Von Larissa Loges
Obelix hätte nicht hinein gepasst. Asterix vielleicht schon. Aber es ist ja ohnehin kein Zaubertrank, der in den medizinballgroßen Kupferkesseln gebraut wird. Doch wenn es nach Georg Gründl geht, schon. Denn in den elf Kesseln, die an Gusseisenhaken über dem langen, rustikalen Holztisch baumeln, ist Milch. Allgäuer Milch. "Rohmilch, frisch von der Kuh raus", so Gründl. Die ist gesund und macht gesund, meint jedenfalls der gebürtige Niederbayer. "Die Milch entscheidet, wo die Käsereise hingeht", sagt Gründl. Gute Milch gleich guter Käse. Macht Sinn. Darum geht es in der Käseschule Allgäu in Thalkirchdorf bei Oberstaufen: Käse verstehen - und damit auch das Thema Milch.
Schürze umbinden, Hände desinfizieren. "Bitte das Abdecknetz entfernen." Unter dem feinmaschigen Netz, das Fliegen abhält, blitzt weißlich der Allgäuer Zaubertrank auf. 2,8 Liter gute Ausgangsmilch pro Kessel ergeben später je rund 250 Gramm Käse.
"Jetzt erhitzen", dirigiert der Käsemeister und reicht zwei Stabfeuerzeuge herum. Jeweils zwei Brennpasten in silbernen Behältern werden entzündet, die Kessel darüber geschwenkt. Aus etwa 12 Grad sollen 37 werden. Das dauert. Zeit, mit Gründl die Käsewelt zu erforschen. "Die grundsätzliche Herstellung ist bei über 4000 Käsesorten weltweit relativ gleich. Nur die Verfeinerung ist eben ein bisschen anders." Wie sich ein Käse entwickelt, entscheiden beigefügte Milchsäurebakterien und Reifung.
Dabei bringt die Milch bereits Milchsäurebakterien mit. "Aus dem Futter", erklärt Gründl: "Die Dreingabe weiterer Milchsäurebakterien entscheidet, welchen Käse ich mache", erklärt der Käsemeister. Der heute zu fertigende Weichkäse benötigt aber kein Bakterienplus. In der traditionellen Käseverarbeitung wurde die Milch einfach stehen gelassen - bis sie sauer war.
Wer zu Hause Käse machen will, benötigt "traditionell hergestellte Frischmilch" oder "Vorzugsmilch vom Bauernhof", so Gründl. Keine H-Milch. "Die ist ultratot", sagt der Experte. Sie habe aber auch ihre Vorteile beispielsweise für Kaffeespezialitäten: "Je toter die Milch, desto stabiler der Milchschaum."
Der Fetarella, eine Mischung aus Feta und Mozzarella, der heute in den Kesseln köchelt, ruft indes ziemlich lebendig nach Aufmerksamkeit. "Wenn Sie 37 Grad erreicht haben, machen Sie einfach Ihre Klappen zu", sagt Gründl mit einem Augenzwinkern. Heißt: Pastenbrenner schließen.
Unter gespannten Blicken verteilt der Käsemeister eine Flüssigkeit. Der nächste Zaubertrank? Könnte man so sehen. Labkonzentrat, aus der Magenschleimhaut von Kälbern, mit Wasser verdünnt, lässt die Milch gerinnen. "Eiweiß verhakt sich mit Kalzium." Klar. "Zügig einrühren", gibt der Meister vor. Zur Antwort klimpern laut die speziellen Rührthermometer. "Jetzt nicht mehr rühren." Stille. Das Abdecknetz kommt zurück auf die Öffnung. Dann: wieder warten.
An einer Schautafel erklärt der Kenner die Käseherstellung. "Es gibt Standardsorten, da darf man nichts verändern. Und dann Sorten, da wird wild experimentiert. Cola- oder Wasabikäse oder so was. Muss man mögen. Nun ja, habe ich Handkäse, und er schmeckt nicht, mach ich Musik dazu", so der Niederbayer lachend. Wie aufs Stichwort spielt draußen irgendwo eine bayerische Kapelle auf.
