Berlin - der Westen lebt!

Der Westen war mausetot, ein Lichtstrahl am Ende des Kurfürstendamms nicht in Sicht. Allein das hässliche Bauloch am Zoofenster währte so viele Jahre, dass sich das lethargische Westberlin daran gewöhnte.

Das Haus Cumberland verrottete, das Amerika-Haus verwitwete, die Filmbühne Wien verschwand hinter einem Baugerüst, kein Riesenrad kam und der Bahnhof Zoo versank in banaler Regionalität - Brache, Ohnmacht und Siechtum, das waren die dunklen Zeichen über dem Kudamm in den vergangenen 10 Jahren.

In der Zeit drehte der Osten auf. Große Zentren wurden belebt, die Friedrichstraße, Gendarmenmarkt sogar der Alex erwachte zu pulsierendem Leben. Während man sich im Westen die Augen rieb, machte im Osten ein Top-Restaurant und -Hotel nach dem anderen auf. Im Westen tote Hose!

Im Westen nichts Neues? Der ambitionierte Bau des Waldorf Astoria galt zwar als ein Signal, so richtig glaubte aber keiner an eine echte Belebung. Doch plötzlich ist das Haus eröffnet und das Glas halbvoll. Auch die Bau-Verkleidung der Gedächtniskirche soll im Frühjahr, spätestens im Sommer verschwinden.

Also Vorhang auf - da steht nicht nur ein Solist, sondern ein ganzes Orchester lässt mächtig die Fanfaren erklingen. Im gesamten Umfeld des Waldorf Astoria wird seit langem wie wild gebaut, das Bikini-Haus wird demnächst fertig, der Zoo-Palast wird zur übernächsten Berlinale wieder glänzen. Über eine Milliarde Euro belaufen sich die Investitionen, das überzeugt und beruhigt.

Galerien wie die Fotogalerie C/O ziehen in den Westen um - unerhört. Als hätte jemand den Schalter umgelegt. Und die magnetische Anziehungskraft wird täglich stärker. Das Cumberland leuchtet mit dem Grosz, Shan ist da, die Baulücke am Kudamm 195 endlich geschlossen.

Auch im Umfeld passiert etwas: Das Hotel Palace ist rundum renoviert und das Designhotel Das Stue ist ein überraschendes Juwel.

Lange haben die Kreativen und Entscheider aus den Kanzleien und Galerien im Osten gebraucht, um zu merken, dass in der Mitte Stau und Umleitung herrschen, geschuldet der hohen Politik, dass sie Stunde um Stunde auf der Straße vertun, um in ihre Villen im Grunewald zu kommen - wie Borchardt-Chef Roland Mary, oder warum hätte der sonst einen Laden am Kudamm eröffnet!

Plötzlich kommt neben Gucci, Cartier, Bulgari und Hermes auch der neue Apple Flagstore am Kurfürstendamm an, die Arbeiten am Atlas-Tower neben dem Waldorf Astoria haben begonnen. Bleibt nur noch das Gelände direkt hinter dem Luxushotel, mit Billig-Shops und Uhse-Erotik - doch auch dort zeichnen sich Lösungen ab, der Rush, der Rausch Richtung Westen ist einfach zu stark, als das sie da bleiben könnten. Das Motto Go West ist sexy gräbt sich in die Köpfe.

Restaurants wie Markus Semmler und Weinbars wie die Lage 93 neben Mövenpick Weinkeller sind bereits da, auch Lanninger eröffnet Ende Januar in diesem Dreieck im ehemaligen New York am Olivaer Platz.

Vielleicht wird der Sog so stark, dass es in ein paar Jahren, wenn die Umwandlung rund um die Gedächtniskirche abgeschlossen sein wird und der Flughafen BER rund 30 Millionen Touristen in die Stadt schleusen wird, sogar auch wieder der ICE im Bahnhof Zoo hält, sich auch die Bahn der Wende nicht mehr verschließen kann.

Die Renaissance von West-Berlin hat begonnen.

Ich freue mich!

Niko Rechenberg