Corona trifft Mallorca besonders hart Touristeninsel ohne Touristen

Von Alexandra Wilms

Die Stille fällt auf. Kein Klappern von Tassen aus den Cafés, kein vielsprachiges Gemurmel auf den sonst an jeder Ecke installierten Terrassen von Mallorcas Hauptstadt. Die Straßen und Plätze der Altstadt von Palma sind ausgestorben. Die strenge Ausgangssperre, die seit gut zwei Wochen in ganz Spanien herrscht, hat nicht nur dem Treiben der Einheimischen ein vorübergehendes Ende gesetzt. Mittlerweile sind auch die letzten Touristen, die bei der Ausrufung des Notstandes hier Ferien verbrachten, abgereist.

Wie lange es dauert, bis die Ersten wieder zurückkehren, das ist dieser Tage die große Frage. Das Virus zeigt, dass die große Stärke der Insel zugleich auch ihr größter Schwachpunkt ist. «Ein Großteil unserer Wirtschaft hängt direkt oder indirekt von Tourismus ab - das macht die Balearen zu einer der Regionen Spaniens, die am schwersten von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise betroffen ist», erklärt Ökonom Antoni Riera.

Der Professor hat ausgerechnet, wie hoch die Verluste sein werden, die durch die staatlich angeordnete Schließung aller Hotels auf den vier Inseln entstehen. Als Berechnungsgrundlage dienten ihm die Zahlen von März, April und Mai 2019. Der Totalausfall entspricht demnach 1,4 Milliarden Euro, die nun in den Taschen von Hoteliers, Transportfirmen und Restaurantbesitzern fehlen.

«Anders als in industriellen Wirtschaftsräumen wird es hier deutlich länger dauern, bis die Wirtschaft wieder in Gang kommt: Es muss ja zuerst wieder Nachfrage herrschen», erklärt Riera der Deutschen Presse-Agentur. Und gerade diese Nachfrage sieht er nicht so schnell wiederkommen. Er befürchtet eine langanhaltende Angst der Urlauber vor Reisen mit dem Flugzeug, zudem prophezeit er eine größere Sparsamkeit der Verbraucher, die sich vor allem auf das Reisebudget auswirken werde.

Von diesem Reisebudget hängt das täglich Brot vieler Mallorquiner ab. Den Schätzungen der Landesregierung zufolge sind 200 000 Arbeitnehmer von Kurzarbeit betroffen, die Gewerkschaft UGT schätzt gar, dass 400 000 Menschen, also 80 Prozent aller Arbeitnehmer der Balearen, auf staatliche Hilfe angewiesen sein werden. Saisonarbeiter, deren Verträge nun auf dem Spiel stehen, Selbstständige, denen die Aufträge wegbrechen, Haushaltshilfen, deren Gehälter sich Familien künftig nicht mehr leisten können - die Liste, die UGT-Sprecherin Ana Köhler aufzählt, ist lang.

Zu den unmittelbar Betroffenen gehören jene Hotelmitarbeiter, die erst Anfang März eingestellt worden waren und nun wieder nach Hause geschickt wurden. Seit vergangenen Donnerstag sind alle Hotels auf Mallorca geschlossen. 13 Hotelbesitzer machten aus ihrer Not eine

Tugend: Sie spendeten an der bei deutschen Urlaubern beliebten Playa de Palma insgesamt drei Tonnen verderbliche Lebensmittel an Hilfsorganisationen. Auch Hygieneartikel wie das dieser Tage schwer gefragte Toilettenpapier waren dabei. Der mallorquinische Hotelverband FEHM zeigte sich ebenfalls solidarisch und spendete Handschuhe, Mundschutzmasken, Reinigungsalkohol und Duschhauben an Krankenhäuser.

Geöffnet ist neben sechs Unterkünften für Einsatzkräfte vom Festland derzeit nur noch ein Hotel in Palma. Das «Palma Bay» am Kongresszentrum wurde von den Gesundheitsbehörden zu einem Ausweichkrankenhaus umgerüstet. Sollten die Kapazitäten in den Krankenhäusern Mallorcas nicht ausreichen, könnten bis zu 250 leicht erkrankte Patienten nun dort behandelt werden.

Derzeit sieht es nicht so aus, als würde dieser Ernstfall eintreten:

Im spanienweiten Vergleich liegen die Balearen sowohl bei der Zahl der Infizierten als auch der Todesfälle am unteren Ende des Skala. 37 Tote, rund 1000 Erkrankte und immerhin 100 Patienten, die bereits wieder gesund sind, verzeichneten die Inseln am Montag. Die Zahl der Neuansteckungen ist zudem rückläufig.

Die Insellage könnte helfen, das Virus schneller unter Kontrolle zu bekommen als andernorts. Fähr- und Flugverbindungen sind auf ein absolutes Minimum gekürzt. An Palmas Flughafen, wo in der Hauptsaison die Maschinen im Minutentakt landen, gibt es derzeit noch knapp ein Dutzend Verbindungen zum Festland und nach Resteuropa.

Doch der Vorteil, sich schnell abschotten zu können, birgt auch den Nachteil, auf die Flugverbindungen angewiesen zu sein. «Wir haben gerade erst monatelang einen neuen Streckenplan ausgearbeitet, der ist jetzt hinfällig», klagt Andreu Serra. Der Dezernatsleiter für Tourismus des Inselrates von Mallorca gibt zu, dass die unsichere Lage vieler Airlines fatale Auswirkungen auf den Inseltourismus haben kann.

Ein Umdenken in der Werbestrategie, die in den vergangenen Jahren wegen Überfüllung im Sommer ausschließlich die Nebensaison anpries, gibt es trotzdem nicht. «Vielleicht muss man dieses Jahr ein wenig nachjustieren, je nachdem, wann die Saison tatsächlich anfangen kann. Aber wir wollen uns nach wie vor als Ganzjahresziel positionieren, das mit Sport, Gastronomie und Kultur lockt.»

Die Sorgen von Ökonom Antoni Riera über eine drohende Reise-Unlust teilt Serra nicht. «Wir haben die Krise nach dem 11. September 2001 überstanden, wir werden auch diese Krise überstehen.» Stück für Stück werde auch nach Corona die Reiselust zurückkehren. Zur Pflege des Fernwehs hat der Inselrat gerade eine Online-Kampagne gestartet. Das

Motto: «Mallorca wartet auf dich, sobald das alles wieder vorbei ist». Wann genau das sein wird, das wagt aber auch Optimist Serra nicht vorherzusagen. dpa