Beschlagnahmte Turnhallen, knapper Wohnraum und das umstrittene Flüchtlingsdorf auf dem Tempelhofer Feld: Berlin hat große Probleme mit der Unterbringung von Zehntausenden Flüchtlingen.
Jetzt verhandelt der Senat mit mindestens einer Hotelkette: Check-in für Flüchtlinge. Es könnte um bis zu 10 000 Betten gehen. Sollte das Land wirklich in großem Stil und über mehrere Jahre bisher gutlaufende Hotels anmieten, wäre das ein Paradigmenwechsel.
Zwar werden bundesweit bereits an mehreren Orten Flüchtlinge in Hotels untergebracht. Doch die standen vorher meist leer oder liefen schlecht. In Berlin dagegen würden Tausende gut nachgefragte Betten vom Markt genommen. In etwa jedem zwölften Berliner Hotelbett würde ein Flüchtling schlafen.
Bestätigt ist bisher lediglich, dass der rot-schwarze Senat mit Grand City Hotels (GCH) und anderen Hotelgesellschaften verhandelt. «Wie diese Gespräche allerdings ausgehen, ist völlig offen», betont Regierungssprecherin Daniela Augenstein. Weder Senat noch Hotelgesellschaft sagen, über wie viele Betten, welche Hotels und welche Preise gesprochen wird.
Nach Informationen der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», die zuerst über die Verhandlungen berichtet hat, geht es um 10 000 Hotelbetten in 22 Grand City Hotels. Der Anbieter verlange pro Platz und Nacht 50 Euro. Das wären 1500 Euro Miete im Monat, 18 000 im Jahr. Da der Senat die Hotels über mehrere Jahre mieten wolle, gehe es um ein Paket von mindestens 600 Millionen Euro.
50 Euro pro Bett und Tag, so viel zahlt Berlin bisher als Obergrenze an Hostels, die Flüchtlinge unterbringen. Es ist die teuerste Variante der Flüchtlingsunterbringung. Deshalb habe das Land sie auch drastisch runtergefahren, sagt Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). Von den rund 43 000 in der Hauptstadt untergebrachten Flüchtlingen lebten Ende 2015 rund 1500 in Hostels. Im Moment sind es nach Daten der Sozialverwaltung nur 642. Die Tagessätze liegen im Schnitt bei 37,50 Euro.
Erstaufnahme- und Gemeinschaftseinrichtungen sind deutlich günstiger. «Normalerweise streben wir an, Flüchtlinge für etwa 10 Euro pro Tag unterzubringen», sagt Kollatz-Ahnen. Doch Berlin hat viel zu wenig reguläre Unterkünfte für die vielen ankommenden Menschen - und muss deshalb wohl notgedrungen tiefer in die Tasche greifen.
«Wir gehen davon aus, dass weiterhin viele tausend Flüchtlinge in unsere Stadt kommen werden. Das heißt, wir suchen händeringend weitere Unterbringungsmöglichkeiten», sagt Senatssprecherin Augenstein. Regierungschef Michael Müller (SPD) hat angekündigt, im Notfall auch leerstehende Gewerbe- und Büroräume sowie Hotels beschlagnahmen zu lassen. Blockaden oder «absurde finanzielle Vorstellungen» von Privatleuten werde er nicht länger dulden.
Der Hotelbranche kommt die Taktik des Senats durchaus gelegen. 10 000 Betten weniger, das sei durchaus für den Tourismus verkraftbar, heißt es beim Berliner Hotel- und Gaststättenverband. Für die Hotels dagegen bedeute die Flüchtlingsunterbringung eine garantierte Auslastung im harten Preiskampf auf dem Berliner Hotelmarkt. Und selbst Hotels, die keine Flüchtlinge unterbringen, könnten profitieren, weil sich die Touristen auf weniger Häuser verteilten.
Den Flüchtlingen dürften es in den Hotels in jedem Fall besser gehen als in Turn- oder Messehallen. Alles sei besser als die Hangars am ehemaligen Flughafen Tempelhof, wo Tausende Menschen eng gedrängt lebten, heißt es in der Berliner Opposition. Kollatz-Ahnen betont, das Land schaffe zugleich auch 25 000 Plätze in mobilen Unterkünften und 15 000 in Containern. Doch um Alternativen zu Turnhallen, Hangars und Containern geht es lange nicht mehr. Die Hotels braucht Berlin obendrauf. dpa
Dehoga: Wegfall von 10 000 Hotelbetten in Berlin verkraftbar
Die Unterbringung von 10 000 Flüchtlingen in Berliner Hotels würde dem Tourismus in der Hauptstadt aus Branchensicht nicht schaden.
«Wir haben mehr als ausreichend Kapazität, auch wenn diese 10 000 Betten wegfallen», sagte Kerstin Jäger vom Berliner Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) am Dienstag. «Das kann man absolut kompensieren.»
Der Berliner Senat verhandelt derzeit mit einer Hotelkette über eine längerfristige Anmietung von Zimmern für Flüchtlinge. Nach Informationen der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» soll es um 10 000 Betten in 22 Hotels der Gesellschaft Grand City Hotels (GCH) gehen. Eine Senatssprecherin hatte am Montagabend laufende Gespräche bestätigt, aber keine Angaben zu ihrem Stand gemacht.
Für die Hotelgesellschaft sei es attraktiv, Bettenkontingente zu verkaufen, weil das im harten Preiskampf auf dem Berliner Hotelmarkt eine Garantie auf eine gewisse Auslastung gebe, sagte Jäger. Aber auch andere Hotels könnten von einer solchen Absprache profitieren. Fielen 10 000 Betten weg, verteilten sich die Touristen auf die anderen Häuser. dpa
Derzeit fast 650 Flüchtlinge in Berliner Hostels
In Berliner Hostels sind derzeit 642 Flüchtlinge untergebracht. Das Land zahle pro Platz und Tag im Schnitt 37,50 Euro, erklärte die Sozialverwaltung am Dienstag. Damit hat Berlin die Unterbringung dort deutlich runtergefahren. Zum Jahreswechsel lebten nach Aussage von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) noch 1500 der 43 000 in Berlin untergebrachten Flüchtlinge in Hostels.