viele Kontakte mit sich. Man habe die Mittel in der Hand, sich dem Virus entgegenzustemmen und mit ihm umzugehen. Merkel sprach von einer «Jahrhundertherausforderung». dpa

Bund und Länder vereinbaren schärfere Corona-Regeln

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben Bund und Länder schärfere Corona-Regeln vereinbart. Dazu gehören weniger Gäste bei Feiern sowie eine Sperrstunde in Hotspots.

Merkel forderte die Länder zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf. «Wollen wir einen beherzten Schritt machen, oder uns wieder Woche für Woche treffen wie im Frühjahr», sagte die CDU-Politikerin nach Angaben von Teilnehmern.

Die Kanzlerin hatte mehrfach betont, ein erneuter Lockdown solle unbedingt verhindert werden - also ein Herunterfahren des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens wie im Frühjahr. Vorrang müsse es haben, die Wirtschaft am Laufen zu halten und den Betrieb in Schulen und Kitas aufrechtzuerhalten.

Merkel, Bundesminister sowie die Regierungschefs der Länder waren am Mittag in Berlin zusammengekommen. Erst um kurz vor 19.00 Uhr begann die Diskussion um einen der umstrittensten Punkte, das Beherbergungsverbot für Reisende aus Risikogebieten im Inland.

Konkret beschlossen Bund und Länder aber bereits, dass in Regionen mit stark steigenden Corona-Zahlen private Feiern künftig generell auf maximal zehn Teilnehmer und zwei Hausstände begrenzt werden sollen. Die Begrenzung gilt bei mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche.

In Corona-Hotspots mit Inzidenzwerten von mehr als 50 sollen sich künftig nur noch maximal zehn Personen im öffentlichen Raum treffen dürfen. Und sollten die neuen Maßnahmen den Anstieg nicht zum Stillstand bringen, sollen sich nur noch bis zu fünf Personen oder die Angehörigen zweier Hausstände im öffentlichen Raum treffen dürfen.

In Städten und Regionen mit stark steigenden Corona-Zahlen soll außerdem die Maskenpflicht erweitert werden. Sie soll ab 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner in sieben Tagen auch überall da gelten, wo Menschen dichter beziehungsweise länger zusammenkommen.

Außerdem soll es in Corona-Hotspots künftig generell eine Sperrstunde um 23.00 Uhr in der Gastronomie geben. Dies soll ab 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in einer Woche gelten. Bars und Clubs sollen geschlossen werden.

Lokale, Bars und Clubs gelten unter Infektionsgesichtspunkten als riskant, weil sich hier viele Menschen auf engem Raum aufhalten. Insbesondere wenn viel Alkohol getrunken wird, werden die Abstandsregeln erfahrungsgemäß seltener eingehalten.

Das Problem besteht gerade jetzt in der kalten Jahreszeit, weil die Wirte im Freien keine Tische mehr aufstellen können. Die Sperrstunde würde aber auch viele Restaurants treffen, die sorgfältige Sicherheitskonzepte ausgearbeitet haben und anwenden. So stehen heute beispielsweise die Tische weiter auseinander als vor der Pandemie.

Mehrere Städte mit hohen Zahlen von Corona-Neuinfektionen haben bereits Sperrstunden verhängt. So müssen in Berlin seit dem vergangenen Wochenende Restaurants, Bars und Kneipen von 23.00 bis 6.00 Uhr morgens geschlossen sein. Auch in Bremen gibt es eine solche Regelung.

Bei den Beratungen im Kanzleramt ging es um eine einheitlichere Linie in der Pandemie-Bekämpfung für den Herbst und den Winter. In vielen Regionen in ganz Deutschland, darunter viele Großstädte, waren die Fallzahlen in den vergangenen Tagen und Wochen wieder massiv gestiegen. Mancherorts droht bereits ein exponentielles Wachstum, die Rückverfolgung von Ansteckungen könnte im schlimmsten Fall unmöglich werden.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mahnte seine Länderkollegen den Teilnehmerangaben zufolge zu einem schnellen und einheitlichen Vorgehen: «Wenn es losgeht, dann geht es sehr schnell. Wir kommen wieder voll in die Sprungkurve rein», sagte er. Die Frage sei daher nur, ob jetzt noch rechtzeitig gehandelt werde, «denn sonst sitzen wir in zehn Tagen eh wieder hier». Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) betonte, er sehe vor allem bei privaten Feiern die größten Probleme für die Verbreitung des Virus.

Wirtschaft, Ökonomen und Kommunen hatten vor den Beratungen Druck auf Bund und Länder gemacht, ihr Vorgehen besser zu koordinieren und zu vereinheitlichen - insbesondere bei den Beherbergungsverboten. Der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft warnte vor einem zweiten Lockdown der Branche durch die Hintertür.

Die meisten Bundesländer hatten am vergangenen Mittwoch beschlossen, dass Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei Reisen innerhalb von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen. An dieser Regelung gibt es massive Kritik.

