Corona Kontaktverbot statt Ausgangssperre

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder einigten sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag bei einer Telefonkonferenz darauf, Ansammlungen von mehr als zwei Personen grundsätzlich zu verbieten. Ausgenommen werden sollen Familien sowie in einem Haushalt lebende Personen.

Eine Gruppe von zwölf Ländern hatte sich bereits vor der Schaltkonferenz im Grundsatz auf ein umfassendes Kontaktverbot verständigt. Dazu gehörten Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen. dpa

Es gelten bundesweit folgende 9 Punkte

Der Beschluss der Bundeskanzlerin und der Länderchefs:

I. Die Bürgerinnen und Bürger werden angehalten, die Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren.

II. In der Öffentlichkeit ist, wo immer möglich, zu anderen als den unter I. genannten Personen ein Mindestabstand von mindestens 1,5 m einzuhalten.

III. Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet.

IV. Der Weg zur Arbeit, zur Notbetreuung, Einkäufe, Arztbesuche, Teilnahme an Sitzungen, erforderlichen Terminen und Prüfungen, Hilfe für andere oder individueller Sport und Bewegung an der frischen Luft sowie andere notwendige Tätigkeiten bleiben selbstverständlich weiter möglich.

V. Gruppen feiernder Menschen auf öffentlichen Plätzen, in Wohnungen sowie privaten Einrichtungen sind angesichts der ernsten Lage in unserem Land inakzeptabel. Verstöße gegen die Kontakt-Beschränkungen sollen von den Ordnungsbehörden und der Polizei überwacht und bei Zuwiderhandlungen sanktioniert werden.

VI. Gastronomiebetriebe werden geschlossen. Davon ausgenommen ist die Lieferung und Abholung mitnahmefähiger Speisen für den Verzehr zu Hause.

VII. Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Friseure, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe werden geschlossen, weil in diesem Bereich eine körperliche Nähe unabdingbar ist. Medizinisch notwendige Behandlungen bleiben weiter möglich.

VIII. In allen Betrieben und insbesondere solchen mit Publikumsverkehr ist es wichtig, die Hygienevorschriften einzuhalten und wirksame Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter und Besucher umzusetzen.

IX. Diese Maßnahmen sollen eine Geltungsdauer von mindestens zwei Wochen haben.

Experten bewerten mögliche Ausgangssperren unterschiedlich

Ausgangssperren als mögliche Maßnahme zur Kontrolle der Coronavirus-Epidemie in Deutschland bewerten Experten unterschiedlich. Nach Meinung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) sind solche gravierenden Einschnitte vermeidbar, wenn die bisherigen Regeln des Robert Koch-Instituts konsequent und mit aller Disziplin eingehalten werden, teilte die Gesellschaft am Sonntag mit.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina sprach sich am Samstag vorsichtig für schärfere Maßnahmen aus. «Es deutet sich an, dass zum jetzigen Zeitpunkt ein deutschlandweiter temporärer Shutdown (ca. drei Wochen) mit konsequenter räumlicher Distanzierung aus wissenschaftlicher Sicht empfehlenswert ist», heißt es in einer Stellungnahme der Akademie. «Dabei müssen notwendige und gesundheitserhaltende Aktivitäten weiterhin möglich bleiben.»

Leopoldina-Sprecherin Caroline Wichmann ergänzte allerdings auf Nachfrage, dass mit «Shutdown» eine bundeseinheitliche stringente Ausgangsbeschränkung bis nach Ostern gemeint sei. Dies würde kein Arbeitsverbot, kein Einkaufsverbot von Lebensmitteln und auch keine Unterbindung von Spaziergängen im Familienkreis bedeuten. Ziel sei die konsequente Nutzung von Homeoffice. «Entscheidend ist auch eine disziplinierte räumliche Distanzierung von Personen von zwei Metern, insbesondere, wenn sie nicht in einem Haushalt wohnen.»

Die DGKH plädiert dafür, «unsere ganze Kraft dem Schutz der besonders gefährdeten Risikogruppen» und des medizinischen Personals in Kliniken, Alten- und Pflegeheimen zu widmen. Für geeignete Maßnahmen hält die Gesellschaft in diesem Zusammenhang unter anderem Besuchssperren und Mitarbeiterkontrollen auf Zeichen einer Infektion sowie Virustests.

Darüber hinaus solle kein Infizierter mehr im privaten Umfeld in Quarantäne mit einem Menschen aus den gefährdeten Risikogruppen zusammenwohnen. Es müssten alternative Quarantäne-Unterkünfte gefunden werden.

Als Ziel sieht die Gesellschaft angesichts der exponentiellen Ausbreitung des Virus die konsequente Senkung schwerer Infektionen und der damit zusammenhängenden Todesfälle. dpa