«Total geflasht»: Angelina Vogt ist Deutschlands neue Weinkönigin
Deutschlands frischgekürte «First Lady» des Rebensafts spricht Japanisch und würde US-Präsident Trump gerne 100 Flaschen Wein schicken. Für antiquiert hält sie das traditionsreiche Amt nicht.
Von Wolfgang Jung
Sie hält sich durchaus für zeitgemäß. Die frisch gekürte neue deutsche Weinkönigin Angelina Vogt vom Anbaugebiet Nahe wischt jede Bedenken weg, diese Art der Monarchie sei nach mehr als 70 Jahren antiquiert und angestaubt: «Das Amt ist moderner denn je.» Auf der Bühne im pfälzischen Neustadt an der Weinstraße regnete am Freitagabend goldenes Konfetti auf die 25-jährige angehende Winzerin herab. «Ich bin total geflasht und begeistert», jubelte die Ernährungswissenschaftlerin.
Auf dem Weg zur 71. Deutschen Weinkönigin setzte sich die junge Frau aus Weinsheim (Rheinland-Pfalz) mit Fachwissen und Charme gegen fünf Konkurrentinnen durch. Die Frauen mussten etwa Weinsorten bei einer Blindverkostung erkennen und Begriffe wie «Schluckspecht» pantomimisch darstellen. Bei der bunten Show überzeugte Vogt auch mit Schlagfertigkeit. So kommentierte sie einen Schluck süffigen Portugieser mit den Worten: «Dieser Wein macht Bock auf ein Steak.»
Ein Jahr lang vertritt die «First Lady» des Rebensafts nun die rund 20 000 deutschen Winzer der 13 Anbaugebiete bei mehr als 200 Terminen rund um den Globus. «In meinem Amtsjahr will ich meine Leidenschaft für Wein mit anderen teilen», sagte Vogt. Ihre erste Reise führt am 3. Oktober nach Paris, wo sie bei einer Feier zum Tag der Deutschen Einheit für den deutschen Wein wirbt.
Die höchste Repräsentantin des deutschen Weins übernahm die Krone von Carolin Klöckner (Weinbaugebiet Württemberg). Die bisherige Hoheit nahm mit gemischten Gefühlen Abschied. «Es gab keine Sekunde, die ich missen möchte», sagte Klöckner unter dem Applaus der etwa 800 Gäste.
Für kurze Aufregung und den Einsatz von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei sorgte ein Brandmeldealarm im Saalbau. Allerdings konnte schnell Entwarnung gegeben werden - durch Pyrotechnik sei einer der Brandmelder ausgelöst worden, teilte die Polizeidirektion mit.
Zu Weinprinzessinnen, die Angelina Vogt bei ihrer Arbeit unterstützen sollen, wählte die Jury Julia Sophie Böcklen (25, Württemberg) und Carolin Hillenbrand (26, Hessische Bergstraße). Rheinland-Pfalz gratulierte «seiner» Siegerin. ««Wir sind unglaublich stolz», sagte Landwirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) am Rande der Krönung.
Die Weinkönigin wirbt seit 1949 für die Branche. Auch die heutige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) trug einst die Krone (1995/1996). Sie gratulierte per Twitter der Siegerin: «Auf ein ereignisreiches Jahr mit tollen Begegnungen im Auftrag unserer Winzer und ihrer Produkte. Danke für diesen Einsatz im Ehrenamt!» Vom Ministerium in Berlin kamen ebenfalls gute Wünsche: «Viele gute Termine und Begegnungen als Deutschlands Botschafterin für ein Kulturgut mit Geschichte und Tradition bis in die Römerzeit!»
Bis 1999 galt die Bedingung, dass die Kandidatinnen ledig sein und aus einer Winzerfamilie stammen mussten. Auch Vogt steht für den Wandel im Amt. Sie spricht Japanisch, tanzt Flamenco, schätzt Goethes «Faust» und ist nicht unpolitisch. «Ich würde gerne 100 Flaschen Nahewein zollfrei an Donald Trump schicken, weil ich ihm zeigen möchte, dass man nicht alles was gut ist, im eigenen Land herstellen kann», sagt sie zum Beispiel.
Vogt besteigt den Thron zu einem guten Zeitpunkt. Die Branche hofft auf einen vielversprechenden Weinjahrgang. Kühle Nächte und warme Tage seien ideal für die Aromabildung, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Der Ertrag bleibt aber wohl unter dem Durchschnitt von bundesweit neun Millionen Hektolitern im Jahr.