Die Teilnehmer horchen aufmerksam. Sonst tut sich zwischen den holzumrahmten Fenstern mit grün-weißen Gardinen sowie der Fototapete mit Alm- und Kuhpanorama - nichts. Neugierig blinzelt ab und an ein Käseschüler unters Abdecknetz. Nichts. Doch unter der Oberfläche arbeitet der Käse: Schnittprobe, stichfest, puddingartig. Der Meister nickt zufrieden.
Käseverkostung zum Zeitvertreib. "Mh, lecker, das schmeckt." Ein halbjähriger und ein einjähriger Bergkäse, eingelegter Fetarella in Kräutern und Öl. Übrigens: "Käse sollte man drei Stunden vor dem Essen aus dem Kühlschrank holen, damit sich das Aroma entfalten kann." Eigentlich, meint Gründl, sei Käse "ja nicht zum Aufheben, sondern zum Essen da". Stimmt, finden die Lernenden und putzen den Verkostungskäse weg.
Nach der Pause heißt es: Netze runter. Die schweren Kessel werden auf Unterlegsteine gehoben, schnell noch mal Hände desinfizieren. Käseharfen schneiden klappernd erdnussgroße Stücke. "Bruch machen", nennt sich das. Käsegeruch steigt auf, als sich Molke und Trockenmasse trennen.
Gründl kontrolliert alle Kessel aufs Erdnussschneidtalent seiner Zöglinge, dann "Harfen raus, abklopfen, beidseitig, wegen der Ausbeute, nochmal zwei Gramm". Dem Käse wird noch einmal richtig eingeheizt. "Zügig mit dem Rührthermometer umrühren", diktiert der 53-Jährige.
Schließlich landet der Käse in speziellen Formen mit Löchern, durch die die Molke abfließen kann. Pressplatte und Gewicht drauf, etwas kühlen, fertig. Die Käsertaufe ist der krönende Abschluss. "Jeder trinkt nun einen Liter Molke auf Ex", kündigt Gründl an. Glücklicherweise gibt es dann stattdessen doch nur ein Hausschnäpschen. Nur ein paar Stunden dauert es, dann ist der eigene Weichkäse gefertigt. Erstaunlich.
Mindestens ebenso erstaunlich wie die kleine Butterschule, die Gründl für seine Teilnehmer anhängt. Jeder bekommt schnell noch ein großes Weckglas voll Sahne. Guter Sahne, versteht sich. Dann werden die Behälter knappe drei bis vier Minuten per Hand "in guter Schlagposition" geschüttelt. Zack, gießt man das Wässrige ab, bleibt milde, weiche Butter. "In der Einfachheit liegt der Mehrwert. Butter selbst im Glas schlagen, da hat man immer wieder einen schönen Aha-Effekt", sagt Gründl, der Firmen, Fachleute, Schulklassen, Vereine und eben Privatleute in Sachen Käse und Butter schult. In der Käseschule Allgäu und schaukäsend mit einem riesigen Kupferkessel deutschlandweit. Das ist für ihn nicht nur ein Geschäft, auch Passion: "Solange Milch billiger ist als Cola, stimmt was nicht mit der Welt", sagt der dreifache Vater. "Gute Lebensmittel sind Genuss. Den sollte man sich wert sein. Das Leben ist viel zu kurz, um es nicht zu genießen."dpa
Deutsche Milch- und Käsestraße
Bundesweit kann man auf der Deutschen Milch- und Käsestraße hinter die Kulissen gucken und entdecken, wie Käse und weitere Milchprodukte handwerklich traditionell hergestellt werden. Dabei hat die Deutsche Milch- und Käsestraße keinen vorgegebenen Routenverlauf. Die Stationen verteilen sich wie ein Netz über ganz Deutschland. Die regionalen Milch- und Käserouten führen zu Höfen und Sennereien, die unter dem jeweiligen Dach des Verbandes für handwerkliche Milchverarbeitung e.V. (VHM) in Handarbeit Hofkäse und Hofmolkereiprodukte herstellen. www.hofkaese.de/milchundkaesestrassen