Christian Jürgens aus der Überfahrt im Interview

Von Britta Schultejans

Er hat Zucchiniblüten mit Blutwurstmousse gefüllt - und darf sich auch dafür nun «Koch des Jahres» nennen. Christian Jürgens hat zwei Michelin-Sterne erkocht und 19 Gault Millau-Punkte, der 44-Jährige ist vom Restaurantführer Gault Millau 2013 zum «Koch des Jahres» ernannt worden - «das ist so etwas wie eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen», sagt Jürgens im Interview.

Als Jürgens, ein Metzgersohn aus dem Ruhrgebiet, anfing, das Kochen zu seinem Beruf zu machen, gab es den Begriff Star-Koch noch nicht - oder zumindest noch nicht in der inflationären Form. Den Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann kannte man, ansonsten waren Köche damals noch nicht die Medienstars, die sie heute sind. «Die Jungs, die da jetzt mitmischen, stehen ja nicht erst seit ein paar Jahren am Kochtopf; sie - und ich auch - haben also angefangen, bevor der große Boom losging», sagt Jürgens.

Seine Karriere führte ihn aus seiner Geburtsstadt Unna über seine Ausbildung in Bad Homburg Ende der 1980er Jahre nach München. Dort arbeitete er bei Feinkost Käfer, dann im «Tantris» und landete nach Stationen in Aschau und auf Sylt schließlich in Witzigmanns «Aubergine». Seit 2008 ist er der Küchenchef im Gourmet-Restaurant «Überfahrt» in Rottach-Egern am Tegernsee. Im gleichen Jahr, vier Jahre vor dem Gault Millau, kürte die Zeitschrift «Der Feinschmecker» ihn zum «Koch des Jahres», sein «Überfahrt» zwei Jahre später zum «Restaurant des Jahres». Und das ist nur ein Bruchteil der Auszeichnungen, die Jürgens im Laufe seiner beeindruckenden Karriere gesammelt hat.

Der 44-Jährige verbinde «Weltoffenheit vorbildlich mit Heimischem», heißt es nun in der Begründung des Gault Millau. Beispiele für seine jetzt preisgekrönten Gerichte: eine auf einem Stück Rinde servierte «Schweinerei», Zucchiniblüte mit Blutwurstmousse, mit geräuchertem Schweinebauch gefüllte Kartoffel oder das «Gartenfest» mit 14 verschiedenen Gemüse-Miniaturen. Dafür gab es auch in diesem Jahr für Jürgens wieder 19 von 20 möglichen Punkten. Schließlich habe er «bayerische Noten auf moderne Art interpretiert» und «mit Verve eine ganze Region aus dem kulinarischen Tiefschlaf» gerissen.

Die Arbeit in der Küche ist für ihn eine «Mannschaftssportart». «Ich bin Kapitän, Trainer und manchmal auch Platzwart. Aber ohne Mitspieler, ohne eine gute Offensive und eine gute Defensive geht es nicht», sagt er und spricht von «Angriffsfußball» oder «Formel 1». «Ich versuche, möglichst frische Produkte zu verwenden, die möglichst auch aus der Region kommen», betont Jürgens. «Sie müssen die Region auf dem Teller wiederfinden.» Seine Philosophie bringt er inzwischen nicht nur auf den Teller, sondern verbreitet sie auch in Zeitungskolumnen, Büchern und im Fernsehen.

Dass die Kulinarik heute - zumindest medial - eine größere Rolle spielt als noch vor einigen Jahren, das freut Jürgens. Für ihn ist das aber noch lange nicht genug. Denn gucken allein reicht nicht, sagt er. «Ich will gar nicht wissen, wie viele Menschen sich eine Kochshow ansehen und dabei eine Fertigpizza essen», sagt der Koch. «Wir müssen uns einmal überlegen, wie viel Zeit wir morgens im Bad brauchen. Ich brauche auch eine halbe Stunde, bis ich mich für vorzeigbar halte. Und genau diese Zeit kann man doch auch für die Gesundheit und eine frische Küche aufwenden.»

Vor 20, 30 Jahren sei das doch auch noch möglich gewesen. «Bei mir hat meine Großmutter noch jeden Tag frisch gekocht», sagt er. Und sie sei für ihn auch noch in anderer Hinsicht ein großes Vorbild: «Das Blaukraut meiner Großmutter ist unerreicht.» dpa

Fotogalerie seiner genialen Genusswerkstatt

Die Karriere:

Nach Stationen bei Feinkost Käfer, im Restaurant Tantris in München, in der Residenz Heinz Winkler in Aschau im Chiemgau sowie beim Spitzenkoch Jörg Müller auf Sylt holt sich Jürgens den finalen Schliff im Restaurant Aubergine bei Eckart Witzigmann. Im Jahr 1998 erhält er als Küchenchef des Restaurants Am Marstall den ersten Michelin-Stern. Zwei Jahre später wählt das Magazin Der Feinschmecker das Restaurant zum Restaurant des Jahres 2000.

Als Chef de Cuisine übernimmt Christian Jürgens 2001 das Restaurant Kastell im Hotel Burg Wernberg. Beim Wechsel zum Gourmetrestaurant Überfahrt 2008 zählt der Kochenthusiast bereits zur Kochelite Deutschlands. Bereits nach nur vier Monaten als Küchenchef im Gourmetrestaurant Überfahrt verleiht der Gastronomieführer Gault Millau seiner Küche 18 Punkte. Der hochdekorierte Zwei-Sterne-Koch ist nicht nur Küchenchef des Gourmetrestaurants Überfahrt im Althoff Seehotel Überfahrt in Rottach-Egern, sondern auch das Testimonial für das Genießerland Bayern.

Alle Auszeichnungen Gault Millau 2013:

Koch des Jahres: Christian Jürgens von der Überfahrt in Rottach-Egern am Tegernsee

Oberkellner des Jahres: Antje Kirsch vom Caroussel in Dresden

Aufsteiger des Jahres: Sarah Henke vom Spices in List auf Sylt

Entdeckung des Jahres: Oliver Röder aus Bembergs Häuschen in Euskirchen (Eifel)

Sommelier des Jahres: Thomas Sommer vom Schloss Lerbach in Bergisch Gladbach bei Köln

Restaurateur des Jahres: Michael Käfer von Feinkost Käfer in München

Pâtissier des Jahres: René Frank vom La vie in Osnabrück

Kochschule des Jahres: Ingo Holland vom Alten Gewürzamt in Klingenberg am Main