Unterdessen plant Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) weitere Hilfen für besonders hart von Corona-Maßnahmen getroffene Unternehmen. Die bisher bis zum Jahresende laufenden Überbrückungshilfen sollen um ein halbes Jahr bis zum 30. Juni 2021 verlängert werden. Die Wirtschaftsleistung in Deutschland war im zweiten Quartal eingebrochen. dpa

RKI meldet Rekordwert bei Corona-Neuinfektionen in Deutschland

Die Zahl der binnen eines Tages mit dem Coronavirus neu infizierten Menschen in Deutschland ist erneut sprunghaft gestiegen und hat damit einen Rekordwert erreicht. Die Gesundheitsämter meldeten nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Donnerstagmorgen 6638 Neuinfektionen - rund 1500 mehr als am Mittwoch. Bislang waren Ende März mit knapp 6300 Neuinfizierten die meisten registriert worden. Allerdings sind die jetzigen Werte nicht mit denen aus dem Frühjahr vergleichbar, weil mittlerweile wesentlich mehr getestet wird - und damit auch mehr Infektionen entdeckt werden.

Am Mittwoch vergangener Woche hatten die Gesundheitsämter dem RKI 4059 Neuinfektionen mitgeteilt. Damit war zum ersten Mal seit April die 4000er Marke überschritten worden.

Die Zahl der Coronatests schwankt seit Mitte August zwischen rund 1,1 Millionen und 1,2 Millionen pro Woche. Die Rate der positiven Tests ist nach RKI-Angaben vom Mittwochabend jedoch deutlich gestiegen: von 0,74 Prozent Ende August auf 2,48 Prozent in der Woche vom 5. bis 11. Oktober.

In mehreren Labors gebe es einen Rückstau, einige gaben laut RKI Lieferschwierigkeiten für Reagenzien an. «Das RKI erreichen in den letzten Wochen zunehmend Berichte von Laboren, die sich stark an den Grenzen ihrer Auslastung befinden», schreibt das Institut im Lagebericht vom Mittwoch. Der zusätzliche Testbedarf durch Urlauber nach Einführung des Beherbergungsverbots mit der Option zu einer «Freitestung» habe die Situation weiter verschärft.

Seit Beginn der Corona-Krise haben sich nach RKI-Angaben mindestens 341 223 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert (Datenstand 15.10., 0.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion lag demnach bei 9710. Das waren 33 mehr als am Vortag. Nach Schätzungen des RKI gibt es etwa 284 600 Genesene.

Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag nach RKI-Schätzungen in Deutschland laut Lagebericht vom Mittwoch bei 1,04 (Vortag: 1,18). Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel etwa einen weiteren Menschen ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.

Zudem gibt das RKI in seinem aktuellen Lagebericht ein sogenanntes Sieben-Tage-R an. Der Wert bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger tagesaktuellen Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen lag dieser Wert bei 1,16 (Vortag: 1,20). Er zeigt das Infektionsgeschehen von vor 8 bis 16 Tagen. dpa

DEHOGA: Beherbergungsverbote müssen vom Tisch

Guido Zöllick, Präsident des DEHOGA Bundesverbandes, fordert eine Aufhebung, zumindest die Aussetzung, der Beherbergungsverbote in den Bundesländern:

„Die Beherbergungsverbote sind als Mittel zur Pandemiebekämpfung weder geeignet noch erforderlich und angemessen. Sie entsprechen nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie stiften Verwirrung, führen zu Verunsicherung bei Gästen wie Gastgebern und bedeuten zusätzliche Belastungen für unsere stark gebeutelte Branche. Erste Klagen sind bereits eingereicht.

Hotelaufenthalte sind sicher. Seit März ist kein relevantes Infektionsgeschehen in der deutschen Beherbergungsbranche bekannt geworden. Die Hotels verfügen über umfangreiche und strenge Hygiene- und Schutzkonzepte. Reisen innerhalb Deutschlands sind keine Pandemietreiber.

Mit den Reisebeschränkungen verbunden sind eine Vielzahl praktischer und rechtlicher Probleme. Immer mehr große Städte in Deutschland müssen in den Krisenmodus schalten. Damit betreffen die teilweise seit Juli geltenden Regelungen nun immer mehr Menschen. Hinzukommen die Kurzfristigkeit der konkreten Maßnahmen und fehlende Testkapazitäten, um mit negativen Corona-Tests von den Beherbergungsverboten ausgenommen zu werden. Die Folge: Frust bei den Gästen, die ihren Urlaub nicht antreten können, eine Stornierungswelle in den Hotels. Neubuchungen gehen dramatisch zurück. Die Frage, wer für den Schaden aufkommt, ist unklar.

Nicht nachvollziehbare, unbegründete Verbote sind nicht nur inakzeptabel, sondern auch kontraproduktiv, denn sie erhöhen nicht die Akzeptanz für notwendige Schutzmaßnahmen.“