Mit etwas mehr als 100 000 Hektar Ertragsrebfläche ist Deutschland - im Vergleich etwa zu Spanien oder Frankreich - vielleicht keine Weinanbauweltmacht. Aber deutscher Wein kommt international gut an.
Vogt soll beitragen, die Bilanz weiter zu verbessern. Denn für die Branche ist das traditionsreiche Amt auch ein Marketing-Instrument.
«In meinem Leben hat es mich quer durch die deutschen Anbaugebiete verschlagen», erzählte die Tochter eines Servicetechnikers und einer Hausfrau. Die Ortenau in Baden-Württemberg sei ihre Heimat, aber durch ihren Freund sei sie nach Rheinland-Pfalz gelangt. «Die Nahe ist jetzt mein Zuhause. Ich werde euch nie mehr verlassen», rief sie unter dem Applaus ihrer Anhänger im Saalbau der pfälzischen Kommune.
Noch am Wahlabend kündigte Angelina Vogt eine aktive Amtszeit an. «Wertvolle Erfahrung wird oft auf abgelegenen Wegen gemacht», betonte sie mit glänzenden Augen. «Ich freue mich auf den Roadtrip mit euch.» Dann verschwand sie in einer Jubeltraube aus Familie und Freunden. dpa
Die Wahl zur Weinkönigin
Die 71. Deutsche Weinkönigin heißt Angelina Vogt und kommt von der Nahe. Als Deutsche Weinprinzessinnen komplettieren Julia Sophie Böcklen aus Württemberg und Carolin Hillenbrand von der Hessischen Bergstraße das Trio der Deutschen Weinmajestäten 2019/2020.
Nach einem spannenden Finale verkündete die Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts (DWI), Monika Reule, gegen 22.20 Uhr die Entscheidung der über 70-köpfigen Fachjury im Saalbau von Neustadt. Unter lautstarkem Jubel und dem Applaus der rund 800 Zuschauer wurden die drei frischgewählten Weinmajestäten von Ihren Vorgängerinnen gekrönt und strahlten in die zahlreichen Kameras. Sie hatten bereits im Vorentscheid mit Fachwissen geglänzt und präsentierten sich im Finale besonders charmant und redegewandt.
„Ich bin stolz und glücklich und kann es noch gar nicht so richtig fassen“, jubelte die frisch gekürte Weinkönigin unmittelbar nach der Wahl, die live vom SWR Fernsehen sowie per Livestream im Internet übertragen wurde. Nach nur zwei Jahren geht damit die höchste deutsche Weinkrone wieder an die Nahe.
Angelina Vogt, Julia Sophie Böcklen und Carolin Hillenbrand behaupteten sich unter insgesamt sechs Finalistinnen, die nach dem Vorentscheid am vergangenen Samstag von der Jury ins Finale gewählt worden waren. Hier bewiesen alle sechs Fachfrauen in mehreren Spielrunden ihre weinsensorischen, rhetorischen und kommunikativen Fähigkeiten. Sie kommentierten ihre Einspielfilme, sprachen originelle Grußworte, absolvierten Raterunden und meisterten eine verdeckte Weinprobe.
Für die Finalistinnen galt es, mit ihrer Persönlichkeit sowie mit Spontanität, aber auch mit ihrem Weinwissen die über 70-köpfige Jury im Neustadter Saalbau vor laufenden Kameras von sich zu überzeugen.
„Alle Kandidatinnen können sehr stolz auf sich sein. Es ist ihnen sehr gut gelungen, komplexe Sachverhalte zum Thema Wein auf den Punkt zu bringen“, erklärte Monika Reule, Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts (DWI), das die Wahl alljährlich ausrichtet.
Das Deutsche Weininstitut (DWI) und das SWR Fernsehen, das in diesem Jahr die Wahl zum 20. Mal live übertrug, haben sich wieder interessante Aufgaben überlegt, die von den Kandidatinnen gemeistert werden mussten. Für Abwechslung sorgten zwischendurch musikalische und artistische Einlagen von Künstlern wie dem Ensemble Salut Salon oder der a cappella Band Les Brünettes.
Wer von ihnen schließlich Carolin Klöckner folgt, entschied die Jury nach einer finalen, sehr emotionalen Rede der drei angehenden Weinbotschafterinnen.