Von Hannah Loeffler
Ist Kohl schon Kult? Eine Bar in Berlins Stadtteil Neukölln ist zumindest schon nach dem Altbundeskanzler benannt. Im Bezirk Mitte dient hingegen Regisseur Quentin Tarantino als Namensgeber eines Lokals. Um neben den unzähligen Bars in Berlin aufzufallen, setzen einige Betreiber auf die einprägsamen Namen von berühmten Persönlichkeiten.
Nicht aus politischen Gründen, sondern wegen des Nostalgie-Gefühls habe er den Namen «Helmut Kohl» gewählt, erklärt Bar-Besitzer Michel Braun. «Für mich und meine Generation hat der Begriff Helmut Kohl etwas allgegenwärtiges - so wie Mama, Papa oder Milch. Da ist so ein merkwürdiges Damals-Gefühl.» Seine Pläne, einen Drink namens «Süße Hannelore» anzubieten oder den Raucherraum «Helmut Schmidt» zu taufen, habe er wieder verworfen, erzählt Braun.
In der Bar sollen sich alle wohlfühlen - sowohl Anhänger als auch Gegner von Kohl oder der CDU. Einige Nachbarn hätten anfangs angekündigt, dass sie die Kneipe wegen des Namens nicht betreten werden, aber mittlerweile schaue sogar eine linke Gruppe der Humboldt-Universität regelmäßig vorbei. Der 82 Jahre alte Namensgeber weiß noch nicht, dass eine Bar nach ihm benannt ist, vermutet Braun. Gast war er zumindest noch nie.
Im «Tarantino's» in Berlin-Mitte hingegen war der Namensgeber bereits mehrmals zu Besuch. Während der Dreharbeiten zu «Inglourious Basterds» sei Regisseur Quentin Tarantino öfters für ein paar Drinks vorbeigekommen und auch Anfang dieses Jahres sei er wieder dagewesen, erzählt Geschäftsführer Robert Wachs.
«Er will natürlich immer bezahlen, aber ich lass ihn nicht - schließlich verdiene ich mit seinem Namen Geld», sagt Wachs über seinen Ehrengast, durch den er auch schon Brad Pitt, Til Schweiger oder Christoph Waltz begrüßen durfte. Wachs, der die Bar 2004 eröffnete, spricht von «Glück», weil Tarantino immer noch so populär ist - und seine mit Kinoplakaten tapezierte Kneipe deswegen gleich mit. Gäste aus Japan, Brasilien oder Australien seien extra gekommen, um zu sehen, wo Tarantino gerne feiert.
Vom anhaltenden Ruhm einer TV-Ikone profitiert auch Jens Maeß, Besitzer der «Konrad Tönz»-Bar in Kreuzberg. Junge Gäste kennen zwar den Schweizer Moderator, nach dem die kuschelige Kneipe im Siebzigerjahre-Stil benannt ist, meist nicht mehr, sagt Maeß.
Aber viele Ältere kämen gerade wegen des Namens immer wieder. Sie seien genauso wie die ursprünglichen Gründer der Bar große Fans der Kult-Serie «Aktenzeichen XY ungelöst», für die Toenz aus dem Schweizer Studio zugeschaltet wurde. Ende der Neunziger besuchte Toenz persönlich die nach ihm benannte, aber mit «ö» geschriebene Bar. Offenbar hat es ihm gefallen, 2004 kam er ein weiteres Mal.
Große Namen können also Gäste in kleine Bars locken. Doch was ist, wenn der Namensgeber in Verruf gerät? Den Kulturverein Kinski etwa gibt es schon seit vielen Jahren. Der Neuköllner Club, eine Art Kiez-Wohnzimmer, diskutiert nach den Missbrauchsvorwürfen seiner Tochter Pola gegen den 1991 gestorbenen Schauspieler und Namenspaten Klaus Kinski nun über eine Umbenennung.
«Dass Klaus Kinski verrückt war, das wussten wir alle - dass er so verrückt war, das hätten wir nicht gedacht. Davon distanzieren wir uns natürlich», sagt Filmemacher und Mitbegründer des Kulturvereins, Peter Domsch. Allerdings sei der Verein nach der Kunstfigur Kinski und nicht nach der Privatperson Klaus Kinski benannt. Da müsse man differenzieren, findet Domsch. Vorschläge für einen neuen Namen gibt es aber schon: «Wir könnten uns vorstellen, dass wir uns einfach Frau Kinski nennen.» dpa